Mäßiges Remake zum Arnie-KlassikerKategorie: Filme - Autor: M. Spieler | C. Siegel - Datum: Donnerstag, 23 August 2012
Total Recall
(Total Recall, USA/CAN 2012)
Bewertung:
Studio/Verleih:
Original Film/Rekall Productions/ Columbia Pictures/Sony Pictures
Regie:
Len Wiseman
Produzenten:
U.a. Toby Jaffe, Neal H. Moritz & Len Wiseman
Drehbuch:
Kurt Wimmer & Mark Bomback, basierend auf dem Drehbuch von Ronald Shusett, Dan O'Bannon & Jon Povill, welches wiederum von einer Kurzgeschichte Philip K. Dicks inspiriert war
Mit: Colin Farrell, Kate Beckinsale, Jessica Biel, Bryan Cranston, Bokeem Woodbine, Bill Nighy, John Cho u.a.
Kurzinhalt:
Douglas Quaid, Fließbandarbeiter in der Roboterfabrik der UFB (United Federation of Britain), sucht nach Abwechslung von seinem Leben als Mensch zweiter Klasse, als Bewohner der Kolonie (Australien) und glaubt, diese im Angebot von Rekall zu finden. Trotz der Warnung seines besten Freundes Harry, geht er eines Nachts zur Firma, die behauptet Träume in echte Erinnerungen verwandeln zu können. Ein Abenteuer als Spion scheint genau das Richtige für Doug zu sein, doch der Check vor der Implantation fördert zu Tage, dass er dabei ist die einzige Regel zu brechen, die es bei Rekall gibt: es werden keine Erinnerungen implantiert, die mit Realen kollidieren würden. Nachdem Doug eigenhändig eine plötzlich auftauchende Polizeieinheit ausschaltet, wird ihm klar, dass er Wissen zu haben scheint, dass er in seinem bisherigen Leben nie angesammelt haben kann und zu den wachsenden Zweifeln an seiner eigenen Identität kommt schon bald eine tödliche Jagd von der Kolonie zur UFB.
Review:
Ach ja, das Remake eines der brutalsten Arnold-Schwarzenegger-Klassiker aus den 90ern – "Total Recall". Die Personen, die man aus dem Original kennt, bleiben im Grunde alle gleich besetzt, nur hat man die Rolle von Lori (1990: Sharon Stone), Dougs Frau, mit der von Richter (1990: Michael Ironside) vereint, so dass Kate Beckinsale ("Underworld"-Reihe) nach der ersten Konfrontation auch die Jagd nach ihrem "Ehemann" übernimmt. So sind "die Bösen" genauso schnell definiert wie "die Guten", nur die Umgebung der Geschehnisse wurde drastisch geändert. Anstatt zum Mars zu reisen, bleibt man auf einer postapokalyptischen Erde, auf der nur zwei Territorien noch bewohnbar sind: das Gebiet der UFB, was im Grunde Teile Westeuropas sind, und die Kolonie auf der anderen Seite der Erde.
Hier könnte die Geschichte ansetzen, wenn man sich nicht ein hanebüchenes Plotdevice hätte einfallen lassen, das instrumental für den Verlauf des gesamten Films wird: der sogenannte "Fall". Denn die scheinbar einzige Möglichkeit effektiv zwischen den beiden Landmassen zu reisen, besteht in einer Röhre durch den Erdkern. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Ich meine, die Handlung auf den Mars zu verlegen ist auch ein SciFi-Konzept, aber das wurde damals wenigstens halbwegs glaubwürdig umgesetzt - vom Atmosphärenreaktor mal abgesehn. Aber ein Schacht, in der ein "Aufzug" von der Größe eines durchschnittlichen Hochhauses in 17 Minuten durch den Planeten fällt, ist nicht nur ressourcenmäßig fragwürdig, sondern schlicht unmöglich. So viel kann ich mein Gehirn gar nicht an der Kasse abgeben, dass ich meine Schul-(und Uni-)Bildung so ausblenden könnte. Gut, geschenkt. Von der Kolonie reisen also täglich Arbeiter zur UFB um dort in Fabriken Roboter für die Polizeikräfte zu bauen, die gegen den wachsenden Terrorismus des sich formierenden Untergrunds eingesetzt werden sollen. Was könnte der Bösewicht Cohaagen (Bryan Cranston, "Breaking Bad") wohl mit denen vorhaben? Ihr seht schon, die Geschichte ist so spannend wie das Ergebnis von einem Ei in der Bratpfanne. Leider bleibt jede größere Wendung aus und man hält sich an das Original. Man orientierte sich beim Setting wohl dichter an der Buchvorlage von Philip K. Dick, in der der Mars auch nicht zum Reiseziel wird. Erbaulich sind allerdings die ansehnlichen Effekte der Verfolgungsjagd, die stark an ähnliche Sequenzen aus "Minority Report" oder "I, Robot" erinnern und die doch sehr gute Action zwischen den Kontrahenten. Trotzdem sind Filme, deren beste Momente die sind, in denen nicht - oder nur wenig - gesprochen wird, halt leider selten gut. Dazu kommt, dass - nach X Jahren Actionfilmgeschichte - die Bösen hier wieder und wieder unglaublich dämliche Dinge tun, mit denen sie sich selbst vom Erfolg abhalten. Man hat echt nicht so viel Gesicht, wie man sich im Laufe (und vor allem beim Showdown) palmieren möchte.
Musik gab es auch, aber ich erinnere mich nicht an sie. Ein Film der angeblich seit vier Jahren in der Entwicklung ist und mit dem Anspruch der Produzenten startete, die Figuren und die Handlung zu vertiefen und frisch anzugehen, sollte mehr zu bieten haben als dieses Machwerk. Eine wild kämpfende Kate Beckinsale und eine wild kämpfende Jessica Biel sind halt auch nur über eine gewisse Distanz geschichtentragende Elemente. Nicht jedoch über fast zwei Stunden. Typecasting at its best. Dazu kommt, dass bestimmte interessante Begebenheiten, die tatsächlich mit der Geschichte zu tun hätten, so schnell abgefrühstückt werden, dass man kaum Gelegenheit hat, irgendeine Emotion für die Situation oder die Personen in ihr zu entwickeln. Ich verfolgte die Ereignisse auf der Leinwand mit ständigem gedanklichem Achselzucken. Eine einzige Szene - die gefühlt Dialoglastigste - die sich mit Quaids/Hausers (Colin Farrell, "Fright Night") Zustand befasst und all seine Zweifel komprimiert behandelt, ist fantastisch gespielt und echte Spannung wird sehr lange glaubhaft aufrechterhalten. Diese Szene und die gute Unterhaltung, die die sehr gut choreografierte Action & Effekte bringen, retten den Film für mich auf 50% dessen was möglich gewesen wäre.
Fazit:
Erwartet bei der FSK-12-Einstufung von "Total Recall" keine Brutalität oder Gore wie im Original mit Schwarzenegger. Angeblich soll es bei der Zweitverwertung einen Cut geben, der höher eingestuft wird, aber das bleibt abzuwarten und bezweifle ich eigentlich stark. Ich kann den Film nicht so recht empfehlen - nicht bei den Preisen, die Kinobesuche für viele zu etwas Besonderem machen. Bei einem solchen Abend, sollte sich der Film auch insgesamt lohnen und nicht nur zur Hälfte. Einzelne großartige Elemente und Ideen geben leider kein rundes Gesamtbild ab.
Wertung:5 von 10 schwebende Autos
Michael Spieler
Spoiler-Warnung!
Das nachfolgende Review beinhaltet große Spoiler zum Original-Film "Total Recall" mit Arnold Schwarzenegger. Im Zuge der Besprechung der Ähnlichkeiten und Unterschiede wird auch einiges bezüglich des Remakes vorweggenommen. Wer den Film so unvorbereitet wie möglich sehen will, oder gar das Original noch nicht kennt, sollte daher erst beim Fazit weiterlesen.
Review von Christian Siegel:
Bei Remakes von Filmen, die auf einer Romanvorlage basieren, hörte man zuletzt immer wieder – quasi als Daseinsberechtigung – das Argument, man würde zur Vorlage zurückgehen und weniger den ersten Film kopieren als eine neue Interpretation der Vorlage schaffen. Von "Total Recall" kann man das hingegen nicht behaupten. Wie der Arnie-Klassiker von 1990 nimmt er die Grundidee eingepflanzter Erinnerungen und der Firma Rekall lediglich als Ausgangsbasis; davon abgesehen erzählt er de facto – mit leichten Abwandlungen – die gleiche Geschichte wie das Original. Da dieses viel von seinem Reiz aus den Wendungen gezogen hat, mit denen er gespickt ist (die eine Stärke von Philip K. Dick ist, die man so, auch wenn man an der Vorlage viele Veränderungen vorgenommen hat, doch auf die filmische Umsetzung umgelegt und ihm damit Tribut gezollt hat), und man eben diese Offenbarungen hier de facto 1:1 kopiert, heißt das leider auch: All jene, die alt genug sind, den Schwarzenegger/Verhoeven-Film zu kennen, werden hier nicht viel neues für sich entdecken. Man kennt die Handlung, viele der Szenen und jede einzelne Wendung leider schon. Dies ist ein wesentlicher, jedoch keinesfalls der einzige Grund, warum mich "Total Recall" kaum überzeugen konnte.
"Total Recall" muss sich als waschechtes Remake den Vergleich mit dem Original gefallen lassen – und zieht dabei leider in allen Belangen den Kürzeren. Es gibt einfach so viele Dinge, die Paul Verhoeven und sein Drehbuchautoren-Team besser gemacht haben, als Drehbuch-Überarbeiter Kurt Wimmer und Regisseur Len Wiseman. So begann man sehr bodenständig – was den weiteren Verlauf der Handlung nur umso überraschender gemacht hat (beispielhaft braucht man sich nur die unterschiedlichen Zugänge zum Rekall-Büro anschauen; im Original war es so unscheinbar wie ein Reisebüro. Im Remake wirkt es eher wie ein dreckiges Hinterzimmer, und es beschleicht einen sofort ein ungutes Gefühl). Viele originelle Ideen, wie die Mutanten, sucht man hier vergeblich – wie man hier generell auf einen Besuch des Mars verzichten muss. Auch Cohaagen und seinen Plan fand ich im Original nachvollziehbarer und erschreckender als das, was man sich für das Remake hat einfallen lassen. Das Original verfügt über so viele unvergessliche Szenen und Elemente. Manches davon wird zwar im Remake kopiert, um ihm Tribut zu zollen (kleiner Exkurs: was manchmal auch in die Hose geht. So machte die Anwesenheit einer dreibusigen leichten Dame im Original Sinn, da sie eine Mutantin war. Hier könnte es nur als willkürliche Schönheits-OP durchgehen, der Film tut aber nichts, um ihre Anwesenheit in irgendeiner Weise zu erklären oder zu rechtfertigen; z.B. in dem man uns zeigt, dass solche OPs in Zukunft zur Gewohnheit werden. Dadurch reduziert man es auf einen billigen Gag, der nur dann funktioniert, wenn man das Original kennt. Auch die Finte rund um die wohlbeleibtere Dame, die zwei Wochen verbleiben will, funktioniert angesichts der Tatsache, dass wir im Hintergrund jenen Mann sehen, von dem wir zuvor einen Blick in einem Reisepass erhaschen konnten, nicht. Und auch die Szene, als man Quaid davon zu überzeugen versucht, er sei immer noch bei Rekall, war im Original viel cleverer umgesetzt als hier.), aber das Remake verabsäumt es völlig – bzw. scheitert darin – eigene erinnerungswürdige Momente zu schaffen.
Bei der Handlung handelt es sich wie gesagt um eine fast 1:1-Kopie des Originals; zumindest was die Wendungen betrifft. Statt dem Mars wird hier die Britische Föderation besucht (was dem Wow-Effekt der damaligen Mars-Szenen nicht einmal ansatzweise nahe kommt), Cohaagen hat einen leicht abgeänderten Plan (den ich für einfallsloser halte als im Original), und bei den Figuren wurde etwas gestrafft (so wurden Sharon Stones Lori und Michael Ironsides Richter in Kate Beckinsales Rolle hineinfusioniert, und z.B. der Taxilenker-Verräter gänzlich eingespart). Und ja, die Actionszenen sind natürlich modernen Sehgewohnheiten angepasst und entsprechend auf spektakulärer getrimmt (was diese jedoch noch lange nicht besser macht). Doch die grundlegende Struktur bzw. der Inhalt wurden beibehalten. Dabei fehlt es jedoch oftmals in den Details an jener Cleverness, die das Original für mich so ausgezeichnet hat. Nur ein Beispiel: Im Original wird Quaid von Hauser reingelegt; im Remake (zumindest habe ich es so verstanden) werden jedoch Quaid und Hauser von Cohaagen reingelegt. Damit fehlt dieser zentrale Mindfuck, dass du praktisch von dir selbst aufs Kreuz gelegt wirst, und sich deine wahre Persönlichkeit als richtiges Arschloch offenbart.
Ein weiterer Schwachpunkt liegt darin, wie oft ich mich dabei ertappt habe, an andere Filme zu denken. So gesehen hat der Name des Films – auch wenn natürlich vom Original abstammend – mit "Total Recall" eine ironische Note (wie auch das Logo des Produktionsstudios "Original Film", dass zu Beginn angezeigt wird; da konnte ich mir – auch ohne Kenntnis des Films, nur angesichts der Tatsache, dass es sich um ein Remake handelt – ein Lachen nur schwer verkneifen). Ähnlichkeiten zum Original fallen bei einem Remake natürlich unter die Kategorie "no na" und sind fast nicht zu vermeiden. Doch darüber hinaus haben sich Len Wisemen und sein Team noch von zahlreichen weiteren Filmen inspirieren lassen, wie z.B. "Blade Runner" (praktisch bei allen Szenen im Koloniegebiet, mit den asiatischen Einschlägen, dem Dauerregen, den Regenschirmen, der Neonbeleuchtung etc., war wieder einmal offensichtlich, wie sehr Ridley Scotts Meisterwerk das Design futuristischer Städte geprägt hat), "Minority Report" (die Verfolgungsjagd auf bzw. mit den Schwebefahrzeugen), "I, Robot" (die Polizeiroboter-Armee), "Die Bourne Identität" (der Agent mit Amnesie, der während eines Überfalls seine Fähigkeiten erkennt, und danach in einem Bankschließfach nach Hinweisen auf seine Identität sucht), "The Core" (die Fahrt zum/durch den Planetenkern, wobei man den Machern immerhin zugutehalten muss, dass "Der Fall" nicht in einer gänzlich geraden Linie verläuft sondern sich zum Erdkern hin doch leicht krümmt; wesentlich unplausibler als die Atmosphäre auf dem Mars fand ich das jetzt auch nicht), sowie "Inception" (der Kampf in der Schwerelosigkeit; auf den ich nach der ersten Fahrt mit dem "Fall" schon richtiggehend gerechnet habe; es war ja klar, dass so etwas später noch kommen muss). Im letzten Klammer-Punkt steckt ein weiteres wesentliches Problem des Films: Auch abseits der Tatsache, dass man die wichtigsten Handlungspunkte schon kennt, war der weitere Verlauf von "Total Recall" ungemein absehbar. Wo mich das Original immer wieder überraschen konnte und ich bei der Erstsichtung nicht hätte sagen können, wo sich das noch hinbewegen wird, ist dies beim Remake leider nur allzu offensichtlich.
Was "Total Recall" leider auch fehlt, ist die Ambivalenz des Originals. Dieses hat sehr clever mit der Frage gespielt, ob es sich nun um einen Traum, bzw. eine von Rekall eingepflanzte Erinnerung handelt, oder um die Realität. Entscheidend war hierfür sein Traum zu Beginn, der sich am Ende fast 1:1 widerspiegelt. Sollte das tatsächlich quasi eine Vorahnung, eine Vision gewesen sein? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass sein Gehirn sich den Bildern aus seinem Traum bedient, und sie in seine Wahnvorstellung einbindet? Auch darüber hinaus gab es viele kleinere Anspielungen, wie z.B. der Rekall-Techniker, der das neue Programm "Blauer Mars" lädt. Zugegeben, die offenkundige Interpretation war, dass sich alles tatsächlich so darstellt, wie es aussieht. Paul Verhoeven lenkte nie zu große Aufmerksamkeit darauf, wie es z.B. Christopher Nolan bei "Inception" mit dem Kreisel am Ende tat. Aber die Möglichkeit bestand. Im Remake ist der erste Traum eine Erinnerung, und keine Vision – womit dieser möglichen Interpretation de facto jegliche Basis entzogen wird.
Was im direkten Vergleich leider auch offenkundig wird, ist, inwiefern die heutigen technologischen Möglichkeiten, die den Filmemachern zur Verfügung stehen, oftmals mehr Fluch als Segen sind. Beim Original musste Paul Verhoeven die Effektszenen wohldosieren – weshalb diese dann eine umso größere Wirkung entfalten konnten, wie z.B. die Ansichten vom Mars. Beim Remake wird einem von der ersten bis zur letzten Sekunde ein Effekte-Overkill vorgesetzt – ohne Steigerung, ohne wohlüberlegte Dosierung – weshalb sich das Auge früher oder später an diesen futuristischen Städten satt sieht. Auch was die Besetzung betrifft sehe ich Vorteile beim Original. Versteht mich nicht falsch – es ist unbestritten, dass Colin Farrell ein besserer Schauspieler als Arnold Schwarzenegger ist. Ich bin ein großer Fan von unserer steirischen Eiche, aber Schauspieler ist er keiner. Er verfügt jedoch – auch abseits seiner Muskeln – über einen Charme, ein Charisma, eine Ausstrahlung und eine damit einhergehende Leinwandpräsenz, an die selbst die meisten großen Actionstars in meinen Augen nicht heranreichen. Und so gut Colin Farrell als Schauspieler auch sein mag, aber was das betrifft, kommt er nicht einmal ansatzweise an Schwarzenegger heran, und erweist sich somit als denkbar schlechter Ersatz. Zumal er uns in meinen Augen auch seinen Wandel vom Fabriksarbeiter zum Geheimagenten nicht glaubwürdig vermittelt (Matt Damon hat unter ähnlichen Voraussetzungen in "Die Bourne Identität" hier z.B. deutlich besserer Arbeit abgeliefert). Ich finde, man hätte entweder einen aktuellen Actionstar nehmen müssen, oder aber einen grandiosen Charakterdarsteller wie Ryan Gosling. Für Farrell sind Arnolds Fußstapfen jedoch mindestens zwei Nummern zu groß.
Dem Rest der Besetzung ergeht es nicht viel besser. Kate Beckinsale erweist sich zwar erneut als sexy und gefällige Kampfamazone, aber die Bösewichtin nahm ich ihr zu keinem Zeitpunkt wirklich ab. Leider verabsäumte es auch das Drehbuch, ihr eine nachvollziehbare Motivation auf den Weg zu geben – während man Richter zur Mitte des Originals eine ebensolche gab, die verständlich machte, warum er Quaid unbedingt tot sehen will. Auch Jessica Biel kann ich leider bestenfalls nur als "ok" einstufen – obwohl ihr Maßstab mit Rachel Ticotin jetzt ohnehin nicht der größte war. Die hatte aber deutlich mehr Feuer im Blut, als es Biel hier zeigt. Dem grandiosen Bryan Cranston gelingt es immerhin, an Ronny Cox anzuknüpfen, und seine eigene gleichwertige Interpretation der Figur zu finden. Und immerhin einem in der Besetzung gelingt es, das Original auf die Plätze zu verweisen, und das ist Bill Nighy als Rebellenanführer Matthias. Von ihm hätte ich gern mehr gesehen – was jedoch zugegebenermaßen angesichts der Struktur des Films nicht möglich gewesen wäre.
Zwei wesentliche Aspekte gibt es jetzt noch, wo das Remake dem Original ebenfalls weit unterlegen ist. Der erste ist die Filmmusik. Harry-Gregson Williams hat schon einige sehr schöne Soundtracks komponiert; ich erinnere nur an seine Arbeit für die ersten beiden "Narnia"-Filme. Bei "Total Recall" hat man ihn aber wohl dazu aufgefordert, das übliche, einfallslose und langweilige Actiontechnorockpunkgedöns zu fabrizieren, ohne erkenntliche musikalische Themen. Zugegeben, Jerry Goldsmiths grandiose Vorlage (für mich einer seiner besten) wäre wohl für die meisten Komponisten unerreichbar gewesen. Aber derart austauschbar und unauffällig hätte der Soundtrack dann auch wieder nicht sein müssen – wenn er damit zugegebenermaßen auch perfekt zum Film passt, den er vertont. Der letzte und wesentliche Kritikpunkt, der im Vergleich zum Original auffällt, ist, dass es Len Wiseman nicht einmal ansatzweise so gut gelingt, uns aufzuzeigen, was auf dem Spiel steht, und für echte Spannung zu sorgen. Am Ende steht die Kolonie vor der Auslöschung, doch wo Paul Verhoeven zuvor dadurch, dass er uns einige markante Figuren innerhalb der Mutanten vorgestellt hat, für sie unsere Sympathien geweckt hat – und zudem uns mit den sich ausschaltenden Ventilatoren die Ausweglosigkeit ihrer Situation sehr prägnant deutlich gemacht hat – verabsäumt es Len Wiseman, uns eine ähnliche Beziehung zu den Kolonisten aufbauen zu lassen. Wir mögen vielleicht, wenn überhaupt, noch mit Quaid und seiner Schnitte mitfiebern, doch mit den Kolonisten? Zumal die Bedrohung hier auch längst nicht so greifbar ist wie im Original. Trotz aller Kritik: "Total Recall" ist kein schlechter Film per se. Er vermag es dank des hohen Erzähltempos selbst bei Kenntnis des Originals und damit der Handlung noch, zumindest ansatzweise zu unterhalten, und keine allzu große Langeweile aufkommen zu lassen. Und vor allem die Action ist teilweise durchaus gelungen, und von Wiseman auch kompetent inszeniert.
Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen setzt er mehr auf weite Einstellungen, und ist auch nicht ganz so schnell mit der Schere zur Hand, weshalb man der Action größtenteils folgen kann. Die eine oder andere Sequenz mag zwar schon fast wieder zu lang dauern – allen voran der Showdown sowie die Verfolgungsjagd im Fahrstuhl – aber hübsch anzusehen sind die meisten von ihnen durchaus. Das Highlight gab es diesbezüglich meines Erachtens relativ zu Beginn zu bestaunen, nämlich als Doug von seiner "Frau" Lori über die Dächer der Kolonie verfolgt wird. Vor allem eine Einstellung, in der wir sie über die Dächer springen sehen, war durchaus imposant und hat es mir angetan. Und auch der eine oder andere amüsante Kommentar hat sich eingeschlichen (wenn auch längst nicht so kultig wie im Original; angesichts all der Anspielungen hätte ich ja zumindest mit einem neuerlichen Auftauchen von "Consider that a divorce." gerechnet, aber leider vergeblich). Aber: Es ist halt alles schon mal – besser, cleverer und einfallsreicher – da gewesen. Womit "Total Recall" leider in die Gruppe jener Remakes fällt, denen es an jeglicher Daseinsberechtigung fehlt.
Fazit:
Im Gegensatz zum Original, dass zu Recht als Klassiker des Science Fiction-Genres gilt, bietet das "Total Recall"-Remake leider – ironischerweise – nicht das Geringste, dass in Erinnerung bleiben würde. Neben der Tatsache, dass er dem Vergleich zum Original in keinem Aspekt der Produktion, angefangen vom Drehbuch über die Inszenierung und dem Soundtrack bis hin zur Besetzung, das Wasser reichen kann, erweisen sich vor allem die zahlreichen Szenen und Elemente als Schwachpunkt, die an andere (bessere) Filme erinnern – und zwar auch abseits bewusst gewollter Anspielungen aufs Original, die ohnehin etwas erzwungen wirken. Die Inspirationsquellen von Len Wiseman & Co. sind dabei so vielfältig wie offenkundig, und reichen von anderen SF-Klassikern wie "Blade Runner" über genrefremde Produktionen ("Die Bourne Identität") bis hin zu modernen Meisterwerken wie "Inception". Einzelne Momente zwischendurch mögen gelungen sein, und der Film dank des hohen Erzähltempos und der vom geneigten Zuschauer mitgebrachten Neugier, inwiefern man sich vom Original unterscheidet oder eben nicht, keine große Langeweile verströmen. Doch insgesamt sind die Kritikpunkte einfach zu zahlreich, als dass die wenigen gelungenen Elemente sie ausgleichen könnten. Mein Tipp: Investiert das Geld statt in die Kinokarte lieber in eine DVD und/oder Blu Ray des Originals. Die Rekall-Edition kostet auf Blu Ray aktuell nur unwesentlich mehr als das Ticket, und dafür bekommt ihr die gleiche Geschichte, jedoch ungleich besser erzählt, mit unzähligen originellen, einzigartigen und denkwürdigen Elementen – statt diese generisch-einfallslose Kopie. Vor allem Kenner des Originals sollten um dieses Remake einen großen Bogen machen – sonst, so fürchte ich, werdet ihr euch wünschen, das wäre alles nur ein Traum gewesen…