Originaltitel: The City on the Edge of Forever Produktionsnummer: 1x28 Bewertung: Erstausstrahlung USA: 06.04.1967 Erstausstrahlung D: 18.01.1988 Drehbuch: Harlan Ellison Regie: Joseph Pevney Hauptdarsteller: William Shatner als Captain James T. Kirk, Leonard Nimoy als Mr. Spock, DeForest Kelley als Dr. Leonard McCoy, James Doohan als Scotty, George Takei als Hikaru Sulu, Nichelle Nichols als Lt. Uhura Gastdarsteller: Joan Collins als Edith Keeler, John Harmon als Obdachloser, Hal Baylor als Polizist, David L. Ross als Galloway, Bartell La Rue als Wächter der Ewigkeit (Stimme) u.a.
Kurzinhalt:
Die Enterprise befindet sich im Orbit eines bisher unbekannten und scheinbar unbelebten Planeten, von dem seltsame chronometrische Interferenzen ausgehen. Es kommt dadurch immer wieder zu Erschütterungen und technischen Störungen auf dem Schiff – bei einer davon wird Sulu verletzt. Dr. McCoy impft ihm eine kleine Dosis des gefährlichen Mittels Cordrazin. Als die Enterprise von einer weiteren Erschütterungswelle erfasst wird, injiziert er sich unabsichtlich die restliche Dosis – und leidet daraufhin unter der Wahnvorstellung, jemand würde versuchen ihn zu töten. Er flüchtet sich auf den Planeten, und Captain Kirk bricht mit einem Landeteam auf, um ihn wieder zurückzuholen. Zu ihrer Überraschung finden sie auf dem Planeten eine atembare Atmosphäre vor. Zudem findet man die Ruinen einer alten Stadt – sowie ein mysteriöses Gebilde in deren Mitte. Dieses erweist sich als aktiv/lebendig, und stellt sich als Wächter der Ewigkeit vor. Es handelt sich um ein Portal durch die Zeit. Der Wächter zeigt Kirk und Spock die Vergangenheit der Erde. In einem unaufmerksamen Augenblick gelingt es McCoy, das Portal zu durchschreiten – und auf einmal ist die Enterprise im Orbit nicht mehr zu erreichen. Der Wächter der Ewigkeit informiert sie darüber, dass die Vergangenheit – und damit auch die Gegenwart – verändert wurde. Irgendetwas, das McCoy getan hat, führte dazu, dass sich die Geschichte der Menschheit ab diesem Zeitpunkt gänzlich anders entwickelt hat. Die Erde, so wie Kirk & Co. sie kennen, gibt es nicht mehr: "Ihr Schiff, ihre Heimat, ihre ganze Vergangenheit, ist in unerreichbare Zeiten gerückt." Kirk und Spock beschließen, ebenfalls in die Zeit zurückzureisen, und die Veränderungen wieder rückgängig zu machen.
Im New York der 1930er Jahre angekommen, stoßen sie schon bald auf eine junge Frau namens Edith Keeler, die in diesen Zeiten der wirtschaftlichen Depression eine Mission für Obdachlose und Bedürftige betreibt. Nach einigen Nachforschungen mit Hilfe des Trikorders sowie eines mühselig zusammengebastelten rudimentären Computers ist Spock davon überzeugt, dass Miss Keeler der Schlüssel dazu ist, die alte Zeitlinie wieder herzustellen. Er findet Aufzeichnungen über zwei unterschiedliche Entwicklungen: In einer stirbt Edith in wenigen Tagen bei einem Autounfall. In der anderen wird sie gerettet. Nur… welche ist die Richtige? Während Spock verzweifelt versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden, verlieben sich Edith Keeler und James Kirk zunehmend ineinander. Kurz nach der Ankunft von McCoy in der Vergangenheit gelingt es Spock dann schließlich doch noch, den richtigen Zeitverlauf zu isolieren. In der veränderten Geschichte der Erde führte Edith Keeler eine Friedensbewegung an, die dazu führte, dass die USA erst später in den zweiten Weltkrieg eintraten – und Nazi-Deutschland diesen gewann. Damit die Geschichte ihren bekannten Lauf nimmt, muss Edith Keeler sterben…
Denkwürdige Zitate:"Since before your sun burned hot in space and before your race was born, I have awaited a question."
(Der Wächter der Ewigkeit stellt sich vor.)
"I see no reason for answers to be couched in riddles." "I answer as simply as your level of understanding makes possible."
(Spock zeigt sich vom Wächter ein wenig irritiert.)
"A lie is a very poor way to say hello."
(Edith Keeler zu Kirk und Spock, nachdem sie diese in ihrem Keller vorgefunden hat.)
"Let me help. A hundred years or so from now, I believe, a famous novelist will write a classic using that theme. He'll recommend those three words even over I love you."
(Kirk zu Edith Keeler während ihres abendlichen Spaziergangs.)
"Spock, I believe… I'm in love with Edith Keeler." "Jim, Edith Keeler must die."
(Das Dilemma der Episode, in zwei Sätze zusammengefasst.)
"I have a friend that talks about Earth the same way that you do. Would you like to meet him?" "I'm a surgeon, not a psychiatrist."
(Der langsam wieder zur Vernunft kommende McCoy zu Edith.)
"Save her, do as your heart tells you to do… and millions will die who did not die before."
(Spock macht Kirk den Ernst ihrer Situation deutlich.)
"Do you know what you just did?" "He knows, Doctor. He knows…"
(Spock zu McCoy, nachdem Ediths Schicksal besiegelt wurde.)
"Let's get the hell out of here."
(Die letzten Worte der Episode machen deutlich, wie schwer Kirk von den Ereignissen erschüttert wurde.)
Review:
Auch wenn es immer wieder mal vorkommt, dass ich gegen den Strom schwimme… in diesem Fall stimme ich mit der Allgemeinheit überein: "Griff in die Geschichte" ist – mit Abstand – die beste Episode der klassischen "Star Trek"-Serie. Die Gründe dafür sind vielfältig, und sollen im Weiteren ausführlich behandelt werden, aber hauptverantwortlich dafür ist wohl zweifellos das tragische Ende. "Griff in die Geschichte" mag nicht die einzige Episode sein, in der nicht alles ungetrübt gut ausgeht – man denke nur an "Die Spitze des Eisberges", in der Captain Kirk seinen alten Freund töten musste. Auch die nächste Episode, "Spock außer Kontrolle", hält einige düstere Entwicklungen parat, von denen zwar einige, aber eben nicht alle, zum Ende hin wieder bereinigt werden können. Trotzdem… in keiner anderen Episode war der Preis, der für den Erfolg der Mission gezahlt werden musste, so hoch wie in "Griff in die Geschichte", wo James Kirk die große Liebe seines Lebens opfern muss, um die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Menschheit zu retten.
Zugleich wäre es aber auch falsch, das Gelingen der Episode nur auf diese eine Szene, so grandios sie auch sein mag, zu reduzieren – denn "Griff in die Geschichte" ist voller großartiger und gelungener Momente. Zugegeben, der Anfang, mit McCoys irrtümlicher Cordrazin-Verabreichung, mag noch kein Highlight sein, und etwas erzwungen wirken (ein marginaler Kritikpunkt, der im Vergleich zu dem, was an der Episode gelungen ist, völlig verblasst). Doch nachdem sich Kirk, Spock & Co. auf die Oberfläche des Planeten gebeamt haben und den Wächter der Ewigkeit erblicken, vermag es "Griff in die Geschichte" zu faszinieren, zu begeistern, zu packen, zu berühren… und insgesamt gesehen phänomenal zu unterhalten. Schon allein das Konzept einer solchen Entität, die es erlaubt, durch die Zeit zu reisen und/oder lang vergangene Ereignisse zu beobachten – ein Tor durch die Zeit – zählt wohl zu den faszinierendsten Ideen, die uns "Star Trek" je beschert hat. Das Design des Wächters mag zwar innerhalb des Produktionsteams scherzhaft als Donut bezeichnet worden sein, ist aber dennoch sehr gelungen, mysteriös, überzeugend, und bleibt in Erinnerung. Als McCoy schließlich das Portal durchschreitet, präsentiert man uns die Crew in scheinbar aussichtsloser Lage. Die Vergangenheit, und damit auch die Gegenwart, scheinen unwiederbringlich verloren. Die Enterprise wurde nie gebaut, und kann sich daher auch nicht im Orbit des Planeten befinden. Kirk, Spock, Scotty, Uhura und die anderen Besatzungsmitglieder sind gestrandet – nicht einfach nur auf dem Planeten, sondern in einer für sie fremden Welt, einer gänzlich anderen Realität. Wie drückt es der Wächter so schön und passend aus: "All that you knew is gone."
Doch es sind nicht nur die großen Ideen und Momente, sondern oftmals auch Kleinigkeiten, die enorm viel zum Gelingen der Episode beitragen. Beispielhaft sei Kirks Befehl an den Rest seiner Crew genannt, irgendwo in der Vergangenheit unterzutauchen, falls es ihm und Spock nicht gelingen sollte, die alte Zeitlinie wieder herzustellen. Dann wären sie zwar Gestrandete der Zeit und alles was sie kannten, immer noch verloren, aber wenigstens wären sie am Leben. Es ist nur ein kurzer Moment, doch für mich trug er ungemein viel dazu bei, die Aussichtslosigkeit ihrer Situation, und die damit einhergehende Verzweiflung, zu verdeutlichen. Sein entsprechender Befehl machte die Situation für mich auch irgendwie glaubwürdiger, so seltsam das auch klingen mag. Außerdem pflanzt man dadurch, dass Kirk die Möglichkeit anspricht, dass Spock und er Scheitern könnten, diesen Gedanken auch in die Köpfe der Zuschauer ein – und macht uns zudem noch einmal deutlich, was auf dem Spiel steht, und dass McCoy unbedingt und mit allen Mitteln aufgehalten werden muss.
Nachdem Kirk und Spock in die Vergangenheit – genauer gesagt ins New York des Jahres 1930 – gereist sind, schlägt "Griff in die Geschichte" mit dem Diebstahl der Kleidung, der Konfrontation mit dem Polizisten sowie Kirks verzweifeltem Versuch, Spocks lange Ohren zu erklären, kurzfristig leichtere Töne an. Derartige kurze humoristische Auflockerungen wird es zwischendurch immer wieder geben, und sie tragen viel zum Unterhaltungswert der Episode bei – jedoch ohne dabei an Spannung und/oder Dramatik einzubüßen. Kurz darauf lernen wir dann auch schon Edith Keeler kennen, dargestellt von der wunderschönen, bezaubernden Joan Collins, deren Charme und Ausstrahlung es uns leicht machen, Kirks Gefühle für sie nachzuvollziehen. Wie könnte man sich denn auch nicht in so eine hübsche und zugleich gütige, freundliche aber auch scharfsinnige junge Frau verlieben?! Bereits die erste Begegnung zwischen ihr und Kirk bzw. Spock ist einfach nur wundervoll, und vor allem auch grandios geschrieben. Besonders ihr Satz "A lie is a very poor way to say hello" hat es mir angetan – eine geniale Dialogzeile, die aus den zahlreichen denkwürdigen Zitaten der Episode hervorsticht. Generell nimmt man sich bei "Griff in die Geschichte" ausreichend Zeit, um die Liebesgeschichte zwischen Kirk und Edith zu erzählen – was wichtig ist, damit das Ende die gewünschte emotionale Wirkung entfalten kann. Neben dem Drehbuch müssen hier auch die schauspielerischen Leistungen von Joan Collins und William Shatner hervorgehoben werden, die es schaffen, die gegenseitige Anziehung in vergleichsweise wenigen Szenen glaubhaft zu vermitteln. Vor allem Shatner ist wieder einmal absolut großartig; man nimmt ihm bzw. Kirk die Liebe, die er für Edith befindet, zu jedem Zeitpunkt ab. Umso härter trifft einen dann auch das Ende.
Währenddessen tut Spock sein Möglichstes, um in Erfahrung zu bringen, durch welches Ereignis die Geschichte der Erde verändert wurde. In der Antwort auf diese Frage steckt nicht nur eine herrliche Ironie – sind es doch im Endeffekt nur die guten Absichten von McCoy (als er Edith rettet) und Edith (mit ihrer Friedensbewegung), die zu dieser tragischen Entwicklungen führten – sondern auch das zentrale Dilemma der Episode: Um Millionen von Menschenleben zu retten, die in der ursprünglichen Zeitlinie überlebt haben, muss Edith Keeler – eine freundliche, friedliche, bezaubernde, hilfsbereite, zuvorkommende und durch und durch gute junge Frau, und noch dazu Kirks große Liebe – sterben. Es ist eine No-Win-Situation, die sich hier auch einmal nicht durch eine Deus Ex Machina-Lösung in letzter Sekunde doch noch in Wohlgefallen auflöst, wie es im Verlauf der Serie unzählige Male passiert ist, und unter anderem auch gleich in der darauffolgenden Episode "Spock außer Kontrolle" vorkommt. Bei "Griff in die Geschichte" hingegen ist die tragische Wendung am Ende unausweichlich.
Eingeleitet wird das Finale schließlich durch McCoys Ankunft. Wie schon bei seiner versehentlichen Cordrazin-Verabreichung muss hier festgehalten werden, dass es sich hierbei nicht um den besten Teil der Episode handelt. Weder sein verwirrter Geisteszustand noch sein Gespräch mit dem Obdachlosen – inklusive dessen unabsichtlicher Selbstmord mit dem überladenen Phaser – würden "Griff in die Geschichte" auf irgendeine Art und Weise bereichern, tun jedoch auch nichts, um den Gesamteindruck zu trüben. Besser wird es dann wieder, sobald McCoy den Weg in die Mission gefunden hat, und dort von Edith gepflegt wird. Das Gespräch zwischen Pille und ihr weiß durchaus zu gefallen, und hat auch wieder ein gutes "Ich bin Arzt, kein…"-Zitat zu bieten (ok ok, genau genommen sagt er diesmal "Ich bin Chirurg, kein…", aber ihr wisst, was ich meine). Nun ist es soweit: Der Schlüsselmoment, auf den die gesamte Episode hingearbeitet hat, ist gekommen. Kirk ist schockiert, als er von Edith erfährt, dass McCoy bereits in dieser Zeit angekommen ist. Für einen kurzen Augenblick feiern die drei Freunde und Kollegen ihr Wiedersehen – ehe Edith über die Straße läuft und Kirk bewusst wird, was nun gleich passieren wird. Auch McCoy sieht den ankommenden Lastwagen, und versucht, Edith zu retten – wird jedoch von Kirk zurückgehalten. McCoy versteht die Welt nicht mehr – und Jims Welt zerbricht. "Do you know what you just did?", fragt McCoy seinen Freund und Captain. "He knows, Doctor. He knows…" lautet die lapidare Antwort von Spock. Ein grandios inszenierter Moment, der von allen Beteiligten auch herausragend dargestellt wird. Allen voran Kirks Erschütterung und Trauer vermag zu berühren.
Nach Edith Keelers tragischem Tod ist der bekannte Lauf der Geschichte wieder hergestellt, und Kirk, Spock und McCoy kehren in ihre Zeit zurück. Dennoch spiegelt sich in Kirks Gesicht keine Zufriedenheit über die erfolgreich beendete Mission wieder, oder gar Freude. Man merkt, wie ihn die Ereignisse die zur Rettung seiner eigenen Welt erforderlich waren, mitgenommen haben. Der Wächter lädt sie zu weiteren Reisen ein, doch für Kirk könnte der Gedanke von weiteren solchen Abenteuern nicht unwillkommener sein. Mit einem genervten "Let's get the hell out of here" – das einzige Mal, dass in der Serie ansatzweise geflucht wird – beamt man auf die Enterprise zurück. Auf einen abschließenden Dialog an Bord der Enterprise, der die Ereignisse der Episode noch einmal kapituliert, wird hier verzichtet. Einer der üblichen Scherzchen wäre hier aber ohnehin höchst unpassend gewesen. Vielmehr entlässt man den Zuschauer, so lange die Erinnerungen an die Episode noch frisch sind, wieder in die Realität zurück – wo ihn "Griff in die Geschichte" trotzdem hoffentlich noch lange nicht loslassen, sondern noch eine Weile beschäftigen wird.
Wie bereits erwähnt sind alle Aspekte der Episode großartig. Schauspielerische Leistungen, Inszenierung, Musik. Bei letzterem greift man zwar wieder überwiegend auf Archivmaterial zurück, dennoch fällt es hier zu keinem Zeitpunkt negativ auf. Zudem gibt es durchaus auch ein paar kurze neue Passagen, wie das Liebesthema für Edith Keeler und Jim Kirk, sowie eine lustig-flotte Version des "Star Trek"-Themas, während man vor dem Polizisten flüchtet. Und dennoch… der Erfolg von "Griff in die Geschichte" ist in erster Linie zwei Personen zu verdanken: Harlan Ellison und D.C. Fontana. Ersterer war über die Änderungen, die an seinem ursprünglichen Drehbuch vorgenommen wurden (das den Preis der Drehbuchautoren-Gilde gewinnen konnte; wobei auch die fertige Episode mit dem prestigeträchtigen "Hugo"-Award eine wichtige Auszeichnung für sich verbuchen kann), nie glücklich – ich muss jedoch gestehen, die Folge so wie sie gedreht wurde seinem Erstentwurf vorzuziehen. So stimme ich mit Gene Roddenberry überein, dass ein mit Drogen dealender Offizier der Enterprise nicht zu jener erstrebenswerten, optimistischen Zukunftsvision gepasst hätte, die dieser mit "Star Trek" vermitteln wollte. Auch dauert es in seinem Drehbuch deutlich länger, bis Kirk und Spock in der Vergangenheit ankommen – was auch der Romanze zwischen Kirk und Edith deutlich weniger Zeit einräumt, um zu gedeihen. Am schwersten wiegt für mich aber das Ende: Denn dort ist es nicht Kirk, der die Rettung Ediths verhindert, sondern Spock. Kirk kann sich im entscheidenden Moment nicht dazu durchringen, und erstarrt. Ein Ende, das von manchen – u.a. auch dem "Star Trek"-Romanautor Peter David – vorgezogen wird, da es den Captain vermenschlicht. Er darf Schwäche zeigen und einmal nicht der heroische Held sein, der alles gerade rückt.
Trotzdem halte ich das Ende, welches schließlich für die Episode gewählt wurde, für das bessere – unabhängig davon, ob ich mit den Gründen, aus denen man sich damals dafür entschieden hat, übereinstimme oder nicht. So hielt man die Figur für zu schwach, meinte, so würde ein "Star Trek"-Held nicht agieren, und hielt es für ausgeschlossen, dass die Zuschauer in weiterer Folge Kirk als Helden der Serie noch akzeptieren könnten. Blödsinn – natürlich könnten wir das. Nein, ich ziehe das Ende aus der Episode deshalb vor, weil ich es für den tragischeren Ausgang der Ereignisse halte. Wenn Spock eingreift, hat das erst recht wieder etwas von einer Deus Ex Machina – wenn auch keiner ungetrübten, da Kirks Liebe natürlich trotzdem stirbt. Aber Spock nimmt ihm damit die schwerste Entscheidung seines Lebens ab. Es entsteht kein innerer Konflikt, und Kirk hat auch keinen Grund, Schuldgefühle zu empfinden – immerhin war es nicht er, der Ediths Rettung verhindert hat.
Zugleich wurde aber auch die ursprüngliche Zeitlinie statt des heldenhaft heraneilenden Spock – dem es als Vulkanier natürlich ungleich besser gelingt, die Logik der Situation voranzustellen – wieder hergestellt; und das, ohne dass Kirk dafür einen Finger rühren musste. Somit entstehen auch keine unangenehme Folgen durch Kirks unterlassene Handlung. Es ist ein Ende ohne Auswirkungen, und somit in meiner Sicht die einfache(re) Lösung des Problems. Natürlich trauert Kirk auch in diesem Fall um Edith – doch was fehlt, ist sein innerer Konflikt, sind seine Schuldgefühle, da es eben er war, der sie sterben ließ. Für mich ist genau dieser Aspekt wesentlich zum Gelingen der Folge – und dem nachhaltigen Eindruck, dass sie bei mir hinterlassen hat. Natürlich wäre es noch besser, aussagekräftiger und wirkungsvoller, wenn in der klassischen "Star Trek"-Serie nicht ohnehin nach jeder Episode auf den Reset-Knopf gedrückt und alles, was zuvor geschehen ist, wieder in Vergessenheit geraten wäre. Eine Serie mit fortlaufender Geschichte, wo die Handlungen der Protagonisten auch über einen längeren Zeitraum hinweg nachhallen und Auswirkungen haben, hätte von dieser Wendung noch ungleich mehr profitiert. Trotzdem glaube ich, dass "Griff in die Geschichte" auch als die eigenständige Episode und Erzählung, die sie nun mal ist, dadurch dass es Kirk ist, der McCoy zurückhält, an Wirkung, Emotionalität und Nachhaltigkeit gewinnt. Dennoch will ich Harlan Ellisons Leistung nicht schmälern. Die Grundidee des Wächters der Ewigkeit, das Setting in der Depression, vor allem aber das im Zentrum stehende Dilemma rund um Edith Keelers notwendigen Tod – sowie den Auswirkungen, wenn sie überlebt – gehen auf seine ursprüngliche Prämisse zurück. Ohne ihn hätte es "Griff in die Geschichte" nie gegeben.
Nichtsdestotrotz möchte ich eben auch jene Person huldigen, die schließlich nach langem hin und her für die Letztfassung des Drehbuchs verantwortlich war: D.C. Fontana. Denn während das neue Ende Roddenberry zu verdanken sein mag, gehen die unzähligen grandiosen Dialoge überwiegend auf ihr Konto (lediglich zwei Sätze aus Harlan Ellisons Drehbuch haben bis in die fertige Episode überlebt). Und obwohl ich eh schon ungewöhnlich viele denkwürdige Zitate genannt habe, fehlen nichtsdestotrotz noch zahlreiche tolle Dialoge, wie z.B. das Gespräch mit dem Polizisten (inklusive Kirks Erklärungsversuch für Spocks Ohren). Im Gegensatz zu Harlan Ellison, der für seine Leistung die ihm zustehende Anerkennung erhielt, ist D.C. Fontana die unbesungene Heldin von "Griff in die Geschichte" (wurde sie doch nicht im Abspann genannt; und bis zu Gene Roddenberrys Tod, der sich gerne die "Rettung" des "unbrauchbaren" Drehbuchs auf die eigenen Fahnen geheftet hat, bliebt ihr Beitrag ein wohlgehütetes Geheimnis), der ich hiermit ein riesiges, demütiges "Dankeschön!" zurufen will.
Fazit:
"Griff in die Geschichte" wird von nicht wenigen "Star Trek"-Fans als die mit Abstand beste Episode der klassischen Serie angesehen. Eine Einschätzung, der ich mich nur vorbehaltlos anschließen kann. Wie so oft, hat auch in diesem Fall der Erfolg viele Mütter und Väter. Der Drehbuch-Entwurf von Harlan Ellison, mit dem Konzept des Wächters der Ewigkeit sowie dem grundlegenden Verlauf der Handlung – inklusive tragischem Ausgang und mit bewusstem Verzicht auf eine bequeme Deus Ex Machina-Auflösung in letzter Sekunde – ist sicherlich eine ganz essentielle Stärke, doch auch D.C. Fontana hat mit der Letztfassung des Drehbuchs, inklusive unzähliger grandioser, denkwürdiger Dialoge, enorm viel zum Gelingen der Episode beigetragen. Gleiches gilt für die SchauspielerInnen – wobei vor allem die bezaubernde Joan Collins sowie ein wieder einmal phantastischer William Shatner hervorstechen –, die Inszenierung sowie den Soundtrack. Großartig auch, wie viel Tiefgang sich in der Geschichte befindet, die definitiv dazu einlädt, sich auch noch lange nachdem Kirk & Co. wieder auf die Enterprise zurückgebeamt sind darüber Gedanken zu machen. Beispielhaft seien der höchst interessante Aspekt, dass die weiteren schrecklichen Ereignisse aus der alternativen Zeitlinie allesamt auf die guten Absichten von McCoy und Edith Keeler zurückzuführen sind, sowie die mitschwingende Aussage (und auch Warnung), dass jeder von uns wichtig ist und den Lauf der Geschichte verändern kann – zum Guten, aber eben auch zum Schlechten –, erwähnt. Das im Zentrum stehende Dilemma sowie dessen tragisch-bewegender Ausgang, bei dem nur vulkanische Augen trocken bleiben, machen dieses kleine Wunder der TV-Unterhaltung dann schließlich perfekt. "Griff in die Geschichte" ist die Sternstunde der klassischen Serie, und eines der besten "Star Trek"-Abenteuer überhaupt.