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Review zum filmhistorischen Meilenstein Kategorie: Filme - Autor: Björn Flügel - Datum: Sonntag, 29 Juli 2012
 
85 Jahre Metropolis - SPECiAL

Metropolis
(Metropolis, D 1927)
 
Metropolis
Bewertung:
Studio/Verleih: Universum Film/Warner Home Video
Regie: Fritz Lang
Produzenten: Erich Pommer
Drehbuch: Thea von Harbou, nach ihrem Roman
Filmmusik: Gottfried Huppertz & Bernd Schultheis
Kamera: Karl Freund, Günther Rittau & Walter Ruttmann
Schnitt: Keine Angabe
Genre: Science Fiction/Drama
Kinostart Deutschland: 10. Januar 1927
Kinostart USA: 13. März 1927
Laufzeit: 153 Minuten (ursprüngliche Fassung)
Altersfreigabe: Ab 6 Jahren
Trailer: YouTube (Trailer zur Wiederaufführung 2011)
Kaufen: Blu Ray, DVD
Mit: Gustav Fröhlich, Brigitte Helm, Alfred Abel, Rudolf Klein-Rogge, Fritz Rasp, Theodor Loos, Erwin Biswanger, Heinrich George u.a.



Kurzinhalt (Quelle: DVD-Klappentext): Der Industriemagnat Fredersen herrscht über die geteilte Stadt Metropolis. In den Hochhäusern residieren die Herren, die Arbeiter leben tief unter der Erde. In den "ewigen" Gärten", in denen sich die Söhne der Reichen vergnügen, taucht Maria auf, die Heldin aus der Unterstadt. Freder, der Sohn des Herrschers, verliebt sich in die Frau. Sein Vater beauftragt den Erfinder Rotwang, dem Roboter, an dem dieser arbeitet, das Aussehen Marias zu geben. Die künstliche Maria soll die Arbeiter aufwiegeln, damit umso rigoroser gegen sie vorgegangen werden kann. Der Plan hat Erfolg, die Arbeiter zerstören die Maschinen, überfluten damit aber ihre unterirische Stadt…

Review: Rotwang bei der Kreation seiner größten Schöpfung"Metropolis" ist ein Film der Superlative. Mit 6 Millionen Reichsmark Herstellungskosten, einer Produktionsdauer von mehr als 2 Jahren, mehr als 36.000 mitwirkenden Statisten, seiner wegweisenden Tricktechnik und seiner für damalige Zeiten geradezu monumentalen Laufzeit von über 2 1/2 Stunden stellte der Film alles in den Schatten, was bis dahin jemals für die Leinwand geschaffen worden war. Und auch filmhistorisch betrachtet ist "Metropolis" eines der der bedeutendsten Werke überhaupt: Er war der letzte Film des deutschen Expressionismus und zugleich der erste Film der neuen Sachlichkeit, er war die größte Produktion des sogenannten "Inflationskinos", er war der erste Film, der von der UNESCO ins Weltdokumentenerbe aufgenommen wurde, und erst 83 Jahre nach seiner Weltpremiere gelang es, ihn auf spektakuläre Weise weitestgehend zu rekonstruieren und restaurieren. Er inspirierte Filmschaffende wie George Lucas ("Star Wars"), Ridley Scott ("Blade Runner"), Luc Besson ("Das fünfte Element") und Tim Burton ("Batman") zu weiteren Meilensteinen der Filmgeschichte und revolutionierte das Kino als solches.

Das Herzstück eines jeden Films ist üblicherweise seine Geschichte. Doch im Fall von "Metropolis" ist es anders. Die Erzählung um die gigantische Stadt, in der die Elite in Saus und Braus dem Wohlstand frönt, während die Arbeiterschaft in unterirdischen Fabriken schuftet, kann zu keinem Zeitpunkt überzeugen und schon gar nicht mitreißen. Zu abstrakt sind die Charaktere gezeichnet, zu bizarr sind die den Figuren auferlegten Schicksale, zu verworren sind die aneinandergereihten Begebenheiten. "Metropolis" nutzt seine Geschichte vielmehr als Mittel zum Zweck. Die Erzählung dient dazu, die dynamischen Bilder miteinander zu verbinden und seinen utopischen Rahmen auszugestalten. Der Film modelliert eine fremdartige Stadt und ein verzerrtes, durchaus kritisch betrachtetes Gesellschaftsbild, das uns als Zuschauer erschreckt und zugleich ermahnt. Sehen wir "Metropolis" also nicht als große Mär oder gar als Charaktererzählung, sondern als vielschichtiges Bild eines alternativen, konträren Utopia, dessen verschiedene Facetten anhand der Handlung und der darin agierenden Figuren beleuchtet werden. Überdenken wir unsere Position als Zuschauer: Hier sind wir kein emotional aufgewühlter Zuschauer, sondern ein distanzierter Beobachter. "Metropolis", der Dokumentarfilm. Unter dieser Voraussetzung erstaunt, begeistert und berührt der Film. Und dieses Gelingen lässt sich ausschließlich auf Fritz Langs Streben nach Perfektion zurückführen. Seine Vision der Superstadt Metropolis ist bildgewaltig, intensiv, detailliert. Gegensätze werden miteinander verbunden, Metaphern, Symbole und Allegorien angebracht, eine eigene Mythologie wird entwickelt. "Metropolis" entwickelt dabei nicht nur ein Bild der Zukunft, sondern auch der Vergangenheit und der Gegenwart. Jeder Bestandteil des Films, gleich ob Ausstattungsmerkmal, Figur oder Zitat erfüllt den Zweck, das Bild der Stadt Metropolis auszumalen und zu vervollständigen. Jedem angehenden Filmemacher, der etwas über plastische Gestaltungsmittel lernen will, gehört "Metropolis" als Lehrfilm vorgeführt!

Die damals revolutionären Effekte sind ein wahrer AugenöffnerGanz greifbar hingegen ist die imposante Architektur. Die kolossalen Wolkenkratzer, die gewaltigen Häuserschluchten, die ausgefeilten Details - Man kommt aus dem Staunen nicht heraus, insbesondere angesichts der Entstehungszeit dieser Bilder. Sie sind von einer unbeschreiblichen visionären und suggestiven Kraft. Und auch hier kombiniert Lang verschiedene Stilelemente miteinander, so dass die Stadt Metropolis sowohl vertraut, als auch fremd erscheint. Ausgefeilt (und wegweisend) sind die tricktechnischen Methoden, mit deren Hilfe Lang seine Vision wahrwerden lässt. Seien es nun die Mal- und Modelltechniken, Spiegelverfahren, Mehrfachbelichtungen oder Kamerafahrten - "Metropolis" zeigt (erstmals) alles, was sich erst später im Filmhandwerk etablierte und deren Inspirationsquelle und Referenz "Metropolis" eben war. Und bemerkenswerterweise wirken die Aufnahmen auch nach 85 Jahren vielleicht nicht mehr taufrisch, aber doch immer noch raffiniert.

Die vorgeführten Charaktere sind zwar nicht der Hauptangelpunkt des Films, dennoch sei - der Ordnung halber - erwähnt, dass die Protagonisten durchaus ansehnlich ihre Rollen verkörpern. Insbesondere Rudolf Klein-Rogge (Rotwang) besticht durch sein intensives Spiel, während Brigitte Helm (Maria) durch ihre Disziplin und ihre anmutige Erotik beeindruckt. Alfred Abel präsentiert eine routinierte, prägnante Performance als Fredersen, die seinem Ruf als psychologisierender Charakterdarsteller gerecht wird. Generell wird ein grandioses Schauspiel geboten, gerade in Anbetracht des eigenen Stummfilmtypus, weshalb die Mimik und Gestik der Akteure die einzige Möglichkeit sind, mit dem Publikum zu kommunizieren. Insbesondere die Restaurierungen von 2001 und - erst recht - von 2010 seien jedem Filmfreund, Hobbyhistoriker oder in sonstiger Weise geneigtem Zuschauer ans Herz gelegt. Die orchestral eingespielte Originalmusik von Gottfried Huppertz unterstreicht den monumentalen Charakter des Films, vermittelt eindrucksvoll die Dynamik der Bilder und reproduziert in gewisser Weise auf akustische Weise das Geschehen. Huppertz' Komposition ist eine packende Sinfonie, die auch losgelöst vom Film uneingeschränkt überzeugt. Vor allem das musikalische Leitmotiv der Stadt Metropolis hat es zumindest mir angetan und verfügt über echte Ohrwurmqualitäten.

Fazit: Eines der bekanntesten Bilder der Filmgeschichte"Metropolis" ist einer der bedeutendsten Filme der Geschichte, aber sicher nicht einer der besten. Das Drehbuch, die gesamte Story ist schwach, das gesamte Geschehen ist geradezu haarsträubend. Doch darum geht es nicht. "Metropolis" ist kein Drama, das auf seine Charaktererzählung angewiesen wäre. "Metropolis" ist eine cineastische Erfahrung, eine grandiose optische (und akustische) Komposition voller spektakulärer Bilder, stilistischer Ästhetik und ein Zeugnis filmhandwerklicher Perfektion. Hier wird der Science-Fiction-Film neu definiert, hier wird das Kino an sich revolutioniert, hier wird eine Popkultur erschaffen. "Metropolis" schöpft die Möglichkeiten des Films vollends aus, denn er setzt Maßstäbe, er inspiriert, er ist der Inbegriff seines Genres.

Wertung:10 von 10 Punkten
Björn Flügel
(Bilder © Universum Film/Warner Home Video)


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Weiterführende Links:
Review zu "Batman"
Review zu "Blade Runner"
Review zu "Star Wars: Episode IV - Eine neue Hoffnung"






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