Originaltitel: Sic transit Vir
Episodennummer: 3x12
Bewertung:
Erstausstrahlung USA: 15. April 1996
Erstausstrahlung D: 08. Dezember 1996
Drehbuch: J. Michael Straczynski
Regie: Jesús Trevino
Hauptdarsteller: Bruce Boxleitner als Captain John Sheridan, Claudia Christian als Commander Susan Ivanova, Jerry Doyle als Security Chief Michael Garibaldi, Mira Furlan als Delenn, Richard Biggs als Doctor Stephen Franklin, Bill Mumy als Lennier, Stephen Furst als Vir Cotto, Jason Carter als Marcus Cole, Jeff Conaway als Zack Allaln, Peter Jurasik als Londo, Andreas Katsulas als G'Kar.
Gastdarsteller:
Carmen Thomas als Lyndisty,
Damian London als Centauri Official,
James Jude Courtney als Narn #1 u.a.
Kurzinhalt:
Nach einem kurzen Besuch auf Centauri Prime, wo er persönlich über seine Beobachtungen auf Minbar berichtet hat, kehrt Vir wieder nach Babylon 5 zurück. Dort wartet auf ihn eine Überraschung – in Form der hübschen, lieblichen Lyndisty, die in Kürze seine Frau werden soll. Die Ehe wurde zwischen ihren Eltern arrangiert, und auch wenn Vir seine Zweifel hat – immerhin kennen sich die beiden ja noch nicht – beginnt er schon bald, Lyndistys Charme zu erliegen. Commander Ivanova, die zuletzt zunehmend von Alpträumen geplagt wird, wird indes auf ein anderes Problem aufmerksam, dass mit Vir in Verbindung steht: Als Botschafter auf Minbar hat er für zahlreiche Narn Papiere unterschrieben, um sie von ihrem zerstörten Heimatplaneten wegzuschaffen. Als man ihn zur Rede stellt behauptet Vir, die betreffenden Narn wären in Arbeitslager auf Centauri Prime übersiedelt worden, wo die Lebensbedingungen ungleich besser sind. Doch als Ivanova noch einmal nachhakt, findet sie heraus, dass alle zweitausend von Vir geschmuggelten Narn tot sind. Eben dies dürfte auch der Grund sein, warum ein Narn Vir angreift und versucht, ihn zu töten. Lediglich durch das flinke Eingreifen von Sheridan und Zack Allan wird sein Leben gerettet. Doch damit ist die Gefahr für Vir und Lyndisty noch nicht gebannt: Denn es befindet sich noch ein zweiter Narn, der Bruder des ersten Angreifers, an Bord – und offenbar hat die Familie Blutrache geschworen…
Denkwürdige Zitate:
"What is more dangerous than a locked room full of angry Narns? One angry Narn with the key!"
(Vir mag darüber nicht lachen können, ich fand diesen Witz des Regenten zum Brüllen.)
"It could be worse. You could be having dreams where you're showing up to work naked. Then you'd be in real trouble."
(Sheridan versucht, Ivanova aufzumuntern – ohne Erfolg.)
"You are Ambassador Mollari?"
"My dear lady, for you I would be anyone you want me to be."
(Londo kehrt bei Lyndistys Anblick wieder einmal seine charmante Seite hervor.)
"While I was waiting for you, Ambassador Mollari told me everything about you."
"Oh, don't worry, Vir. I only told her the good parts. It was a very short conversation."
(Londo macht sich wieder einmal über Vir lustig.)
"If you see somthing about this big with eight legs coming your way, let me know. I have to kill it before it develops language skills."
(Londo ist ob der evolutionären Schritte der Insekten in seinem Quartier besorgt.)
"When I marry, I want it to be for love."
"Ah, a radical!"
(Lyndistys amüsante Reaktion auf Virs Geständnis.)
"If kisses could kill, that one would have flattened several small towns."
(Vir nach seinem ersten Kuss mit Lyndisty.)
"Two thousand dead Narns? Well, it's a start. Good to see you showing some initiative, Vir."
(Londos erschreckender Kommentar, nachdem Ivanova und Sheridan Vir mit ihrem schrecklichen Verdacht konfrontieren.)
"Well, that covers effect, but I'm reasonably sure that I'm no nearer cause than I was when I sat down."
(Lyndisty zu Vir, nachdem ihr dieser von seinem schlechten Tag berichtet hat.)
Review:
Nachdem die letzten paar Episoden hochdramatisch und doch eher schwermütig waren, gönnt uns JMS mit "Eine wahre Centauri" eine kleine Verschnaufpause. So dominiert bei dieser Episode – von einer schockierenden Wendung zum Ende der Folge hin abgesehen – doch überwiegend der Humor. Egal ob Ivanovas Alptraum, in dem sie nackt vor der versammelten Crew in der Kommandozentrale steht (ein Gag, der später beim Gespräch mit Sheridan – siehe Zitate zur Folge – sowie Zacks kurzem Besuch in der Kommandozentrale, wo er meint wenn er ins All hinaussieht würde er sich nackt fühlen, jeweils nochmals kurz aufgegriffen wird), Londo in seinen Quartier auf Insektenjagd geht (die Szene als er den Übeltäter dann schließlich mit dem Schwert aus "Duell unter Freunden" aufspießt, ist einfach nur köstlich; aber generell sprudelt diese Szene nur über vor Humor), Vir sich von Ivanova Ratschläge für intime Beziehungen einholen will, das gemeinsame Abendessen zwischen Sheridan und Delenn (wo man uns zu Beginn der Szene Sheridans völlig verwüstete Küche zeigt), oder auch ein centaurifizierter Sheridan – so viel zu Lachen wie in "Eine wahre Centauri" hatten wir bei "Babylon 5" schon lange nicht mehr.
Der Schwerpunkt liegt in dieser Episode – wie der englische Titel andeutet – eindeutig auf Vir. "Babylon 5" macht zwar keine klassischen Charakterfolgen, wie diese gerade auch bei "Star Trek" immer wieder zu finden sind, aber "Eine wahre Centauri" ist wohl so nah an ebensolchen dran wie selten eine "Babylon 5"-Folge vor ihr. Sein Handlungsstrang teilt sich dabei in zwei mehr oder weniger separate Geschichten auf. Einerseits haben wir da alles rund um seinen Versuch, Narn zu retten; etwas, dass mich an Oskar Schindler erinnert hat. Nachdem er zuletzt doch sehr in den Hintergrund gerückt ist (nicht zuletzt, da Stephen Furst für eine andere Serie, die jedoch rasch eingestellt wurde, eine kurze Auszeit nahm), kann Vir dort wieder beweisen, wie sehr er sich seit seinem ersten Auftritt verändert hat. Der Vir aus "Ragesh 3" wäre niemals auf die Idee gekommen, so viel Mut unter Beweis zu stellen und sich derart deutlich gegen Londo bzw. die Politik der Centauri generell aufzulehnen. Als Londo davon erfährt ist er außer sich, und verfällt leider, nachdem er zuletzt ein paar versöhnliche Schritte gesetzt hat, wieder in sein abscheuliches Propaganda-selbst, als er Vir – als man noch glaubt, dieser hätte die Narn in den Tod geschickt – für seine Eigeninitiative lobt. Wo Vir also als Figur zwei Schritte nach vorne macht, macht Londo leider wieder einen zurück. Der Schwerpunkt der Handlung liegt aber auf Virs bevorstehende abgesprochene Hochzeit mit Lyndisty. Zu Beginn scheint sie – von ihrer etwas gar unterwürfigen Art, die zumindest meinen Geschmack nicht wirklich getroffen hat – alles zu sein, was sich ein Mann bzw. Centauri von einer Ehefrau nur wünschen kann, ehe sie das abscheuliche Innere hinter ihrem hübschen Äußeren offenbart, und damit sowohl Vir als auch den Zuschauer schockiert. Jene Szene als sie munter von den Kriegsverbrechen erzählt die sie und ihr Vater auf Narn begangen haben, läuft mir jedes Mal aufs Neue ein kalter Schauer über den Rücken.
Allerdings gab es auch ein paar Aspekte, die mir weniger gefallen haben. So fand ich es etwas konstruiert, dass Ivanova und Sheridan wirklich glauben würden, dass Vir 2.000 Narn in den Tod geschickt hat. Nicht zuletzt, da sie erst dadurch auf Abrahamo Lincolni aufmerksam werden, da Zack einige Narn näher untersucht, die auf die Station geschmuggelt wurden. Etwas seltsam fand ich auch, dass Vir Lyndisty am Ende tatsächlich noch einmal geküsst hat, und ihre erschütternden Vorurteile sowie die Schilderung ihrer Gräueltaten mit einem saloppen "Well, what relationship doesn't have its little ups and downs?" abtut. Hier schien mir die Figur, nachdem sie zuvor bewiesen hat, dass sie über einen starken eigenen Willen verfügt, wieder einen kleinen Schritt in ihrer Entwicklung zurückzumachen. Gleiches gilt übrigens für Londo, dessen Reaktion auf die angeblichen toten Narn seine Entwicklung der letzten Folgen negierte. Am schwersten wiegt für mich aber die starke, plötzliche Abblende in die Werbepause an der dramatischsten Szene der Folge – und dass man danach das Geschehen nicht wieder an diesem Punkt aufgegriffen hat. Tatsächlich erfahren wir in weiterer Folge mit keinem Wort, was denn nun eigentlich mit dem Narn passiert ist. Natürlich darf man davon ausgehen, dass Vir ihn nicht getötet hat, aber wie er es geschafft hat, sich da rauszuwinden, hätte ich dennoch gern gesehen. Das erschien mir doch ein bisschen wie Drückebergerei.
Fazit:
Mit "Eine wahre Centauri" gönnt uns JMS überwiegend eine kleine Verschnaufpause von all den hochdramatischen Entwicklungen, welche die letzten Episoden dominiert haben, und offeriert uns eine deutlich leichtfüßigere, beschwingtere Episode mit vielem amüsanten Szenen und lustigen Momenten. Im Mittelpunkt steht dabei Vir, der in dieser Folge wieder einmal unter Beweis stellen darf, wie sehr er sich verändert hat, seit wir ihn in "Ragesh 3" zum ersten Mal gesehen haben. So stellt er sich gegen die Politik der Centauri und nutzt seinen Einfluss auf Minbar, um den Narn zu helfen – sehr zu Londos Missfallen. Neben diesem Handlungsstrang steht in erster Linie seine arrangierte Hochzeit mit Lyndisty im Mittelpunkt des Geschehens. Auch dieser Plot beginnt sehr beschwingt und humorvoll, ehe die Ereignisse zum Ende hin dann eine bittere Wendung nehmen. Lyndistys Geständnis fand ich jedenfalls – vor allem auch angesichts der Fröhlichkeit mit der sie von den Gräueltaten berichtet, absolut erschreckend. Weniger gut gefallen hat mir, dass Vir sie am Ende der Folge dennoch noch einmal küsst. Unplausibel erschien mir auch, dass Sheridan und Ivanova ernsthaft in Betracht ziehen, dass Vir zweitausend Narn in den Tod schicken würde – und ihn anstatt es persönlich zu besprechen vor Londo zur Rede stellen. Am schwersten wiegt aber der plötzliche, harte Schnitt in die Werbepause am dramaturgischen Höhepunkt, der danach auch nicht mehr aufgegriffen wird. Dadurch erfahren wir auch nicht, was denn nun eigentlich mit dem Narn geschehen ist. Insgesamt empfand ich "Ein wahre Centauri" allerdings als sehr unterhaltsame Episode mit einem grandios aufspielenden Stephen Furst, die mit den vielen humorvollen Szenen eine angenehme Abwechslung nach der doch eher schwermütigen Stimmung der Episoden zuvor geboten hat.
Wertung: 3.5 von 5 Punkten
Christian Siegel
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Hintergrundinformationen:
Vom Skript zur Folge:
Bei meinem Abgleich zwischen der Episode und dem Drehbuch wären mir nur drei kleine Änderungen aufgefallen, wobei ich die letzte für elementar halte. Relativ zu Beginn fehlt ein kurzer Moment, in dem Vir mit Ivanova spricht und ihr sagt, dass er sich mit ihr Treffen will, um etwas wichtiges zu besprechen – was seine spätere Behauptung unterstützt, dass er ihnen alles über Abrahamo Lincolni anvertrauen wollte. Als Ivanova und Sheridan ihn am Ende zur Rede stellen fehlt, in der Folge die Frage, warum er ihnen nicht von vornherein die Wahrheit darüber gesagt hat, was mit den von ihm geschmuggelten Narn passiert, woraufhin er antwortet: "Centauri sind darauf konditioniert, niemandem zu vertrauen. Ich sehe nun dass ich das hätte tun sollen. Es tut mir leid." Am wichtigsten aber: Im Drehbuch erfährt man in einem kurzen Nebensatz beim Gespräch zwischen Ivanova und Sheridan am Ende das Schicksal des von Lyndisty überwältigten und gefangenen Narn, als diese ihrem Captain berichtet: "Der verletzte Narn den wir gefunden haben erholt sich in Medlab 4.". Ein wirklich befriedigender Abschluss dieses dramaturgischen Höhepunkts ist zwar auch das nicht, aber es wäre immerhin besser gewesen als das gar nichts, das wir in der fertigen Folge bekommen haben.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 6"
Stimmen zur Episode:
Peter Jurasik über Londo: „Es gibt nichts dass ihn mehr antreibt als seine Liebe und seine Leidenschaft für die Centauri. Zu sehen, wie Vir, zumindest aus Londos Sicht, eine Entscheidung als Individuum trifft statt für seine eigenen Leute bringt all die Ängste innerhalb Londos an die Oberfläche, die er an sich selbst hasst. Er lässt Vir wissen dass er die Aktion nicht nur persönlich missbilligt, sondern sie auch Londo selbst gefährdet. Ich glaube seine Entrüstung ist auf vielen Ebenen aufrichtig. Er fühlt sich, in gewisser Weise, betrogen."”
Bruce Boxleitner über seine – und Sheridans – mangelnde Kochkünste: „Ich bin eine totale Niete. Als ich Single war… oh Gott, ich wäre fast verhungert! Zuerst dieser ganze Aufwand um mein eigenes Essen herzurichten, dann aß ich es schnell, und danach hatte ich eine Stunde mit dem Aufräumen zu tun. Oder ich aß schon die Hälfte während ich noch beim Zubereiten war, und hatte dann nichts mehr übrig. Darin war ich nie gut. Ich hab kein Talent dafür. Das wurde für Sheridan übernommen. Er ist diesbezüglich auch völlig unfähig.”
Claudia Christian über die Szene, als Vir Ivanova um sexuellen Rat fragt: „Das mochte ich. Es ist so lustig, mit Stephen zu arbeiten. Ich glaube, wir haben das so richtig ausgeschlachtet. An einem Punkt fühlte es sich so an als würden wir Diane Keaton und Woody Allen spielen, diese stotternde Woody Allen-artige Art zu schauspielern, was zum Schreien komisch war. Ich bemerkte auf einmal dass ich anfing, wie Vir zu klingen!”
Stephen Furst über die neuen Gefühle für Vir, die er in dieser Folge zum Ausdruck bringen musste: „Ich benutze etwas, dass man "emotionalen Abruf" nennt. Wenn ich zum Beispiel traurig oder so sein muss, denke ich an etwas trauriges aus meinem eigenen Leben zurück. Auch hier habe ich mich des emotionalen Abrufs bedient. Ich verwendete eine Gelegenheit bei der ich in jemanden verknallt war. Es ist alles Illusion und Vortäuschung.”
Regisseur Jesús Trevino über die Episode: „Ich sagte zu Joe und John [Copeland], "Lasst uns den darin innewohnenden Humor so richtig ausreizen.", und Stephen Furst war zweifellos mit vollem Eifer dabei. Vir und Londo sind so großartig zusammen; sie haben das nun schon für so viele Jahre gemacht dass es sehr viel Chemie gibt wenn du die beiden gemeinsam in einen Raum stellst. Jurasik ist für sich genommen auch als Mensch eine so lustige Person; er albert immer auf dem Set herum und bereichert es mit einem gewissen Humor. Bei der Szene in der er den Käfer jagt hat sich die komplette Crew schiefgelacht, mit seinen verschiedenen Versionen davon.”
Claudia Christian über ihre Nacktszene: „Joe ist sehr nett und im Drehbuch stand sogar "nackt oder in einem Nachthemd", womit auch immer ich mich wohlfühlte. Ich sagte "Es ist nicht lustig, wenn es ein Nachthemd ist. Was das Ganze lustig macht ist ja gerade, dass sie nackt ist." Natürlich habe ich es gemacht, es war keine große Sache. Ich hab einfach meine Brüste zugeklebt, und sie haben es von hinten gedreht. Wir hatten Spaß dabei. Ich bin nicht sonderlich schüchtern. Ich habe kein Problem damit; es ist ja auch nicht so, als hätte ich etwas hergezeigt. Und die Crew hat ohnehin schon alles gesehen”
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 3: Point Of No Return"
Produktionsnotizen:
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 6"
Kommentare von JMS
Das ist definitiv jene Folge, in der Vir ein Rückgrat entwickelt hat. Vir ist eine gutherzige Person, und in einer korrupten Gesellschaft wie jener der Centauri gibt es nicht viele Möglichkeiten um dies auch auszuleben. Auf Minbar hatte er die Gelegenheit genau dies zu tun, und er nutzte sie. Es war wichtig, den Vir von der ersten Episode in die Gegenwart zu bringen und zu zeigen, wie er allmählich immer selbstsicherer wird, sich gegenüber Londo behauptet und letztendlich das tut, was er für richtig hält..
Quelle: "Babylon 5: Season by Season-Guides - Volume 3: Point Of No Return"
Um die Szene mit Londo und den Käfer zu erklären… ok, wie zur Hölle erkläre ich diese Szene? Schaut, es ist nämlich so. Wie ich an anderer Stelle erwähnt habe, schreibe ich nachts. Ich mag es, in der Nacht zu schreiben. Das Telefon klingelt nicht. Außer bei jenen Leuten die wissen dass ich in der Nacht schreibe weil das Telefon nicht läutet, und beschließen mich anzurufen weil sie wissen dass sie nicht unterbrochen werden, außer wenn ich sie anschreie "WARUM RUFST DU MICH AN?".
Ihr müsst euch also vorstellen wie euer demütiger Korrespondent an seinem Schreibtisch sitzt, es ist drei Uhr morgens, ich habe gerade die Eröffnungsszene zwischen Delenn und Sheridan abgeschlossen (die später im Schneideraum nach hinten verlegt wurde damit die Szenen etwas besser ineinander fließen), und jetzt kommt die Szene mit Londo in seinem Quartier. Ich tippe "INT. Londos Quartier", drei Worte die ich nun drei Jahre lang geschrieben habe, und in den Sätzen die dieser Beschreibung folgten habe ich in dieser Zeit alles Mögliche passieren lassen dass passieren kann, wenn man bedenkt dass der Ort praktisch Londos Schlafzimmer ist.
Dann sah ich auf meinem geistigen Auge einen centaurischen Sonnenaufgang: Dieses Haar… dieses follikulare Leuchtfeuer das drei Staffeln lang so viel Schwierigkeiten bereitet hat… wie es sich hinter einem Tresen erhebt… als Londo einen Käfer jagt. Ich begann zu lachen… und konnte nicht mehr aufhören. Jedes Mal wenn ich mich wieder ausreichend beruhigt hatte um mich wieder über das Keyboard zu beugen, begann ich neuerlich zu lachen. Der kleine rationale Teil meines Gehirns sagte "Du bist hysterisch. Du bist erschöpft, leidest unter Schlafmangel, du bist immer noch dabei die Intensität der letzten paar Geschichten zu überwinden, und du hast einen hysterischen Anfall. Du solltest ins Bett gehen." Dann kam ich auf die Karten spielenden Vinzini, ihre zusammengesetzten Augen, und wie Londo schreit "Ich will dieses Ding TOT!", und ich bog mich schon wieder vor Lachen. Und ich erkannte, dass wenn ich einen Lacher so dringend nötig hatte, die Zuschauer an diesem Punkt in der Geschichte ebenfalls einen Lacher gebrauchen konnten, und so übernahm ich diese Szene.
Meine Intention mit Lyndisty war es, über die Banalität des Bösen zu sprechen, dass dieses ein hübsches Gesicht tragen kann, und absolut aufrichtig wirken kann, denn sie ist ja auch aufrichtig in dem, was sie glaubt. Es ist halt nur so, dass was sie glaubt extrem verabscheuungswürdig ist. Das ist, letztendlich, das wahre Gesicht des Bösen: Nicht das Knurren einer öffentlichen Deklaration, sondern die stille Annahme dass die Dinge natürlich so sind wie sie sind wegen dieser Leute, und du weißt ja wie sie sind. Während des Colleges sah ich ein gefilmtes Interview mit einer Gruppe von Hausfrauen unten in Mississippi, die vor dem Aufkommen der Bürgerrechtsbewegung geführt wurden. Du könntest dir keine nettere Gruppe an Frauen wünschen: Vornehm, höflich, schlau, liebenswürdig, und gottesfürchtig. Und sie waren genau so vornehm und höflich als sie über die "Farbigen" sprachen, und wie sie waren was sie waren, kein Grund sie auf weiße Schulen gehen zu lassen denn verdammt nochmal letztendlich wäre es einfach nicht gut für sie oder sonst jemanden, und so ist es nun mal. Ich erinnere mich daran, das gesehen zu haben und mir zu denken, dass es das laute Böse und das stille Böse gibt. Das erstere ist üblicherweise leicht zu entdecken… es ist das letztere gegenüber dem du wirklich wachsam sein musst. Als ich Lyndisty schrieb hatte ich daher, gerade auch zum Ende der Geschichte hin, genau diese Gruppe von Frauen im Kopf.
Quelle: "Babylon 5: The Scripts of J. Michael Straczynski - Volume 6"
Dachten Sheridan und Ivanova wirklich, Vir würde Tausende von Narn töten, während er auf Minbar war? He, Mann, wir sprechen von Vir, nicht von Josef Mengele. Dachten sie wirklich, es wäre nötig, das alles in Gegenwart von Londo aus Vir herauszuholen, anstatt mit ihm allein darüber zu reden?
Nein, sie dachten nicht, dass er dies persönlich täte, nur dass er den Transfer der Narn von ihrer Heimatwelt zu diesem Zweck durchführen würde. Du denkst, jemand wie Vir könnte so etwas nicht tun. Aber die meisten Nazis, die Juden in den Tod schickten, waren nicht Josef Mengele und schnitten nicht in Körpern herum… sie bearbeiteten Zahlen hinter mit Draht gerahmten Brillen und waren ruhige, manchmal sogar heitere Individuen mit wunderbaren Ehefrauen und Kindern. Das absolute Böse kann oftmals ein gütiges, lächelndes, freundliches Gesicht haben. Und denke daran, in dieser Serie können sich die Leute verändern. Du schaust dir Londo in der ersten Staffel an, und ist das jemand, dem du zutrauen würdest, er könnte bei der Bombardierung der Narn-Heimatwelt und dem Mord an Millionen von Narn mitmachen? Und doch ist genau das geschehen. Und Sheridans und Ivanovas Überzeugung war, dass vermutlich Londo hinter allem steckte… es ist Londo, dem gegenüber Ivanova ihre Empörung ausdrückte, nicht Vir, der, wie sie sich vorstellte, vermutlich auf Londos Geheiß in diese Sache gedrängt wurde, und so brachte sie dies *logischerweise* gleich Londo vor. Sie glaubte, wie du auch, dass Vir bestimmt nicht aus eigenem Antrieb an so etwas denken würde, aber Londo schon (und sie sagt das auch in der Episode).
Quelle: Der deutsche Lurker’s Guide für Babylon 5
Zusammengestellt von Christian Siegel
(Bilder © Warner Bros.)
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