...und Nathan Fillion mich für Gott hieltKategorie: Kolumnen - Autor: Der Captain - Datum: Donnerstag, 24 Mai 2012
"Wie ich Joss Whedon traf und Nathan Fillion mich für Gott hielt..." - Das ist doch mal ein vielversprechender Titel für eine Kolumne, oder? Nach dem immensen Erfolg von Joss Whedons "The Avengers"-Verfilmung muss ich diese kleine Geschichte unbedingt hier loswerden. Vielleicht
helft ihr mir, alles zu verarbeiten. Ich knabbere immer noch dran... Vor einigen Jahren bekam ich eine ICQ-Nachricht (benutzt das noch
irgendwer?), in der stand, dass ich am 07. Oktober 2005 beim Presse-Event von "Serenity - Flucht in neue Welten" dabei
sein durfte. Ich denke mal, es weiß jeder, dass es sich hierbei um den
Film zur Serie "Firefly" handelt, die heute immer noch mehr Fans hat als
Star Wars, Star Trek und Barbara Salesch zusammen. Und das, obwohl sie
nach der ersten Staffel abgesetzt wurde!
Yay, Kino-Preview!!!
Also ging es auf nach Hamburg mit einem Webseiten-Kollegen, den ich bis
dahin nicht kannte. Ich packte meine semi-semi-professionelle
Foto-Kamera ein (eine Finepix, die eine normale Consumer-Cam ist, aber
durch ihr großes Objektiv ein bisschen so aussieht wie eine
Spiegelreflex), meine Digi-Cam (eine kleine Sony DV) und machte mich auf
den Weg nach Hamburg. Dort traf ich meinen Kollegen, den ich noch nie gesehen habe, und
erfuhr, dass bei diesem Event Nathan Fillion, Summer Glau und - Trommelwirbel -
Joss Whedon dabei sein würden. Das wusste ich natürlich schon vorher. Und das machte mich ganz
hibbelig. Joss Whedon ist der Mann, der mit "Buffy" meine Sicht auf
Geschichten und Filme revolutionierte. In den frühen 2000ern habe ich
mal zwei Urlaubsfilme ins lokale Kino gebracht und zu meinem Erstaunen
war das Publikum restlos begeistert. Es waren totale Billig-Trash-Filme.
Aber es waren Filme, die sich dessen bewusst waren und damit gespielt
haben. Das hat mir Joss beigebracht. *seufz* Und den würde ich sehen????
Also erreichte ich Hamburg nach 4 Stunden Zugfahrt. Aufgeregt fuhr ich
frühmorgens in das Hotel, wo "alles" passieren würde. Wobei ich gar
nicht wusste, was "alles" überhaupt ist.
Ich ging in die Lobby und sah auf die Uhr. Irgendwas mit sieben Uhr.
Außer ein paar vereinzelten Gästen war niemand da. Ich ging zur
Rezeption, setzte mich dort in einen kleinen Sessel vor die Aufzüge und
wartete. Wartete auf neun Uhr, bis mein nie-getroffener Kollege das
Hotel auch erreichte und mir vielleicht sagen konnte, wann denn was hier
endlich losging.
Ich war noch nie auf so einem Presse-Event. Ich war schon auf
Conventions, aber nur als Besucher. Nie als Star. Warum auch. Meine Sci-Fi
Filmography beschränkt sich auf Lichtschwert-Geräusche in der Dusche.
Dafür lädt dich keiner ein. Deshalb war ich auch so gespannt, was
passieren würde und wie das alles vonstatten ging. Damals habe ich ein
paar Dinge gemacht für eine Buffy-zentrierte Webseite und der Webmaster
war so nett, mich hingehen zu lassen, weil er Klausuren für die Uni
erledigen musste. Armer Kerl! Ich dankte allen Göttern und lachte mir
ins Fäustchen.
Kurz danach hatte ich die Idee, mir ein T-Shirt für dieses besondere Event machen zu lassen. Ich ließ folgendes drucken:
[ ] Plant a tree
[ ] Father a son
[x] Meet Joss Whedon
Das fand ich lustig. Lustig fand ich auch, dass die T-Shirt-Druckfrau
zuerst eins erstellte mit "Planet a tree". Mir ist nach Dan Simmons
epischen Space-Fokloren "Hyperion" und "Endymion" bewusst, dass es
riesengroße Bäume im All gibt, die so groß sind wie ein kleiner Planet,
aber das hatte jetzt nichts mit Joss Whedon zu tun (By the way: Die Bücher von Dan Simmons sind klasse. Sie haben zwar so viele Seiten wie
Deanna Troi Gefühlsanfälle, aber gut zu lesen. Bis auf den letzten Teil,
der war gequirrlter Rattenmist!). Also ließ ich es
ändern.
Und immer noch saß ich in der Hotellobby und überlegte mir, wie ich die
Spannung in der Geschichte strecken könnte, die ich später erzählen
würde, wie ich Joss Whedon traf... Plötzlich! Plötzlich sah ich eine Gestalt aus einer Tür ungefähr 10
Meter von mir wanken. Sie hatte einen Schlafanzug an, sah zerknirscht
aus, rubbelte sich mit dem Handtuch den Glühbirnen-förmigen Kopf und
machte sich auf den Weg zum Aufzug.
Joss... Was? Joss Whedon? Joss Whedon!!!!
Ohmeingottohmeingottohmeingottohmeingottohmeingott ohmeingott. Mein
Herz pochte. Er blickte mich an. Ich blickte zurück. In meinen Schock
brachte ich ein "Hi!" raus. Mehr ging nicht. Joss gab ein "Hi" zurück.
Es dauerte ein paar Minuten, bis ich realisierte, was da gerade passiert
war. Joss Whedon lief an mir im Schlafanzug vorbei und grüßte mich.
Waaaaaas? Was geht los darein?
Während meines Zivildienstes (das war 2000) las ich den Wälzer
"Musashi". Dort geht es um das Leben des gleichnamigen Samurais/Ronins,
der später ein ähnliches Buch schrieb wie Sunzis "Die Kunst des
Krieges". Das Buch hieß "Die fünf Ringe" und liegt auch in meinem
Bücherregal. Aber nur, damit ich angeben konnte, dass ich es habe. Ich
hab es ehrlich gesagt so wenig verstanden wie Sunzi. Vielleicht wäre
eine deutsche Übersetzung besser gewesen. Ich kann ja nicht mal
asiatisch kochen.
Jedenfalls fasst der Held Musashi einen für mich wichtigen Entschluss:
Niemals das zu tun, was er später bereuen würde. Das heißt auch, immer
das zu tun, bei dem er später bereuen würde, es nicht getan zu haben.
Denn darum geht es doch im Leben! Auf dem Sterbebett werden wir all den
verpassten Momenten unseres Lebens hinterhertrauern. Und das war das
Problem... Vermutlich würde dieser gerade verpasste Whedon-Moment einer
dieser Fälle sein. Kacke!
Ich ärgerte mich. Es war ja nicht so, als hätte ich noch nie was mit
"Stars" zu tun gehabt. Auf Conventions bekam ich durch Charme
erschlichene kostenlose Fotos, führte ein paar kleine spontane
Interviews auf Messen und hab später sogar einen für einen Film
engagiert (auch kostenlos!). OK, er war nicht wirklich berühmt und der
Film kam niemals raus, aber darum ging es hier nicht. Ich war einfach
nur wie versteinert. Da läuft dein Idol an dir vorbei und da kommt nur
ein "Hi" raus. Nichtmal ein Erinnerungsfoto. Ich begann zu weinen wie
ein kleines Mädchen.
OK, das letzte stimmt nicht. Aber emotional bewegt war ich schon.
Nach einer halben Stunde traf dann der Webseiten-Kollege ein und ich
konnte stolz von meinem bittersüßen Erlebnis berichten. Dann erfuhr ich
weiteres über den Tag: Zuerst sollte es ein Foto-Meeting mit den Stars
geben, dann wurden Interviews geführt und am Abend dann die Premiere des
Films mit einer kleinen Fragerunde an Nathan Fillion, Summer Glau und
Joss Whedon. Ich würde ihn also wenigstens nochmal von Weitem sehen!
Kurz darauf gab es auch schon die Foto-Session. Ich trottete mit
Dutzenden von Fotografen in einen kleinen Konferenzraum. Dort waren so
Kaliber wie ARD, RTL und der Kapitän von Ahoi Brause. Da holten auch
alle ihre Fotokameras hervor: Professionelle Geräte mit Objektiven so
groß wie der Eiffelturm. Meine Kamera hang um meinen Hals. Deren
Objektiv war ungefähr so groß wie ein kleines Möhrchen. Ich kam mir
komisch vor. Also stand ich verschämt in der Ecke und wartete, bis sich
was tat.
Dann öffneten sich die Türen! Herein kamen die drei Stars und schon
blitzte es auf wie bei einem Feuerwerk. Nathan und Joss nahmen die
sichtlich eingeschüchterte Summer in die Mitte und bekamen vermutlich
Augenkrebs von der Helligkeit. Nicht von meiner Kamera. Deren
Kuschel-Blitz hat nur kleine romantische Fünkchen verursacht; höchstens
die Lichtspitzen ein bisschen betont.
Das Problem bei solchen Foto-Sessions ist, dass jeder Fotograf ein Bild
möchte, bei der ALLE Personen in die Kamera gucken. Das ist gar nicht so
einfach. Also übernahm Nathan die Führung und gab den anderen beiden
an, in welche Kamera sie schauen sollten. Und dabei zeigte er auch auf
mich! Juhu! Nathan Fillion hat auf meine Minikamera gezeigt! Damals
kannte man Nathan noch gar nicht so gut. Er war ein grandioser Captain,
aber dass er später zu solch einer fanreflektierenden Kultfigur werden
würde, konnte keiner ahnen. Ich meine, allein schon die eine Szene aus
seiner aktuellen Szene "Castle", in der er das komplette Kostüm aus
Firefly an hat, sollte ihn in den Olymp der fantreuesten Stars
katapultieren. Gleich neben Leonard Nimoy, aber erst nach seinem Buch "I
am not Spock".
Schwuppdiwupp war die Session auch schon vorbei. Ich hatte einige schöne
Bilder und war glücklich. Es kam also doch auf die Technik an und nicht
auf die Größe! Ha! Später erfuhr ich, dass die Fotos der anderen
natürlich fünftausend Prozent besser geworden sind.
Ein paar Stunden verbrachte ich dann in Hamburg, bis das Interview
begann. Leider erfuhr ich, dass nur mein Kollege im Interview-Raum
erlaubt war. Das war verständlich, denn die Interviews dauerten 10
Minuten und wurden von ca. 6 Reportern gleichzeitig geführt. Also gab
ich meinem Nie-gesehen-Kollegen meine DV-Kamera, um wenigstens den Ton
aufzuzeichnen.
Während ich wartete, schnappte ich ein Schwätzchen von Angestellten der
Filmproduktionsfirma auf. Da ging es um Stars, wie sie wirklich sind,
dass heute noch Uma Thurman irgendwo hingefahren werden musste und wie
stressig doch alles sei. Später hatte ich mir überlegt, dass die
vermutlich immer das gleiche Gespräch führten, um auf andere Eindruck zu
machen. Hat funktioniert. Oh, schillerndes Show-Business!
Nach dem Joss-Whedon-Interview kam mein aufgeregter Kollege wieder zu
mir und erzählte mir kurz, was gequatscht worden war. Nichts wirklich
aufregendes. Ich ärgerte mich. Ich hatte keine Idee, was ich gefragt
hätte, aber es wäre interessant geworden. Jedenfalls für mich!
Am Abend gab es dann die Premiere. Hier würde ich die Stars noch einmal
kurz sehen. Zwar von weitem vor der Leinwand, aber immerhin. "Hey", kam
mir der Gedanke, "vielleicht stellst du ja auch eine Frage!" - "Ja
genau", maßregelte ich mich selbst. "Du bist doch für sowas viel zu
nervös. Traust dich eh nicht."
Da musste ich mir selbst Recht geben. Kommt gar nicht so häufig vor.
Wir wurden in den Kino-Saal gelassen, nahmen unsere Plätze ein. Ich sah
einige andere aufgewühlte Personen, die erzählten, wie aufregend der Tag
doch war. Anscheinend waren sehr viele Fanseiten-Betreuer hier. Kein
Wunder, waren es doch die Fans, die einen Firefly-Film ermöglichten. Und
die Filmbosse, aber die zählen moralisch nicht.
Kurz darauf betraten Nathan, Summer und Joss die Bühne. Die Menge tobte!
Summer wirkte immer noch sehr schüchtern und fehl am Platz. Zuletzt
hatte ich das bei Jolene Blalock auf der Fedcon gesehen. Die war völlig
neben sich und das Publikum empfand nur noch Mitleid. Summer weckte
vermutlich in uns allen den Beschützerinstinkt!
Nach ein paar lustigen Floskeln folgte die Zuschauerfragerunde. Mein
Herz pochte. Ich bekam gar nicht mit, was die anderen fragten. Das Mikro
wurde im Saal herumgereicht. Meine Hände wurden feucht. War das einer
dieser Momente, für die ich mich ärgern würde, sie nicht ergriffen zu
haben? Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen. Ein Klos in meinem Hals
fühlte sich so schwer wie Beton an. Kurzerhand gab ich meinen
Zum-Ersten-Mal-Getroffen-Kollegen die laufende Videokamera. "Halt
drauf", sagt ich zu ihm. Für die nächste Frage stand ich auf.
Ich bekam das Mikro in die Hand. Scheiße. Herzklopfen. Black Out. Muss.
Frage. Formulieren. In. Englisch. Ich hielt das Mikro nah an meinem
Mund. Zu nah.
"Hello", dröhnte es im ganzen Saal. Verflucht. Zu laut.
"Woah!", rief Nathan Fillion. "This voice... Where is it coming from?
Are you... God?" Er hielt seine Hand hoch, um sich vom Licht des
Scheinwerfers zu schützen, der hinter mir aufgestellt war und mir
vermutlich eine göttliche Aura verlieh. Wie dramatisch. Leider stand
mein Spontanometer auf Null und deshalb blieb meine Antwort aus.
"Joss", brachte ich heraus. "I just saw you in your pyjamas this morning
in the hotel lobby. I was too nervous to speak to you, but if I would
have done, what would have we talked about?"
"Well...", begann Joss. "I probably would have thought you were an insane person and run away. I was just in the swimming pool."
Ich denke, er sagte noch was, aber an das erinnere ich mich nicht mehr.
Alles, was ich noch weiß, ist, dass es lustig war und ich mich wie in
Trance wieder hingesetzt habe. Das Herzklopfen war noch da, aber zu weit
entfernt, um es zu spüren. Das Adrenalin beruhigte mich kurioserweise
zum ersten Mal an diesem Tag.
Das alles könnte ich mir noch mal auf Video ansehen, aber das mache ich
nicht. Die Erinnerungen dazu sind schön und abgerundet. Die Sache hat
ein relativ gutes Ende gefunden. Auf meinem Sterbebett kann ich sagen:
"Ja, Nathan Fillion hat mich damals für Gott gehalten. Und Joss habe ich
in Pyjamas gesehen!". Danke, Musashi!