Mit: Jean Dujardin, Bérénice Bejo, John Goodman, James Cromwell, Penelope Ann Miller, Missi Pyle, Joel Murray, Malcolm McDowell u.a.
Kurzinhalt:
Hollywood im Jahr 1927: Der Stummfilm feiert seine Blütezeit. Der größte Star dieser Ära ist George Valentin, der sich gemeinsam mit seinem treuen Jack Russell-Terrier von einem stummen filmischen Abenteuer ins nächste stürzt. Nach der Premiere seines neuesten Films macht er die Bekanntschaft der hübschen jungen Peppy Miller. Als die beiden gemeinsam miteinander abgelichtet werden, nutzt Peppy den daraus resultierenden Rummel, um eine Statistenrolle in einem Film zu ergattern – was sie auch wieder mit George zusammenführt, der sie schon bald unter seine Fittiche nimmt. Sie wird immer bekannter und beliebter, und steigt zum neuen Darling Hollywoods auf. George's Stern ist hingegen im Sinken begriffen: Die Erfindung des Tonfilms droht die Karriere des Stummfilm-Stars jäh zu beenden…
Review:
"The Artist" ist sicher nicht der anspruchsvollste Film des diesjährigen Oscar-Rennens, dennoch würde es mich weder überraschen noch schockieren und/oder verärgern, wenn er im Endeffekt triumphieren sollte. Denn eines kann man ihm zweifelsfrei attestieren: Er ist einzigartig. In der heutigen Zeit von Spezialeffekten, 3D-Wahn etc. den Mut zu haben, einen schwarz-weiß (und natürlich im damals gebräuchlichen Vollbild-Format gehaltenen) Stummfilm zu drehen – da kann man meines Erachtens vor allen Beteiligten nur den Hut ziehen. Doch "The Artist" hat mehr zu bieten, als dieses Gimmick. Zwar wäre er damit allein schon ein außergewöhnlicher Film und ein nostalgischer Trip in die Vergangenheit der Hollywood-Schmiede, allerdings hat "The Artist" noch weitaus mehr zu bieten. So besticht Michel Hazanavicius kleines Meisterwerk – ähnlich wie zuletzt bei "Black Swan", der die Geschichte von Schwanensee in einer Produktion des entsprechenden Ballettstücks eingebettet hat – u.a. durch den cleveren Kniff, einen Stummfilm über die Stummfilm-Ära Hollywoods zu erzählen. Die "Film im Film"-Formel funktioniert ausgesprochen gut, und auch mit den Möglichkeiten – und Beschränkungen – des Stummfilm-Formats spielt "The Artist" höchst geschickt.
Eine Stärke des Films, völlig unabhängig von der außergewöhnlichen Erzählweise, ist sein Humor, und der damit einhergehende hohe Unterhaltungswert, den "The Artist" von Beginn an verströmt. Es gibt zahlreiche amüsante Momente und erheiternde Szenen; und zumindest bei mir hat der Großteil der Gags auch gezündet. Zudem versprüht "The Artist" ungemein viel Charme, und vermochte zumindest mich praktisch von der ersten Minute an zu verzaubern. Auch an Herz und Romantik mangelt es "The Artist" nicht – die im Zentrum stehende Liebesgeschichte zwischen George Valentin und Peppy Miller ist wundervoll und mit einigen wirklich herzergreifenden Momenten umgesetzt – jedoch ohne dabei jemals in Kitsch zu verfallen. Zusätzliche Tragik erhalten ihre Gefühle zueinander durch den konträren Verlauf ihrer Karrieren: Gerade als der kometenhafte Aufstieg von Peppy Miller beginnt, ist George Valentin's Stern zunehmend im Sinken begriffen. Dadurch dreht sich die Dynamik zwischen den beiden zwischenzeitlich um fast 100 Prozent, und man merkt, dass vor allem George mit dieser Situation zu kämpfen hat. Eben dieser Fall des einstigen Stars ist dann auch für das gewisse Maß an Anspruch und Tiefgang, dass sich in "The Artist" trotz aller lustigen und unterhaltsamen Momente finden lässt, verantwortlich. Auch wenn es selbst in den dramatischsten Momenten nie zu ernst wird und Michael Hazanavicius darauf achtet, überwiegend einen luftig-lockeren Ton beizubehalten und niemals in Trübsinn zu verfallen, so gibt es doch ein paar Szenen die einem zu Herzen gehen, und wo man mit diesem gefallenen Hollywood-Star mitleidet.
Michael Hazanavicius imitiert den damaligen Inszenierungsstil nahezu perfekt, und meistert die Herausforderung, eine längst in Vergessenheit geratene Kunstform kurzzeitig wieder auferstehen zu lassen, mit Bravour. Die Zwischentitel sind dabei überaus gut platziert, und treten weder zu häufig noch zu selten in Erscheinung. Dort wo die Bilder und die Musik ausreichen, lässt Hazanavicius auch wirklich nur diese sprechen – erst, wenn es nicht mehr anders möglich und zum Verständnis des Films absolut unabdingbar ist, greift er auf die Zwischentitel zurück. Unverzichtbare Unterstützung erhält Hazanavicius aber vor allem auch von Ludovic Bource, dessen Filmmusik sich ebenfalls stark an die Kompositionen der damaligen Zeit anlehnt. Angesichts der fehlenden Dialoge und Geräusche kommt dem Score hier unvergleichlich mehr Bedeutung zu als bei "normalen" Filmen, weshalb Bource ebenfalls eine besonders schwere Verantwortung zu schultern hatte. Immerhin ist seine Filmmusik die einzige akustische Unterstützung für die Bilder, die Schauspieler, bzw. auch generell die Handlung. Seine Komposition ist quasi ein eigener Charakter, und essentieller Bestandteil des Films, der ihm viel von seinem Zauber verleiht.
Die letzte große Stärke des Films sind dann die Darsteller, welche die Aufgabe, die Gedanken und Gefühle ihrer Figuren ohne Dialoge zu vermitteln, ebenfalls mit Bravour meistern. Die größte Last trug dabei wohl zweifelsohne Jean Dujardin auf seinen Schultern, der vor allem mit einer ungemein charmanten Performance besticht, sowie einem markanten Gesicht und ausdrucksstarker Mimik und Gestik, die für die Stummfilm-Ära wie gemacht scheinen. An seiner Seite lächelt und tanzt sich Bérénice Bejo auf bezaubernde Art und Weise ihren Weg in die Herzen der Zuschauer. Sie verfügt über eine klassische, natürliche Schönheit, die ebenfalls für diese Film-Ära wie gemacht scheint. Die beiden harmonieren zudem perfekt miteinander, und geben ein ebenso überzeugendes wie hübsches Paar in bester klassischer Hollywood-Tradition (siehe "Vom Winde verweht" und/oder "Casablanca") ab. In weiteren Rollen sind u.a. noch John Goodman als Filmproduzent, James Cromwell als George's treuer Chauffeur, sowie Penelope Ann Miller als George's Ehefrau zu sehen. Sie alle liefern ebenfalls sehr gute Leistungen ab und kommen mit den Beschränkungen des Stummfilms scheinbar mühelos zurecht. Der heimliche Star des Films ist aber vermutlich Uggie, der Jack Russell-Terrier, der George Valentin im "echten Leben" ein mindestens so treuer und unverzichtbarer Begleiter ist, wie in seinen Filmen. Uggie hat einige der besten Lacher auf seiner Seite, und sollte vor allem die Herzen der cineastischen Hunde-Liebhaber im Sturm erobern. Insgesamt also ein phantastisches Ensemble für einen ebenso phantastischen und ungemein unterhaltsamen Film!
Fazit:
Ich gebe unumwunden zu, vor meiner Erstsichtung (bei der letztjährigen Viennale) sehr skeptisch gewesen zu sein… doch nach weniger als fünf Minuten hatte mich der Film bereits absolut verzaubert. "The Artist" ist eine wunder- und liebevolle Hommage an eine verloren geglaubte und in Vergessenheit geratene Kunstform – und noch viel mehr. Er ist einerseits sehr clever, dadurch, dass er eine Geschichte aus der Stummfilm-Ära als Stummfilm erzählt, andererseits aber auch durchaus bewegend. Es ist herzzerreißend zu sehen, wie dieser frühere gefragte (Stummfilm-)Star durch das Aufkommen des Tonfilms zunehmend an Boden verliert, und zuletzt gar ausgebootet wird. Diesem Karriere-Absturz steht der Erfolg seines "Schützlings" Peppy Miller gegenüber, wodurch der Film einen herrlichen Kontrast zwischen Triumph und Niederlage, zwischen Aufstieg und Fall, zwischen Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt bietet. Und trotz dieser teils ernsteren Untertönen, die ihm einiges an Dramatik verleihen, ist er doch in erster Linie eines: Ungemein amüsant und unterhaltsam. Michel Hazanavicius erzählt und inszeniert seine Geschichte nicht nur mit unheimlich viel Klasse und Stil, sondern vor allem Humor – und Charme! Jedenfalls sollte dieser Film für jeden, der sich Cineast (oder -in) schimpft, ein absoluter Pflichttermin sein – denn "The Artist" ist Kino pur!
Wertung:9 von 10 Punkten (mit Option auf die 10 nach der Zweitsichtung)