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Sherlock: Ein Skandal in Belgravia Drucken E-Mail
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Originaltitel: A Scandal in Belgravia
Episodennummer: 2x01
Bewertung:
Erstausstrahlung UK: 01.01.2012
Erstausstrahlung D: 17.05.2012 (ARD)
Drehbuch: Steven Moffat
Regie: Paul McGuigan
Kamera: Fabian Wagner
Musik: David Arnold und Michael Price
Hauptdarsteller: Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes, Martin Freeman als Dr. John Watson
Gastdarsteller: Lara Pulver als Irene Adler, Una Stubbs als Mrs. Hudson, Rupert Graves als Detective Inspector Lestrade, Mark Gatiss als Mycroft Holmes, Louise Brealey als Molly Hooper, Andrew Scott als Jim Moriarty

Kurzinhalt: Nur mit knapper Not sind Sherlock Holmes und Doktor Watson bei ihrer Konfrontation mit Moriarty mit dem Leben davongekommen. In den darauffolgenden Monaten beschäftigt sich Sherlock mit dem einen oder anderen ansatzweise interessanten Fall – jedoch nichts, dass seinen Intellekt so richtig fordern würde. Auch als ihn sein Bruder Mycroft darum bittet, kompromittierende Photos eines Mitglieds der englischen Königsfamilie sicherzustellen, die von der Edel-Domina Irene Adler aufgenommen wurden, zeigt er sich zu Beginn gelangweilt – und alles andere als gewillt, den Fall anzunehmen. Doch bereits bei ihrem ersten Treffen übt Irene eine seltsame Faszination auf den Meisterdetektiv aus. Mehr und mehr scheint er – so ungewöhnlich das für ihn auch sein mag – ihren körperlichen und geistigen Reizen zu verfallen. Dabei erweist sich Irene Adler zunehmend als würdige Gegenspielerin…

Review: ImageIn England mussten Fans dieser höchst gelungenen Neuinterpretation von Sherlock Holmes mehr als 1-1/2 Jahre auf die Fortsetzung warten; hierzulande war die Wartezeit dank der recht späten Ausstrahlung der ARD (bzw. dem ORF, der nun ebenfalls vor knapp drei Wochen auf den Zug aufgesprungen ist) nicht ganz so lang. Und "Ein Skandal in Belgravia" erweist sich als mehr als nur würdige Rückkehr, die einen schnell wieder daran erinnert, weshalb man eigentlich zu einem Fan dieser Neuinterpretation von Stephen Moffat und Mark Gatiss geworden ist. Praktisch alle Stärken der ersten Staffel finden auch hier wieder Einzug, allen voran die gewitzte, clevere und hochwertige Inszenierung, die uns durch Texteinblendungen einen Einblick in die Denkweise und Deduktionen von Sherlock Holmes geben. In "Ein Skandal in Belgravia" geht man in einem Fall sogar noch einen Schritt weiter, und lässt Sherlock – in Gedanken – zum Tatort reisen und den Tathergang rekonstruieren. Wirklich grandios gemacht.

Apropos grandios: "Ein Skandal in Belgravia" ist die lose Adaption des von Sir Arthur Conan Doyle geschriebenen Holmes-Abenteuers "Ein Skandal in Böhmen", und bringt als solche – wie die Inhaltsangabe ja schon verrät – den neben Moriarty wohl größten Widersacher des Meisterdetektivs auf den Bildschirm: Irene Adler, "Die Frau". Stephen Moffats und Mark Gatiss' Portraitierung der Figur wird der literarischen Vorlage dabei nicht einfach nur gerecht, sondern übertrifft sie teilweise sogar noch. Sie erweist sich als würdige Gegenspielerin, die trotz ihrer verführerischen Ausstrahlung auf mich auch einen gefährlicheren Eindruck gemacht hat als Moriarty (mit dessen Darstellung ich mich nach wie vor nicht 100%ig anfreunden kann). Jedenfalls ist Irene Adler die wohl größte Stärke von "Ein Skandal in Belgravia" – bekommt Sherlock Holmes mit ihr doch zum ersten Mal innerhalb dieser BBC-Neuinterpretation einen Gegenspieler, dem man zutraut, es mit ihm aufzunehmen, und ihn sogar zu übertrumpfen. Einen großen Anteil daran hat neben dem Drehbuch natürlich auch Lara Pulver, die es mit ihrer dominanten, verführerischen Ausstrahlung schafft, die Aufmerksamkeit des (vor allem männlichen) Zuschauers in jeder Szene, in der sie zu sehen ist, unweigerlich auf sich zu ziehen. Auch Martin Freeman als Watson und Benedict Cumberbatch als Holmes können erneut überzeugen – wobei vor allem letzter diesmal auch einige neue Seiten seiner Figur zum Vorschein bringen darf.

ImageGenerell weiß die Darstellung von Sherlock Holmes erneut zu begeistern. Ich behaupte, dass bisher nur sehr wenige – abseits von Sir Arthur Conan Doyle, natürlich – diese Figur so gut verstanden haben, und es zudem so gut vermochten, die Quintessenz seiner Persönlichkeit dem Zuschauer zu vermitteln, wie Stephen Moffat und Mark Gatiss. Besonders deutlich wird dies während der Weihnachtsfeier. In ein und derselben, kurzen Szene schafft man es, sowohl seine größte Stärke – seine Genialität – als auch seine größte Schwäche – seine soziale Inkompetenz – aufzuzeigen. Es ist eine gleichermaßen amüsante wie tragisch-schmerzliche Szene, und dass Sherlock Holmes trotz seiner oft barschen, arroganten und asozialen Art die Sympathien des Zuschauers trotzdem nie verliert, ist zu einem Großteil Benedict Cumberbatch zu verdanken, sowie jenen kurzen Momenten, in denen seine – zwar verkümmerte und unterdrückte, aber dennoch vorhandene – Menschlichkeit zum Vorschein kommen darf. Was in "Ein Skandal in Belgravia" angesichts seiner offenkundigen Gefühle für Irene Adler so deutlich und ausgeprägt passiert wie nie zuvor.

Wie schon in den ersten drei Fällen, so gelingt es auch bei "Ein Skandal in Belgravia" wieder, verschiedenste Töne zu einem stimmigen und höchst unterhaltsamen Ganzen zu verbinden. Mal ist die Episode sehr amüsant und humorvoll, dann wieder mordsspannend und hochdramatisch geraten. Exemplarisch für letzteres sei Sherlocks Rückkehr in die Baker Street 221b nach dem Angriff auf Mrs. Hudson genannt. Darüber hinaus vermag es diesmal auch das zugrundeliegende Mysterium wieder, zu packen. Und zum möglicherweise ersten Mal innerhalb der Serie fand ich diesmal auch dessen Auflösung höchst gelungen. Der Fall ist jedenfalls erneut sehr verstrickt und wendungsreich, und das Erzähltempo stellenweise zwar sehr hoch, zugleich nimmt man sich für einzelne Szenen dann aber auch wieder ausreichend Zeit, damit sie die gewünschte Wirkung beim Zuseher entfalten können. Und auch die Musik von David Arnold und Michael Price findet erneut immer genau den richtigen Ton. Jedenfalls… die einzelnen Stärken, wie das wendungsreiche Drehbuch, der wundervolle Humor, die einfallsreiche Inszenierung, der stimmige Soundtrack sowie natürlich die großartigen schauspielerischen Leistungen machen aus "Ein Skandal in Belgravia" für mich eine praktisch makellose, perfekte Episode – und definitiv die bisher beste Folge der Serie. Wenn man unbedingt ein oder zwei Härchen in der Suppe finden wollen würde, dann wären das wohl die Auflösung des Cliffhangers aus "Das große Spiel", sowie die Szene gegen Ende, die uns Irenes weiteres Schicksal offenbart. Da ich persönlich jedoch mit keinem von beiden ein Problem hatte, kann, will und werde ich diese potentiellen Kritikpunkte "Ein Skandal in Belgravia" nicht vorwerfen.

Fazit: ImageEinige Sherlock Holmes-Puristen mögen sich nach wie vor am Setting in der Gegenwart stören; oder an der im Vergleich zu den eher gemächlichen Original-Romanen von Sir Arthur Conan Doyle sehr flotten Erzählweise; oder der Tatsache, dass der Fall gegenüber den Figuren in den Hintergrund rückt; oder, dass "Ein Skandal in Belgravia", wie schon die Episoden aus der ersten Staffel, teilweise mehr an einen Thriller denn an eine waschechte Krimi-Serie erinnert; oder auch daran, dass man die literarische Vorlage – von kleinen gelungenen Anspielungen abgesehen – weitgehend hinter sich lässt. Zudem mögen dem einen oder anderen die Auflösung des Cliffhangers aus der ersten Staffel oder auch das Ende dieser Episode nicht 100%ig überzeugen. Jedoch: Für mich sind all diese potentiellen Kritikpunkte nicht von Belang. "Ein Skandal in Belgravia" ist nicht nur die bisher beste Episode der Serie, und praktisch makellos, es mag sogar gut und gerne das bisher beste Film- und Fernsehabenteuer von Sherlock Holmes – egal in welcher Inkarnation – überhaupt sein. Spannend, humorvoll, clever, wendungsreich, flott erzählt, superb inszeniert, und stellenweise sogar annährend berührend, mit grandiosen Darstellern – allen voran Benedict Cumberbatch, Martin Freeman und Lara Pulver –, einem Hauch von Erotik, vielen tollen Charaktermomenten und grandiosen, denkwürdigen Szenen… "Ein Skandal in Belgravia" bot von der ersten bis zur letzten Sekunde phänomenale Fernseh-Unterhaltung. TV at its best!


Wertung: 5 von 5 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © BBC One / ARD)




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