Originaltitel: The Conscience of the King Produktionsnummer: 1x12 Bewertung: Erstausstrahlung USA: 08.12.1966 Erstausstrahlung D: 09.11.1987 Drehbuch: Barry Trivers Regie: Gerd Oswald Hauptdarsteller: William Shatner als Captain James T. Kirk, Leonard Nimoy als Mr. Spock, DeForest Kelley als Dr. Leonard McCoy, James Doohan als Scotty, George Takei als Hikaru Sulu, Nichelle Nichols als Lt. Uhura Gastdarsteller: Arnold Moss als Karidian, Barbara Anderson als Lenore, Grace Lee Withney als Janice Rand, William Sargent als Dr. Leighton, Natalie Norwick als Martha Leighton, Bruce Hyde als Kevin Riley
Kurzinhalt:
Eigentlich sollte Captain Kirk von seinem alten Freund und Vertrauten Dr. Leighton ja ein neues, revolutionäres synthetisches Nahrungsmittel abholen, um damit die Nahrungsmittelknappheit eines nahegelegenen Planeten zu bekämpfen. Stattdessen offenbart sich diese Meldung als Finte – vielmehr hat Leighton Kirk zu sich geholt, um ihn in seinen Verdacht einzuweihen, dass es sich bei jenem Schauspieler, der mit seiner Theatergruppe gerade den Planeten besucht, um Kodos, den Henker von Tarsus IV, handelt. Dieser ordnete 20 Jahre zuvor während einer schlimmen Hungersnot den Tod von rund 4.000 Kolonisten an, um damit der anderen Hälfte der Bevölkerung das Überleben zu ermöglichen. Als die nächste Versorgungslieferung dann doch früher eintraf als gedacht, wurde Kodos in den darauffolgenden Unruhen getötet – dachte man zumindest. Doch die fast bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leiche konnte nie 100%ig identifiziert werden, und Leighton ist sich sicher: Kodos ist geflohen, und hat daraufhin die Identität des Schauspielers Karidian angenommen. Als Leighton kurz darauf tot aufgefunden wird, scheint dies seinen Verdacht zu erhärten – doch Kirk ist nicht dazu bereit, nur aufgrund von Vermutungen zu handeln. Um mehr Zeit für seine Nachforschungen zu haben holt Kirk die Theatergruppe an Bord, um sie zu ihrem nächsten Auftritt auf einem anderen Planeten zu bringen. Er hofft, durch dessen Tochter Lenore mehr über Karidian zu erfahren und das Rätsel zu lösen. Doch Spock wird ob des seltsamen Verhaltens des Captains zunehmend misstrauisch, und stellt eigene Nachforschungen an. Als schließlich ein Anschlag auf Riley verübt wird – neben Kirk der einzig verbliebene Überlebende der Kolonie, der Kodos noch identifizieren könnte – stellt er den Captain zur Rede…
Denkwürdige Zitate:"Do you play God? Carry his head through the corridors in triumph? That won't bring back the dead, Jim!" "No. But they may rest easier."
(McCoy und Kirk über Kodos.)
"Blood thins. The body fails. One is finally grateful for a failing memory."
(Karidian zu Kirk.)
"There's a stain of cruelty on your shining armor, captain."
(Lenore zu Kirk, nachdem dieser Karidian mit seinem Verdacht konfrontiert hat.)
Review:
"Kodos, der Henker" behandelt einige durchaus anspruchsvolle, moralische Themen, wie Schuld, Sühne, den Wunsch nach Vergeltung, und noch einige mehr. Das Science Fiction-Setting tritt hier in den Hintergrund und macht einer menschlichen Geschichte Platz, die in leicht abgewandelter Form genauso gut in einer zeitgenössischen Serie hätte erzählt werden können. Die Verlagerung in die Zukunft ermöglicht jedoch eine gewisse Distanz, die es uns erlaubt, ein differenzierteres Bild des Geschehens zu zeichnen und die Vorwürfe rund um Karidian vorurteilsfrei zu betrachten. Während man sich am Anfang noch recht stark auf den Krimi- und Mystery-Aspekt rund um die Frage konzentriert, ob Karidian denn nun Kodos ist oder nicht, treten im weiteren Verlauf der Handlung andere Themen in den Vordergrund – in erster Linie, was genau Kirk denn eigentlich mit ihm zu tun gedenkt, wenn er sich tatsächlich als Kodos offenbart.
Eingebettet ist diese Handlung in den Hintergrund einer Schauspiel-Truppe, die Stücke von William Shakespeare aufführt, was man für einige geschickt eingefädelte Bezüge zu seinen Werken nutzt. Vor allem der Einstieg, in dem Karidian als Macbeth über das Blut an seinen Händen spricht, erweist sich als sehr pointierte Vorahnung der bevorstehenden Offenbarung. Zudem spielt "Kodos, der Henker" geschickt mit dem Motiv eines Mannes, der in seiner Vergangenheit grauenhafte Dinge getan hat, und sich nun in unsere Mitte befindet und sich versteckt, während die zahlreichen Angehörigen nach wie vor um den Verlust ihrer geliebten Menschen trauern und auch alle Unbeteiligten ob seiner Taten nur fassungslos den Kopf schütteln können. Interessanterweise werden nichtsdestotrotz weder Karidian noch seine wahre Identität, Kodos, gänzlich verteufelt. Konsequent wehrt sich "Kodos, der Henker" gegen eine reine schwarz-weiß-Mentalität, und erzählt stattdessen eine Geschichte mit vielen Graustufen, die vor allem angesichts der damaligen Zeit als durchaus beachtlich angesehen werden kann. Ja, Kodos hat eine schreckliche Gräueltat begannen – sah sich jedoch aufgrund der Umstände dazu gezwungen, diese schwerwiegende Entscheidung zu treffen. Eine Hälfte der Kolonie musste sterben, damit die andere überleben konnte. Aus seiner Sicht war die Ermordung keine Grausam- sondern eine Notwendigkeit, da ansonsten alle gestorben wären. Auch sein "Jäger" Kirk wird nicht als strahlender Held dargestellt, sondern seine Motive immer wieder hinterfragt – vor allem auch in einer der besten Szenen der Episode, als Spock und McCoy ihn zur Rede stellen. Hier erweisen sich Leonard Nimoy und DeForest Kelley erneut als wichtige Eckpfeiler der Serie, welche eine Episode alleine durch ihre Anwesenheit aufzuwerten vermögen.
Weitere Highlights sind sein Gespräch mit Karidian (auf das man uns überraschend lange warten lässt, dass die dann gehegten Erwartungen jedoch zu erfüllen vermag) sowie das Finale hinter der Bühne, als sich alles offenbart, und Karidian einen schweren Schicksalsschlag verkraften muss. Trotz seiner früheren Taten fühlt man unweigerlich mit ihm mit, als er erfahren muss, dass seine Tochter nicht nur seine, sondern vor allem auch ihre Hände mit dem Blut von noch mehr unschuldigen Opfern besudelt hat. Damit hat sie ihm alles Gute genommen, was er in seinem Leben vielleicht vollbracht haben mag – konnte doch selbst seine Tochter dem Schatten seiner Vergangenheit nicht entfliehen. Sein letzter Akt ist dann eine sehr menschliche und selbstlose Geste, als er sich in den Phaserstrahl wirft, um Kirk zu retten, was erneut seine Darstellung als Monster gekonnt untergräbt und die – unangenehme – Frage aufwirft, wie jemand, der eben nicht durch und durch böse ist, damals zu solch einer Gräueltat fähig war.
Zuletzt wird der Episode auch noch durch die Liebesgeschichte zwischen Kirk und Lenore ein interessanter Aspekt verliehen. Zu Beginn mag Kirk sie nur benutzen, um mehr über ihren Vater zu erfahren, mit der Zeit wird allerdings offensichtlich, dass er zunehmend echte Gefühle für sie zu hegen beginnt – was möglicherweise auch seine Bereitschaft, Karidian als Kodos zu entlarven, vermindert, und damit zu tun haben könnte, warum er trotz aller Indizien nach mehr und mehr Beweisen verlangte – er wollte es einfach nicht wahrhaben. Interessant auch, dass wir mit Kirk und Lenore eine Romanze haben, die aufgrund der Ausgangssituation (auch wenn es uns nicht gleich bewusst gewesen sein mag) zum Scheitern verurteilt war – was ebenfalls wieder an die Werke von Shakespeare erinnert. Auch abseits der gelungenen Handlung weiß das Drehbuch zu gefallen – vor allem dank einiger großartiger Dialoge. "Kodos, der Henker" bietet viel zitierenswertes und denkwürdiges; nur ein Bruchteil davon wurde von mir weiter oben angeführt. Generell ist das Drehbuch angenehm durchdacht und gut aufgebaut. Um nur ein kleines Beispiel anzuführen: Bei ihrem Rendezvous an Bord der Enterprise nennt Lenore den Captain Cäsar – worauf sie dann auch beim Finale nochmals Bezug nimmt. Neben dem Drehbuch wissen auch die schauspielerischen Leistungen zu gefallen. Die Produzenten waren klug genug, William Shatner, der über eine nicht unbeachtliche Bildschirmpräsenz verfügt, jemandem als Karidian/Kodos zur Seite zu stellen, der ihm in dieser Hinsicht das Wasser reichen kann. Zudem fällt die teilweise Theatralik der Leistungen aufgrund des Hintergrundes einer Schauspieltruppe und den Bezügen zu Shakespeare-Dramen hier kaum negativ auf. Lediglich am Ende droht es Lenore aka Barbara Anderson, nachdem sie ihren Vater unabsichtlich ermordet hat, etwas zu übertreiben. Davon abgesehen hat aber auch sie mit einer gelungenen Leistung überzeugt.
Ebenfalls gelobt werden muss die Musik von Joseph Mullendore, wobei das erinnerungswürdigste Stück aus dieser Episode wohl seine Interpretation des von Alexander Courage komponierten Star Trek-Thema's als Lounge-Musik während der Party ist (wobei es auch danach noch ein paar gelungene Arrangements davon zu hören gibt). Ich habe jedoch auch ein paar Kritikpunkte anzubringen. So hätte ich es besser gefunden, wenn man sich noch mehr mit Kodos damaliger Tat auseinandergesetzt und die Hintergründe bzw. seine Entscheidungsfindung näher beleuchtet hätte. Auch fragte ich mich gegen Ende hin, was für Beweise Kirk denn noch braucht, ehe er davon überzeugt ist, dass es sich bei Karidian um Kodos handelt. Etwas seltsam fand ich auch seine Aussage, dass Logik nicht genug sei – sollte nicht gerade so eine entscheidende Frage, bei der das weitere Schicksal eines menschlichen Wesens auf dem Spiel geht, logisch-sachlich-kühl und mit konkreten Beweisen entschieden werden, denn emotional und nach einem Bauchgefühl heraus? Und auch wenn es eher eine Kleinigkeit ist, aber… kann mir bitte mal jemand erklären, warum Kirk Riley in den Maschinenraum versetzt hat? Das schien mir irgendwie keinen Sinn zu ergeben - weder aus seiner Perspektive heraus noch in Bezug auf das Drehbuch. Und abschließend: Dass Kirk seine Anfrage zu den Zeugen der damaligen Ereignisse auf der Brücke – direkt neben Spock – durchführt, erscheint auch etwas unklug, angesichts der Tatsache, dass er diese ja eher geheim halten möchte…
Fazit:
"Kodos, der Henker" ist eine sehr interessante Folge, die neben einer Art Krimi-Rätsel – ist er's, oder ist er's nicht? – vor allem moralische Themen ins Zentrum rückt. Neben der Frage, inwieweit Kodos Vorgehen vor 20 Jahren gerechtfertigt war, geht es vor allem darum, was mit ihm nun geschehen soll, falls sich Karidian tatsächlich als der Henker von Tarsus IV erweist. Die Episode verzichtet dabei dankenswerterweise auf eine Schwarz-Weiß-Zeichnung und auf eine eindeutige Trennlinie zwischen dem guten Captain und Verfolger und dem bösen Verbrecher auf der Flucht – die Motive und Taten beider werden hinterfragt und auf die moralische Waagschale gelegt. Das Drehbuch besticht, neben dem gut aufgebauten Mysterium rund um Karidian, vor allem mit einigen großartigen, hochwertigen Dialogen, bei denen immer wieder Bezüge zu Geschichte und Shakespeare positiv auffallen, sowie auch zu früheren Gesprächen aus der Folge. Auch die Darsteller zeigen überwiegend bestechende Leistungen, allen voran William Shatner und Arnold Moss. Unterstützt werden sie dabei vor allem von den immer verlässlichen Leonard Nimoy und DeForest Kelley, sowie von Barbara Anderson, deren Schauspiel bis auf wenige Momente, in denen sie doch einen Hauch zu dick aufträgt, ebenfalls viel zum Gelingen der Episode beiträgt. Gemeinsam mit der gelungenen Inszenierung und der guten Musik, die vor allem Alexander Courage's Hauptthema für die Serie einige Male auf interessante Art und Weise neu interpretiert, ergibt das eine gute, gefällige und durchaus anspruchsvolle Episode, bei der lediglich ein paar kleinere Schwächen sowie die mangelnde Spannung einer höheren Wertung im Weg stehen.