Mit: Victor André, Bleuette Bernon, Brunnet, Jeanne d'Alcy, Henri Delannoy, Depierre, Farjaut, Kelm & Georges Méliès
Kurzinhalt:
Eine Gruppe von Wissenschaflern wird mit Hilfe einer riesigen Kanone zum Mond geschossen. Dort angekommen werden sie von den dortigen Lebewesen gefangen genommen, ehe ihnen die Flucht zurück zur Erde gelingt…
Review:
Man stelle sich vor, Méliès hätte diesen Film nicht gemacht. Ein Anderer hätte ihn sicher auch nicht gemacht. Trotzdem hätte sich der SF-Film entwickelt, wenn auch später, aber es wäre ein anderer SF-Film gewesen. Anderen Filmemachern hätte die Inspiration gefehlt, es hätte auch keinen Maßstab gegeben, und mutmaßlich wäre der SF-Film in dieser frühen Epoche der Filmgeschichte nur als Satire behandelt worden. Die ersten Filme, die man dem SF-Genre zurechnen kann, verspotteten eher die Wissenschaft und Technik. Als "Die Reise zum Mond" 1902 erstmals aufgeführt wurde, revolutionierte er den Film. Seine Laufzeit von 16 Minuten war geradezu monumental, er reizte alle technischen Möglichkeiten wie pyrotechnische Effekte, Doppelbelichtungen, frühe Matte-Zeichnungen und Stop-Motion aus und wagte es, aus einer utopische Idee einen umfassenden, spektakulären Abenteuerfilm zu machen. Und all das in einer Zeit, in der sich das Publikum allein schon dadurch verblüffen ließ, dass bewegte Bilder über eine Leinwand flimmerten.
"Die Reise zum Mond" gilt zu Recht als Meilenstein der Filmgeschichte, angefangen bei der phantasievollen Ausstattung und den bahnbrechenden visuellen Effekten bis hin zur einfallsreichen Handlung. Méliès kombiniert Versatzstücke aus den Romanen von Verne ("Von der Erde zum Mond") und Wells ("Die ersten Menschen auf dem Mond") zu seinem eigenen Weltraumabenteuer, das traumhafter bzw. verträumter kaum sein könnte. Der Film ist ein Traum, er verzichtet auf wissenschaftliche Fundamente, sondern zehrt von der Erfindungsgabe seines Schöpfers. In grandiosen Bildern lässt uns Méliès an seiner visionären Vorstellung eines solchen Abenteuers teilhaben, so wie das "Mondgesicht", in dessen Auge die Rakete landet, die phantastische Welt der Seleniten oder die triumphale Heimkehr der Astronauten.
Die Naivität, mit der die Mondmission von statten geht, ist herrlich. So wird die Raumkapsel mit einer überdimensionalen Kanone ins All geschossen, Schwerelosigkeit ist kein Thema, der Mond verfügt über eine Atmosphäre, in der der Mensch selbstverständlich atmen kann usw. All der (wissenschaftliche) Ballast, der den Filmemachern heutzutage zu schaffen macht, ist hier schlicht und ergreifend bedeutungslos, er wird allein durch die Vorstellungskraft Méliès' substituiert. "Die Reise zum Mond" zeigt den SF-Film in seinen Kinderschuhen, und sehen wir den Film heute durch die Augen eines verträumten Kindes, wehre man sich nicht gegen die nostalgischen Gefühle. Science Fiction, Kunst und Komödie, all das bietet der Film in ausgewogenem Maße in seinen 16 Minuten. Tricktechnisch / handwerklich brillant, narrativ und optisch ausgewogen, erstaunlich – so hat "Die Reise zum Mond" auch heute noch als Maßstab zu gelten.