Meine ganz persönlichen Tops und Flops des AbendsKategorie: DVD & Kino - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 28 Februar 2012
Oscar-Verleihung 2012
Auch wenn die 84. Oscar-Verleihung überwiegend Überaschungs- und Höhepunkts-frei verlief, fühlte ich mich insgesamt doch wieder um einiges besser unterhalten als in den Jahren zuvor. Natürlich leidet eine Verleihung wie diese immer darunter, wenn man keinen Favoriten hat, für den man die Daumen drücken kann (mein letzter entsprechender Film war "Slumdog Millionär" in 2009). Im Gegensatz zum letzten Jahr, wo ich zumindest noch mit Natalie Portman mitgefiebert hatte (so sehr sie den Goldjungen auch schon in der Tasche zu haben schien), gab es dieses Jahr keine einzige Kategorie, wo ich mir einen spezifischen Sieger gewünscht habe. Dass so etwas immer auf die Spannung drückt, versteht sich von selbst – andererseits, was soll die Academy tun? Die Oscars zu den zweiten People's Choice Awards verkommen zu lassen, wäre dann auch eher unsinnig. Und wie gesagt, trotz der mangelnden Spannung verlief die Verleihung sehr unterhaltsam und gelungen.
Vor allem auch merkt man eine stetige und deutliche Entwicklung bzw. Steigerung. Man hat in den letzten Jahren immer wieder versucht, frischen Wind hineinzubringen, die Awards flotter, hipper – und damit publikumswirksamer – zu machen, und dabei leider allzu oft übers Ziel hinausgeschossen, wodurch einiges an Glanz und Glamour dieser Verleihung verloren gegangen sind (mein gern zitiertes Negativ-Beispiel sind die "Drive-In Oscars" aus 2005, aber auch die übereifrigen Orchester sollten jedem regelmäßigen Zuschauer der Verleihung ein Begriff sein). Seither steigert man sich aber von Veranstaltung zu Veranstaltung, pickt sich die gelungenen Innovationen heraus, und lässt anderes fallen. Nachdem man also zuletzt das eine oder andere Mal gestolpert ist, fasst man nun wieder zunehmend Fuß – und die diesjährige Verleihung war bis auf ein paar kleinere Punkte, auf die ich im weiteren Verlauf zu sprechen kommen werde, schon (wieder) sehr gelungen. So darf es nächstes Jahr gerne weitergehen!
Hier also nun meine ganz persönlichen Höhe- und Tiefpunkte der 84. Oscar-Verleihung!
Flop: Die hastige Eröffnung
Zur Einstimmung auf die heurige Verleihung – und die Rückkehr von Billy Crystal als Moderator – habe ich mir, nachdem die Academy sie dankenswerterweise auf YouTube online gestellt hat, alle bisherigen Eröffnungsnummern von ihm angesehen. Die meisten bewegten sich so um die acht Minuten herum; die bisher kürzeste war aus dem Titanic-Jahr 1998, und selbst die dauerte knappe sieben. Heuer hat man ihm für die humorvolle Einstimmung auf den Abend – inklusive dem für ihn so typischen Medley der für den besten Film nominierten – weniger als sechs Minuten eingeräumt. Und das, obwohl es heuer ja neun, statt fünf Nominierte zu "besingen" galt. Dass darüber hinaus kaum mehr Zeit blieb, um über die anderen Nominierten und Anwesenden zu scherzen, und selbst beim Medley selbst der eine oder andere Film viel zu kurz abgehandelt wurde (und man damit einiges an humoristischem Potential verschenkt hat), ist wohl offensichtlich. Auch abseits Billy Crystals Eröffnung war der Einstieg etwas überhastet, gerade auch was die flinke Vergabe der ersten Awards betrifft. Vor allem wenn man bedenkt, dass das Tempo im weiteren Verlauf des Abends wieder deutlich zurückgefahren wurde und die Verleihung dann stellenweise schon fast wieder zu gemächlich von statten ging – so als müsste sich jetzt erst recht wieder bemühen, überhaupt die drei Stunden zu füllen – ist diese (zu) hastige Eröffnung schon ein wenig schade.
Top: Ein erinnerungswürdiges "In Memoriam"
Bei früheren Verleihungen – insbesondere 2009, wo ich die entsprechende Montage bei meinem Rückblick ja sogar unter den Flops des Abends geführt hatte – bot das "In Memoriam"-Segment das eine oder andere Mal durchaus Anlass zur Kritik. Einerseits aufgrund einer ungeschickten und/oder unangemessenen Handhabung, andererseits aufgrund von unverständlichen Versäumnissen bei der Nennung einzelner Stars. Heuer war der entsprechende Teil der Verleihung aber absolut perfekt. Das ruhig vorgetragen und still interpretierte "What A Wonderful World" als Untermalung für größtenteils nur ganz kurze Titel- und Bildeinblendungen, und nur ausnahmsweise – bei den größten Verlusten des vorangegangenen Jahres, wie Peter Falk oder natürlich Elizabeth Taylor – kurze Filmclips oder Dialogzitate, war die Erinnerung an verlorengegangene Filmschaffende ungemein stilvoll und ehrwürdig. Und dass irgendeine wichtige, bedeutsame Persönlichkeit gefehlt hätte, wäre zumindest mir nicht aufgefallen. Besser kann man es aus meiner Sicht eigentlich nicht machen. Vor allem von der Inszenierung der Montage her sicherlich eines der absoluten Highlights der diesjährigen Academy Awards!
Flop: Der zerschnittene Oscar
In den meisten Jahren gibt es zumindest eine Kategorie, wo ich den Sieg des jeweiligen Kandidaten absolut nicht nachvollziehen kann. Heuer kommt diese Ehre der Oscar-Prämierung von David Finchers Remake "Verblendung" in der Kategorie "Bester Schnitt" zu. Es kommt selten bis nie vor, dass mir in Schnitt bei einem Film überhaupt auffällt – entweder positiv oder negativ. Am ehesten wohl noch bei Actionfilmen, wenn wieder einmal viel zu hektisch geschnitten wird, aber davon abgesehen, also innerhalb der "normalen" Handlung eines Films, so gut wie nie. "Verblendung" war nun in der Tat einmal eine dieser Ausnahmen, da mir viel zu oft zwischen den Schauplätzen hin- und hergeschwenkt wurde und ich daher kaum Zeit hatte, in einen Handlungsort, in eine Szene, in die jeweilige Stimmung einzutauchen. Meines Erachtens hat man einen ansonsten atmosphärisch dichten Thriller – vor allem in der ersten Hälfte – zerschnitten, und ihm viel von seiner Wirkung beraubt. Allerdings… geht man nach der Academy, beweist dieser Eindruck meinerseits nur, dass ich keine Ahnung habe. Ich halte es hingegen lieber mit dem ORF-Experten Alexander Horvath, der nach dieser Auszeichnung sinngemäß festgehalten hat, dass nicht der Film mit dem besten Schnitt, sondern den meisten Schnitten, prämiert wurde. Und zugegeben, einen Film zu zerstückeln, ist ja in gewisser Weise auch wieder ein "Achievement" – wenn auch kein Gutes.
Top: Film-Erinnerungen der Stars
Mit Montagen hat man sich bei der diesjährigen Verleihung relativ zurückgehalten – bis auf eine kurze relativ zu Beginn der Verleihung, die mir angesichts der Tatsache, wie wenig Zeit Billy Crystal für seine Eröffnung hatte doch etwas sauer aufgestoßen ist, hätte ich doch die paar Minuten lieber ihm gegönnt; da es aber die einzige war, sie gut gemacht und zudem recht kurz war, war es rückwirkend betrachtet schon ok so. Statt der üblichen Filmmontagen kamen stattdessen in kurzen Interview-Ausschnitten die Stars zu Wort, und schilderten ihre ganz persönlichen Film- und Kinoerinnerungen, erzählten was genau sie an ihnen so fasziniert, usw. Gut gemacht, angenehm kurz und knackig, teilweise durchaus interessant – alles in allem also ein netter Einfall.
Flop: Die falschen Prioritäten des Herrn Horwath
Ok, zugegeben, es ist ein verhältnismäßig kleiner Punkt, und es betrifft zudem nur all jene, die sich die Verleihung – so wie meiner einer – auf dem österreichischen Sender ORF1 angeschaut haben. Und grundsätzlich waren die Moderatoren Hannelore Veit und Alexander Horwath, die das nun schon einige Jahre zusammen machen, ja wieder eine gute, interessante Paarung und haben kompetent durch den Abend geführt. Eines hat mich aber mit der Zeit derart gestört, dass ich einfach wusste, dass ich es hier anführen muss: Herr Horwath hat bereits in den letzten Jahren eine Tendenz dazu gezeigt, sich gerne beim Reden zuzuhören, und keine Rücksicht darauf zu nehmen, wenn es mit der amerikanischen Übertragung wieder weitergeht. Hatte Frau Veit in der Vergangenheit vergleichsweise wenig Skrupel, ihn höflich dazu aufzufordern, die Klappe zu halten, bzw. darauf hinzuweisen, dass es wieder weitergeht, hielt sie sich bei der heurigen Übertragung damit leider sehr zurück. Möglicherweise, weil die beiden auf einmal per du sind? Was auch immer der Grund, aufgrund der Tatsache, dass es ihm oftmals wichtiger war seinen Satz bzw. seinen kompletten Gedankengang zu beenden, als die Übertragung zu verfolgen, sind teilweise leider ein paar Sätze zu Beginn unmittelbar nach den Werbeunterbrechungen verloren gegangen. Das hätte nun wirklich nicht sein müssen.
Top: Die eiserne Oscar-Lady – und andere Dankesreden
Für den einen oder anderen, der – so wie ich – zuletzt schon relativ fix auf einen Sieg von Viola Davis getippt hatte (es zeigt nur, wie schnell sich das Oscar-Rad dreht, dass Meryl Streep, bei der einige Wettbüros die Prämie für ihren Sieg bereits kurz nach Verkündung der Nominierungen auszahlen wollten, im Endeffekt noch eine derartige Außenseiterin wurde, dass man ihren Sieg als eine der größten Überraschungen der gestrigen Verleihung ansehen muss), war es zwar kurzfristig eine unangenehme Überraschung – hat es doch den eigenen Tippspiel-Schnitt nach unten gedrückt – angesichts ihrer nachfolgenden Dankesrede, die wohl die beste des gestrigen Abends war, konnte man ihr aber wohl nicht lange böse sein. Und tatsächlich hat sich diese Ausnahme-Schauspielerin ihre mittlerweile dritte Oscar-Statuette ja hoch (und schon längst) verdient. Ihre Dankesrede war witzig, selbstironisch ("Das ist wohl das letzte Mal, dass ich hier oben stehe, also lasst es mich genießen"), bewegend, und hatte vor allem ungemein viel Klasse. Weitere gute, denkwürdige Dankesreden kamen von Christopher Plummer (stilvoll), Jean Dujardin (charmant) und Gore Verbinski (dessen praktisch perfekte Rede für alle zukünftigen Oscar-Gewinner das neue Vorbild sein sollte – nur etwas mehr Emotionen könnten sie eventuell in die Waagschale werfen). Und für die schon fast traditionelle tränenreiche Dankesrede sorgte heuer Octavia Spencer. Einzig die Cutter von "Verblendung" sollten für einen allfälligen weiteren (hoffentlich nicht wieder so unverdienten) Oscar noch einmal üben – schienen diese doch überhaupt nicht vorbereitet gewesen zu sein.
Flop: Spaßbremse Nr. 1 – die "Zauberer von Oz" Fokusgruppe
Es war die einzige nicht wirklich gelungene Einspielung des Abends. Die Idee, angeblich wieder entdeckte Aufnahmen einer Fokusgruppe zum "Zauberer von Oz" gefunden zu haben, und damit satirisch eben diese neumodische (?) Angewohnheit der Filmstudios aufs Korn zu nehmen (und kritisch zu hinterfragen), klang von der Idee her um einiges lustiger, als es dann eigentlich war. Ein Ein-Ideen-Konzept, das viel zu lange ausgedehnt wurde, zu wenig wirklich gelungene Gags präsentiert und sich insgesamt erschreckend schnell totgelaufen hat. Die darin investierte Zeit hätte ich nun wirklich gerne wo anders – bevorzugt in den Händen von Billy Crystal – gesehen.
Top: Laudatoren
Nicht nur Billy Crystal (zu dem kommen wir gleich) sorgte für einen unterhaltsamen Abend, auch unter den Laudatoren, die ohnehin auch schon in den letzten Jahren für einige der besten Lacher gesorgt haben, fanden sich viele Highlights. Ein kurzer, unsortierter Auszug: Sandra Bullocks chinesisch, dass sich verdächtig nach (stark akzentuiertem) deutsch angehört hat. Der eine Live-Doku namens "The Presenters" drehende und damit seine Co-Laudatorin Gwyneth Paltrow nervende Robert Downey Jr. Die Braut sowie ihre fünf Brautjungfern (aus "Brautalarm"), die sich in drei Pärchen aufgeteilt und jeweils einen Award präsentiert – und dabei natürlich einige gelungene Gags platziert – haben (Highlight war womöglich das Scorsese-Trinkspiel, aber ehrlich, da gab es so viel amüsantes, es ist schwer, sich nur für einen Gag zu entscheiden). Kermin und Miss Piggy, die den Aufritt des Cirque du Soleil (dazu gleich mehr) ankündigten. Chris Rock, der in seinem zweiminütigen Auftritt als Laudator mehr gelungene Gags präsentiert hat als 2006 bei seinem eigenen Oscar-Gig (Highlight: "Ich liebe Animation, weil in der Welt der Animationsfilme kannst du alles sein, dass du sein willst. Wenn du eine dicke Frau bist, kannst du eine dünne Prinzessin spielen. Wenn du ein kleiner, schmächtiger Kerl bist, kannst du einen großen Gladiator spielen. Als Weißer kannst du einen arabischen Prinzen spielen. Und als Schwarzer einen Esel, oder ein Zebra."). Das absolute Highlight war für mich aber die grandios-bezaubernde Emma Stone, die mit ihrer Performance als verrückt-abgedrehte Laudatorin, die völlig davon begeistert ist zum ersten Mal auf dieser Bühne zu stehen, dermaßen natürlich und glaubwürdig blieb, dass sie kurzzeitig nicht nur ihrem Co-Laudator Ben Stiller (der auch eine Anspielung bezüglich seiner früheren Auftritte, z.B. als Na'vi, über sich ergehen lassen musste), sondern selbst Billy Crystal die Show stahl. Way to go, girl!
Flop: Spaßbremse Nr. 2 – Was für ein Zirkus…
Für mich der einzige richtige Kopfschüttler der diesjährigen Verleihung. Was sollte das, wozu war das gut? Ich sage ja nicht, dass die Tanznummer des Cirque du Soleil grundsätzlich schlecht war, aber gerade angesichts der Tatsache, wie wenig Zeit vergleichsweise für andere Dinge – und hier muss ich insbesondere wieder auf die Eröffnungsrede von Billy Crystal verweisen – erübrigt wurde, da fragt man sich schon. Billy Crystal muss sein Medley zu 9 Nominierungen in gerade mal 5 Minuten abhandeln, aber für das haben wir Zeit. Was genau hatte das jetzt mit Kino zu tun, wen wollte man damit ansprechen? Ich kann nur das bereits bei "Spaßbremse Nr. 1" gesagte erneut festhalten: Die darin investierte Zeit hätte ich nun wirklich gerne wo anders investiert gesehen. Womit wir auch schon beim letzten Punkt angelangt wären…
Top: Billy Crystal
Ja, man hat ihm bei der Eröffnungsnummer für meinen Geschmack viel zu wenig Zeit eingeräumt, weshalb er vergleichsweise durch diese hetzen musste und sie sich mit seinen Nummern aus den Vorjahren kaum messen konnte. Aber mal abgesehen davon, dass er selbst dafür ja nichts kann, hat Billy Crystal bei der diesjährigen Verleihung eindrucksvoll unter Beweis gestellt, warum man ihm bei seinem kurzen Auftritt letztes Jahr standing ovations angedeihen ließ. Selbst in den kurzen fünf Minuten, die man ihm zu Beginn geschenkt hatte, hat er mehr gelungene Gags platziert (wobei mir vor allem das "Chapter 11 Theatre" im Gedächtnis geblieben ist, als Anspielung auf das ehemalige Kodak Theatre; kurzer Exkurs: Chapter 11 ist die amerikanische Regelung für Insolvenzen) als so manche Hosts der vergangenen Jahre während der gesamten Veranstaltung.
Auch der Einspieler zu Beginn der Awards, in dem Billy Crystal im einen oder anderen Film des vorangegangenen Jahres aufgetreten ist bzw. auf diesen angespielt hat ("The Artist", "The Descendants", "Moneyball", "Midnight in Paris", "The Help", "Brautalarm", "Hugo Cabret", "Mission Impossible IV" und "Die Abenteuer von Tim und Struppi"), war gewohnt genial. Und auch wenn ich mich nach seiner viel zu kurz gehaltenen Einstiegsrede kurzzeitig gefragt haben mag, warum man sich eigentlich die Mühe macht, ihn als Oscar-Host zurückzuholen, wenn er dann nach nicht einmal 6 Minuten schon wieder abtritt, so wurde dies im weiteren Verlauf des Abends insofern relativiert, als dass er – im Gegensatz zu den meisten Moderatoren der Vorjahre – auch danach eine stetige, humoristisch auflockernde Präsenz war, und damit den Abend ungemein abwechslungsreich und unterhaltsam gestaltet und gemacht hat. Er ist für mich schlicht und ergreifend der aktuell beste Oscar-Moderator, und ich hoffe sehr, dass wenn man ihn schon nicht wieder regelmäßig, mehrere Jahre hintereinander verpflichten will, es wenigstens nicht wieder 8 Jahre dauern wird, ehe wir ihn erneut zu Gesicht bekommen!
Was waren eure Höhe- und Tiefpunkte der diesjährigen Verleihung, bzw. was sagt ihr generell zu den heurigen Gewinnern? Sagt uns eure Meinung in den Kommentaren oder in unserer Partner-Community SpacePub!