Originaltitel: Space Seed Produktionsnummer: 1x24 Bewertung: Erstausstrahlung USA: 16.02.1967 Erstausstrahlung D: 21.10.1972 Drehbuch: Carey Wilber & Gene L. Coon Regie: Marc Daniels Hauptdarsteller: William Shatner als Captain James T. Kirk, Leonard Nimoy als Mr. Spock, DeForest Kelley als Dr. Leonard McCoy, James Doohan als Scotty, George Takei als Hikaru Sulu, Nichelle Nichols als Lt. Uhura Gastdarsteller: Ricardo Montalban als Khan Noonien Singh, Madlyn Rhue als Marla McGivers, Mark Tobin als Joaquin, Blaisdell Makee als Spinelli
Kurzinhalt:
Auf ihrem Flug durchs All stößt die U.S.S. Enterprise auf einen alten, im All treibenden Raumfrachter. Dieser stammt scheinbar von der Erde, ist jedoch mehr als 200 Jahre alt. Anfangs glaubt man, ein außerirdisches Volk könnte das Wrack übernommen haben, nachdem man auf das alte Schiff beamt, entdeckt man dort jedoch Kälteschlafkammern. Die meisten davon sind noch in Betrieb, und in ihnen befinden sich ausschließlich durchtrainierte Männer und Frauen. Doch die Ankunft des Außenteams reaktiviert sich die Kälteschlafkammer des Anführers, der daraufhin aus seinem langen Schlaf erwacht. Auf der Krankenstation der Enterprise gelingt es McCoy schließlich, ihn zu stabilisieren. Pille zeigt sich erstaunt von dessen schneller Heilkraft und seinem physischen Zustand. Spock bietet dafür schon bald eine beunruhigende Erklärung an: Könnte es sich bei den Passagieren des Schiffes um die letzten Überbleibsel der eugenischen Kriege handeln, für die Übermenschen genetisch gezüchtet wurden? Kurz darauf stellt sich ihr mysteriöser Besucher tatsächlich als Khan Noonien Singh heraus, der einst als Tyrann die halbe Welt beherrscht hat. Und auch die Zukunft scheint nicht vor ihm sicher zu sein: Mit Hilfe einer Historikerin, die seinem Charme mit Haut und Haaren erliegt, gelingt es ihm, die Anhänger auf seinem Schiff aufzuwecken und die Kontrolle über die Enterprise zu übernehmen…
Denkwürdige Zitate:"I fail to understand why it always gives you pleasure to see me proven wrong." "An emotional Earth weakness of mine."
(Kirk zu Spock in einem der unzähligen grandiosen Dialoge der Episode.)
"Well, either choke me or cut my throat. Make up your mind." "English. I thought I dreamed hearing it. Where am I?" "You're in bed, holding a knife at your doctor's throat." "Answer my question." "It would be most effective if you would cut the carotid artery, just under the left ear."
(Köstlicher Dialog zwischen McCoy und Khan, als dieser ihn auf der Krankenstation bedroht.)
"It has been said that social occasions are only warfare concealed."
(Khan während des Banketts.)
"Mister Spock, you misunderstand us. We can be against him and admire him all at the same time." "Illogical." "Totally."
(Kirk und Spock über die Faszination der Brückencrew mit Khan.)
"Surprised to see you, Captain, though pleased." "I'm a little pleased myself."
(Ein weiterer kurzer, köstlicher Dialog zwischen Kirk und Spock.)
"And I've gotten something else I wanted: A world to win, an empire to build."
(Khan über seine Verbannung nach Ceti Alpha V.)
"It is better to rule in hell than serve in heaven."
(Kirk zitiert Milton; eigentlich heißt es ja "to reign in hell", aber diesen Lapsus wollen wir Kirk nach den Strapazen zuvor mal durchgehen lassen.)
Review:
"Der schlafende Tiger" zählt zu den bekanntesten und beliebtesten Episoden der klassischen "Star Trek"-Serie. Hauptverantwortlich sind dafür wohl Khan Noonien Singh, der sich als würdiger Gegenspieler für Kirk und seine Crew erweist, sowie natürlich dessen charismatischer Darsteller Ricardo Montalban, der hier die wohl beste Leistung eines Gastdarstellers innerhalb der gesamten Serie zeigt. Er verströmt ein derartiges Charisma, dass er den TV-Schirm in allen Szenen, in denen er zu sehen ist, dominiert. Zudem verleiht er seinem Khan neben diesem unvergleichlichen Charme und der Ausstrahlung eines Anführers jedoch auch eine Intelligenz und Bedrohlichkeit, und wirkt damit praktisch von Beginn an gefährlich. Ein Eindruck, dem er im weiteren Verlauf der Handlung auch durchaus gerecht wird. Doch noch lange, bevor er mit seinen Supermenschen die Enterprise übernimmt, gibt es zahlreiche grandiose Dialoge und Wortgefechte zwischen ihm und Kirk, als sich die beiden gegenseitig taxieren, und versuchen, den jeweils anderen einschätzen zu lernen. Ihre gemeinsamen Szenen verströmen jedenfalls einen ungeheuren Reiz, und vermögen es von Beginn an, zu begeistern.
Nachdem Khan die Enterprise übernommen hat, erweist er sich als absolut skrupellos, und bringt Captain Kirk in eine scheinbar ausweglose Situation, als er das Lebenserhaltungssystem der Brücke ausschaltet und Kirk dazu erpresst, ihm das Kommando über das Schiff zu überlassen – sonst werden alle auf der Brücke in wenigen Minuten ersticken. Während in vielen anderen Episoden daraufhin eine Deus Ex Machina aus dem Hut gezaubert wird, um der Bedrohung doch noch Herr zu werden, erweist sich die Situation der Brückencrew letztendlich als aussichtslos. Man findet keinen Weg, das Lebenserhaltungssystem wieder einzuschalten; Kirk ist geschlagen. "Der schlafende Tiger" erweist sich somit als eine der wenigen Gelegenheiten innerhalb der Serie, in der ein Widersacher über Kirk triumphieren darf. Trotzdem ist Kirk bis zuletzt nicht bereit, aufzugeben – lieber stirbt er. In einer berührenden Szene, die den sonst so listenreichen Captain geschlagen zeigt, nimmt einen letzten Logbucheintrag vor, in dem er die volle Verantwortung für den Tod der Besatzung übernimmt, und die Brückencrew für posthume Auszeichnungen vorschlägt. Doch Khan hat mit ihm und seiner Crew andere Pläne – denn um das Schiff steuern zu können, ist er auf die Hilfe der Besatzung angewiesen. Er steckt Kirk in eine Druckluftkammer und versucht, die Crew dazu zu erpressen, sich ihm anzuschließen – sonst werden sie einer nach dem anderen sterben, beginnend mit Captain Kirk. Es ist ein diabolischer, skrupelloser Plan, der seinen Schrecken vor allem aus seiner Schlichtheit und der scheinbaren Ausweglosigkeit für die gefangenen Crewmitglieder bezieht. Es muss verlockend sein, nachzugeben und sich Khan anzuschließen – immerhin rettet man damit nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der Freunde und Kollegen. Doch Spock, McCoy, Scotty, Uhura und Co. halten stand und bieten Khan die Stirn – selbst im Angesicht des Todes und auf die Gefahr hin, dass sich ihr Opfer als sinnlos erweisen wird, bleiben sie ihrem Captain und den Prinzipien der Sternenflotte treu. Diese Szenen zählen zweifellos zu den besten der klassischen Serie.
Auch abseits der eigentlichen Handlung erweist sich das Drehbuch, neben den phantastischen schauspielerischen Leistungen, als die größte Stärke der Episode – vor allem die phantastischen Dialoge. "Der schlafende Tiger" ist einfach phänomenal geschrieben, mit unzähligen denkwürdigen Zitaten, angefangen bei den amüsanten Gespräche zwischen Kirk, Spock und McCoy über die Wortgefechte zwischen Kirk und Khan bis hin zum perfekt passenden Milton-Zitat am Ende der Episode. Es fiel mir wirklich schwer, mich bei den denkwürdigen Zitaten der Folge auf ein halbwegs vertretbares Maß zu beschränken – genau genommen hätte ich dort aber das halbe Drehbuch anführen können. Einfach nur fabelhaft. Und auch die faszinierenden Elemente kommen bei "Der schlafende Tiger" nicht zu kurz. Schon allein der Gedanke von genetisch manipulierten Supermenschen ist interessant; dann noch die eugenischen Kriege, die komplette Vorgeschichte von Khan und seinen Anhängern, sowie natürlich die Idee, einen solchen – übermenschlichen – Despoten in die friedliche Zukunft zu bringen. Und auch, dass man sich der Tatsache nicht verschließt, dass solche Anführer, so tyrannisch und brutal sie auch sein mögen, doch auch eine gewisse Faszination auf die Menschheit ausüben, zeichnet die Episode aus.
Im Vergleich zu dem, was an "Der schlafende Tiger" gelungen ist, sind die Kritikpunkte zwar vergleichsweise marginal, zumindest einer davon stößt mir jedoch bei jeder Sichtung der Episode negativ auf, und verhindert dann letztendlich auch die Höchstwertung: Die Portraitierung von Marla McGivers. "Star Trek" hat sich sonst ja eigentlich um eine für damalige TV-Verhältnisse progressive Darstellung des vermeintlich schwachen Geschlechts bemüht; die Historikerin bestätigt jedoch leider so ziemlich alle Vorurteile, welche die damalige Gesellschaft gegenüber Frauen vorgebracht hat. Sie wirkt unheimlich naiv, und verfällt dem charismatischen Tyrannen mit Haut und Haaren, so dass sie sogar dazu bereit ist, ihre Freunde und Kollegen zu verraten. Die Darstellung dieses hilflosen, schwachen, willenlosen Weibchens ist gerade auch angesichts der sonstigen Versuche der Serie, ein etwas differenzierteres Frauenbild zu zeichnen, eine herbe Enttäuschung, und ein Schlag ins (feminine) Gesicht. Am Ende versucht man zwar, durch ihre Rettung von Kirk noch die Kurve zu kriegen, doch wenn sie sich dann erst recht Khan auf seinem Planeten anschließt – trotz seines Bestrebens, ihre Kollegen zu töten – macht man diesen Versuch leider erst recht wieder zunichte. Weitere, vergleichsweise marginale Kritikpunkte sind der beim Endkampf im Falle von William Shatner wieder einmal allzu offensichtliche Einsatz eines Stuntmans, der doch etwas einfallslose Ausgang dieses Kampfes (der zudem Khan nicht gerade im besten Licht erscheinen lässt, so leicht wie Kirk ihn hier überlistet und überwältigt; was nicht wirklich zur vorhergehenden Darstellung eines Supermenschen passt), das völlig deplatziert wirkende Set früherer medizinischer Instrumente in der Krankenstation (das nur dazu da ist, damit Khan dem Doktor ein Skalpell an den Hals setzen kann), und die hier dargebrachten Informationen zum Dritten Weltkrieg, die sich selbst wenn man nur die Kontinuität der klassischen Serie an sich betrachtet (von den Nachfolgeserien und –filmen ganz zu schweigen), schwer mit früher und später vermittelten Informationen in Einklang bringen lassen.
Fazit:
"Der schlafende Tiger" ist eine phantastische, großartige Folge, und zählt zweifellos zu den besten Episoden der klassischen "Star Trek"-Serie. Hauptgrund hierfür ist der famose Bösewicht Khan Noonien Singh, der zudem von Ricardo Montalban kongenial verkörpert wird. Das Drehbuch von Carey Wilber und Gene L. Coon erweist sich – vor allem aufgrund der zahlreichen großartigen, erinnerungswürdigen, hochwertigen und teils auch köstlich-amüsanten Dialoge – als eine weitere wesentliche Stärke. Nach langsamen Beginn wecken das Schläferschiff und die Idee von genetisch manipulierten Supermenschen in erster Linie unser Interesse, während im weiteren Verlauf die Spannung stetig ansteigt – bis zum dramatischen Finale, in dem Kirk ohne die Unterstützung der kurzzeitig geläuterten Lt. McGivers gegenüber Khan unterlegen und hilflos seinem Schicksal in der Unterdruckkammer ausgeliefert gewesen wäre. Der darauffolgende Showdown mag kleinere Schwächen offenbaren, und vor allem die Darstellung der Figur von Marla McGivers ist angesichts ihrer naiv-schwach-schwärmerischen Charakterisierung stellenweiseweise katastrophal und richtiggehend peinlich; davon abgesehen bietet "Der schlafende Tiger" aber phänomenale "Star Trek"-Unterhaltung auf höchstem Niveau.