FollowTheBox #28: Rückblick auf die 1. Staffel von "Game of Thrones"
Von Krüppeln, Bastarden, Wölfen und Drachen...Kategorie: Kolumnen - Autor: T. Bacco, C. Siegel - Datum: Sonntag, 01 April 2012
"Game of Thrones" war für viele Fantasy-Fans eins der wichtigsten TV-Ereignisse der letzten Jahre. Doch nicht jeder fand sich in der riesigen Welt aus den Romanen von George R Martin sofort zurecht: Ständig neue Namen, häufige Ortswechsel und komplizierte Verstrickungen, bei denen man als Neueinsteiger schnell den Überblick verlieren konnte. Heute startet in den USA beim Pay-TV-Sender HBO die 2. Staffel von "Game of Thrones". Wir wollen deshalb einen Blick zurück werfen und sowohl auf die Stärken als auch auf die Schwächen eingehen, die diese Serie bisher geboten hat. Unsere ehrenwerten Hofschreiber Tu Bacco und Christian Siegel werden euch dazu nun ihr nadelspitzes Resümee kredenzen. Am Ende des Artikels findet ihr eine umfangreiche Liste mit Link-Tipps. Damit solltet ihr auf die neuen Episoden bestens vorbereitet sein. Denn wie sagte schon der weise Maester Aemon zu Beginn der 1. Staffel: "When winter does come, gods help us all if we're not ready..."
Resümee von Tu Bacco
Nachdem die 1. Staffel von "Game of Thrones" mittlerweile auch hierzulande im Free-TV lief, versuche mich mal an einem kleinen Resümee, bei dem ich u.a. auf die deutsche Synchro eingehe. Die Serie hat, gegenüber der US-Premiere, für mich inzwischen leider ein
wenig abgebaut. Zumal mir nun die Begeisterung des Neuen weitgehend
gefehlt hat, wurden vor allem von der technischen Seite her die Mankos
ziemlich deutlich.
Gerade die ersten Folgen leiden, abgesehen von
manch inhaltlich unnötiger Änderung (bspw. Sandors Background), unter
uneinheitlichem Szenenfluss, zu viel Sex und Exposition, völliges
Fehlen von Subtilität, und ein paar gegenüber dem Rest abfallenden
Darstellern, darunter Sophie Turner, Kit Harrington (er eigentlich bis
zum Schluss) und leider auch offensichtlich Lena Headey. Ihre
eigenwillig langweilige Interpretation der "scheming bitch", nimmt der Figur jegliches Feuer. Mit ihrem immer gleich aufgesetzten angestrengten Blick wirkt Headey eher so als ob sie ihre Brille aufgrund von Kurzsichtigkeit vermissen
würde. Die budgetarischen
Einschränkungen machen dann besonders der zweiten Hälfte der Staffel zu schaffen. Daenerys
50-Mann Khalasar wirkt oberpeinlich, genauso wie fast jede andere Szene
bei der es auf die Art von visueller Größe ankommt, die der Serie bisher völlig abgeht.
Klingt jetzt vielleicht so, als würde ich "Game of Thrones" plötzlich unnötig
übermäßig Kritisieren. Nein, ich versuche nicht einfach so auf Hipster
zu machen und, weil es gerade angesagt ist, gehypte Sachen niederzuquatschen - aber das waren letztlich die Dinge, die mir nun bei der zweiten Sichtung nach
etwas Abstand sofort stärker ins Auge gesprungen sind. In den Wertungen
meiner Reviews (mehr dazu am Ende dieser Kolumne) kam die Serie wohl auf knapp 8 von 10 Punkten. Heute
wäre ich wohl knausriger und würde "Game of Thrones" aufgrund der oben erwähnten Mankos
etwas niedriger bei knapp 7 Pünktchen (auch wenn ich sonst
nicht viel auf Punktwertungen gebe) einordnen wollen. Dafür werden bis zur fünten Folge teilweise zu falsche Schwerpunkte gesetzt oder manche Szenen einfach zu unbeholfen in den Kontext reingebastelt. Es bleibt für mich eine
gute Serie, die vielleicht vorlagengetreuste Umsetzung eines
Fantasybuches bisher, aber eben weit vom Perfektionismus manch anderer erster Staffeln von HBO-Produktionen ("Deadwood", "Band of Brothers",
"John Adams", "Carnivale" und eingeschränkt auch "Boardwalk Empire") entfernt.
Gut gefallen mir weiterhin die meisten Kinderdarsteller, sei es nun die
von Bran oder Arya, aber auch Jack Gleeson als Joffrey legt sich im
Verlaufe der Staffel gewaltig ins Zeug. Zwar sieht man ihm im Gegensatz
zur Vorlage an, dass er nichts Gutes im Schilde führt und sich hinter
seinem Gesicht quasi ein kleiner Psychopath verbirgt, aber das macht
nichts. Er spielt einen Arschloch-Charakter und hat Spaß dabei. Auch
Samwell Tarly, Barristan Selmy sowie Jorah Mormont kommen in der
Verfilmung meiner Meinung nach besser weg als in der Vorlage. Ersterer
weil nicht so nervig weinerlich, Selmy weil er mehr Präsenz trotz
gekürztem Abgang hat und Ian Glenns Stimme ist purer Sex in meinen
Ohren. Da stört es mich auch nicht, dass man einen viel attraktiveren
Darsteller für die Rolle gecastet hat als es die Vorlage eigentlich fordert. Das
allgemeine Design hat die "Game of Thrones"-Crew mehrheitlich ebenfalls ganz gut hinbekommen. Vor
allem die Rüstungen (mit Ausnahme der Lannister- und City Watch-Helme)
und Kostüme sehen wirklich ordentlich aus und machen einen sehr detailreichen und
zweckmäßigen Eindruck.
Etwas verloren wirkt hingegen Winterfell. In den Büchern noch von einer
Art Siedlung, von Bauernhöfen und Feldern umgeben, fragt man sich in der
Serie, wie sich die Festung allein in harten Zeiten versorgen will. Die
Eyrie fällt mit ihren fantasyesquem Design sowieso etwas aus dem Rahmen.
Besonders die Heereslager wirken ohne Bewachung und Befestigung (und wenn's nur
ein paar angespitzte Pfähle wären) achtlos in die Landschaft geklatscht.
Tyrion hätte mit seinen Berg-Clans einfach das Lager seines Vaters
überrennen können, wenn er das gewollt hätte, weil man ihn so erst
bemerkt, sobald er vor dem Einlass steht. Sind zwar eher
Kleinigkeiten, aber diese Dinge stoßen mir etwas säuerlich auf, da sie beim Anschauen der Episoden kaum zu übersehen waren. Einfach in der 2. Staffel in diesem Bezug noch
ein klein wenig mehr Acht geben und ich bin in dem Punkt wunschlos
glücklich.
Apropos wunschlos glücklich: Über die deutsche Synchro kann ich das
nicht so ganz sagen, obwohl sie recht brauchbar ist. Zumindest die
meisten Stimmen sind recht passend gewählt (Little... pardon, Kleinfinger
geht etwas seine Durchtriebenheit ab, Daenerys wirkt in den späteren
Folgen durch ihre zu hohe unschuldige Stimme zu kindlich und Jorah
verblasst im Vergleich zu seiner Originalstimme gänzlich). Außerdem gibt es kaum größere
inhaltliche Synchrofehler, also bekommen wir hier zum Glück kein zweites "Babylon 5". Was mich mehr
stört ist die Übersetzung der Namen. Sicherlich, die meisten
Namen wurden 1:1 ins Deutsche übertragen und bei denen es kein Pendant
gibt, wurde etwas getrickst. Trotzdem kommt z.B. der Fluss Trident vor. Warum
nicht Dreizack? Warum Lennister anstatt Lannister? Auch die Aussprache
mancher Namen wirkt gewöhnungsbedürftig. Tivin Lennister, Braaahhhnn,
Ariiia, wirklich?
Rückblickend betrachtet kann man sicher sagen, dass das Team hinter "Game of Thrones" in der 1. Staffel noch nicht ganz eingespielt war, wie das
eigentlich überwiegend auch bei der Konkurrenz der Fall ist. Mit den
letzten vier Folgen hat man dann eigentlich ein gutes, aber im Vergleich zur
Vorlage sehr viel höheres Erzähltempo gefunden. Kleine Lapsi
wie im Anfang, wo die Darsteller teilweise ihren Text heruntergerattert
haben, blieben uns dadurch zunehmend erspart. Vor allem Alan Taylors Regie ist der Serie
zu Gute gekommen. Die letzten beiden von ihm inszenierten Folgen sind
einfach ein Hochgenuss, bei denen die Schlüsselszenen nichts an ihrer
Wirkung verlieren. Die Finalfolge selbst, die jeder wichtigen Figur neue
Motivation oder ein Ziel verleiht (und damit quasi schon einen Ausblick
auf das was kommen wird gibt), macht so Lust auf Mehr und lässt niemanden
einfach so im Regen stehen.
In der 2. Staffel wird es sicherlich zu mehr Änderungen gegenüber der Vorlage kommen (müssen). Nach dem, was bisher an Infos durchgesickert ist, will man sich wohl einigen Dingen zuwenden, die im Buch nur "off page" abgehandelt
wurden. Andere Ereignisse werden scheinbar schon vorweg genommen, da sonst einige
Charaktere nichts zu tun hätten, und andere Handlungen wird man eventuell gänzlich streichen oder in die Verfilmung des dritten Bandes über zwei Staffeln integrieren. Änderungen sind per se nichts Schlechtes,
vor allem hier nicht. Bei einer Geschichte, die sich eher in die Breite
als nach Vorn zu einem wie auch immer gearteten Ende entwickelt, ist das
nicht nur bequemer sondern sogar nötig. Ich beziehe mich dabei nicht
nur auf Randfiguren, die untertauchen werden, sondern auch auf
große Handlungsteile, die möglicherweise gestrichen oder sehr stark
angepasst werden müssen. Lieber jetzt schon damit anfangen, bevor man
den Punkt erreicht, an dem es nicht mehr anders geht. Sonst kämen die Serienmacher vielleicht irgendwann zu einem harten Bruch oder in eine vertrackte Situation, aus der sie sich so leicht nicht wieder herausmanövrieren können (*Hust*
George R Martin *Hust*). Das wird vielleicht den einen oder anderen
Bücherfreund sehr ärgern, aber was nützt die komplizierteste und
undurschaubarste Situation, wenn die Handlung absolut kein
Vorwärtsmomentum aufweist?
Long story short:
Auch in deutsch ist "Game of Thrones" für mich (noch immer) eine gute Serie. Bisher fehlt es jedoch etwas an
visueller Größe. Manchmal kommt die Inszenierung etwas überladen, wenig subtil und teilweise auch unbeholfen
daher. Story, Welt und Charaktere wiegen die Mankos allerdings
weitestgehend wieder auf. Die Serie dürfte sich aber in
Zukunft zwangsweise weiter von ihrer Vorlage entfernen.
Tu Bacco
Resümee von Christian Siegel
Die 1. Staffel von "Game of Thrones" hat mir grundsätzlich ziemlich gut gefallen, auch wenn
sie sich z.B. keineswegs mit der 1. "Deadwood"-Season (immer noch
mit das beste Stück TV, das ich je gesehen habe) messen kann. Zwischen
den ersten sechs und den letzen vier Episoden lag bei mir leider eine längere,
unfreiwillige Pause. Deshalb mag mich mein Eindruck trüben, aber ich
habe insbesondere die ersten beiden Folgen als besonders gelungen in
Erinnerung - wohl auch da die Staffel besonders am Anfang einen besseren
Job darin gemacht hat, die Figuren und ihre Welt vorzustellen, als sie dann zu einen
bestimmten dramaturgischen Höhepunkt hinzuführen. Es gab insgesamt wenige
Ausreißer nach unten, aber auch keine Überdrüber-Folge, die mich
restlos begeistert hätte. Rückblickend betrachtet, hätte der Serie wohl etwas mehr
Tempo gut getan, und man hätte vielleicht lieber schon das
eine oder andere aus dem zweiten Buch (das sage ich ohne genaue Kenntnis der Romane)
übernehmen sollen.
(Der folgende Textabschnitt enthält Spoiler zum Finale der 1. Staffel!) Dem großen Twist, der für mich - und wohl viele andere - die Staffel
irgendwie dominiert hat, stehe ich zwiegespalten gegenüber. Einerseits
war es ziemlich geschickt und mutig gemacht: Die ganze Promotion-Kampagne
war auf Sean Bean ausgerichtet, er bekam in den ersten Folgen sehr viel
Screentime und schien die Hauptfigur der Serie zu sein. HBO und die
Drehbuchautoren waren hier ungemein clever, um diese üble Wendung für
alle Nicht-Romankenner gänzlich unerwartet und wie aus dem Nichts kommen
zu lassen - ein Schock, wie wir ihn meines Erachtens schon lange
nicht mehr erleben durften/mussten, egal ob auf dem kleinen Fernsehschirm oder
der großen Kinoleinwand. ABER... meine Vorfreude auf die 2. Staffel ist
durch diese Wendung enorm gesunken, und ich glaube, im Endeffekt hat man
vielleicht etwas zu viel darin investiert, nur um die Zuschauer
schocken zu können. Sean Bean war für mich - mit Abstand - die zentrale,
entscheidende Präsenz der Serie. Es gab im ganzen Ensemble keine Schauspieler oder Schauspielerinnen, die sich diesbezüglich mit ihm messen konnten. Bisher ist für mich weit und breit niemand zu sehen, der an Eddard Starks Stelle treten
könnte - und das erfüllt mich schon ein wenig mit Sorge. Sean Bean hat
die Serie, insbesondere natürlich in den ersten Folgen, getragen und
stark (pun not intended) geprägt. Ich habe es bereits in der letzten
Folge bemerkt, dass ohne ihn einfach etwas fehlt. Nun kann es natürlich gut sein, dass uns in der 2. Staffel neue Figuren präsentiert werden und darunter auch jemand eines
ähnlichen Kallibers ist. Wenn nicht, wird man sich, was die Drehbücher, die Thematik und teilweise auch was das Spektakel betrifft, deutlich steigern
müssen, um dieses Manko auszugleichen.
Die 1. Staffel
kommt damit bei mir auf einen Wertungsschnitt von knapp 7 Punkten, was meinen
Eindruck ganz gut wiederspiegelt, wobei ich insgesamt 6,5/10 wohl für
angemessen(er) halten würde.