Mit: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly u.a.
Kurzinhalt:
Ein Junge schlägt dem anderen die Zähne aus und schon treffen sich die Elternpaare der Beteiligten, um die ganze Angelegenheit unter Erwachsenen zu regeln. Das könnte schon alles gewesen und der Film nach den ersten fünf Minuten bereits wieder vorbei sein. Als man sich aber verabschiedet, nimmt man dann doch noch die Einladung an, etwas länger zu bleiben und aus den ursprünglichen Abschiedsworten entbrennt eine neue Diskussion, in der es nach und nach immer weniger um den Vorfall der Kinder geht, sondern die Beteiligten die Fesseln der Contenance und der politischen Korrektheit abwerfen, während sie aufeinander losgehen.
Marcel Wetzel
Review von Marcel Wetzel:
Nach der Uraufführung des Theaterstücks von Yasmina Reza im Jahr 2006 folgt jetzt die Kinoverfilmung durch Roman Polanski, die schon bei den Filmfestspielen 2011 in Venedig den kleinen Goldenen Löwen einheimste. Polanski versteht es in genialer Weise, die Vier Personen und ihre Geschichte, die sich, bis auf die Anfangs- und Schlussszene, während der gesamten Dauer des Films in einer Wohnung abspielt, gekonnt in Szene zu setzen. Dabei beeindruckt nicht nur die hochkarätige Besetzung mit Kate Winslet (Nancy), Christoph Waltz (Alan), Jodie Foster (Penelope) und John C. Reilly (Michael), sondern auch die intelligenten Pointen des Drehbuchs, die vor allem von denen, die mit dem inzwischen im Kino weitverbreiteten stumpfen Haudrauf Humor nicht viel anfangen können, dankbar zur Kenntnis genommen werden dürften.
Die sehr kurzen 79 Minuten, die der Film dauert, werden, obwohl es an dem Wechsel von Schauplätzen oder dem Hinzukommen weiterer Akteure bzw. Ereignisse mangelt, niemals langweilig. Grund hierfür sind die extrem gut ausgearbeiteten Charaktere und die ständige Verschiebung der Fronten zwischen ihnen. Zum einen sind da die ruhige Streitschlichterin Penelope, auf deren Initiative das Treffen der Eltern überhaupt erst stattfand und die stolz auf ihr selbst geschriebenes Buch über Darfur ist und Michael, der von seiner Arbeit als Vertreter für Sanitärwaren schwärmt. Beide geben sich gerne weltgewandt und mitfühlend. Auf der anderen Seite ist da ein kühles und karriereorientiertes Ehepaar bestehend aus dem Anwalt Alan, der sein Handy mehr liebt als seine Frau und gerade dabei ist, einen Pharmaskandal zu vertuschen und Nancy, die vergeblich versucht nach außen hin das Aussehen einer intakten Familie aufrechtzuerhalten. Heißt es zu Beginn des Films noch Penelope und Michael gegen das Ehepaar Nancy und Alan, so bröckelt alsbald die gutbürgerliche Fassade der Paare und kurz darauf verbünden sich die beiden männlichen Protagonisten gegen ihre Frauen, die sogleich ebenfalls gemeinsam gegen ihre Ehemänner zurückschlagen.
Geben sich am Anfang alle vier noch vernünftig und kompromissbereit, um den Vorfall zwischen ihren Kindern möglichst unkompliziert zu lösen, so lassen sie im Laufe der Zeit ihre Masken fallen, und es wird schnell klar, dass sie trotz höherem Lebensalter noch genauso unreif und kleingeistig sind wie ihre jungen Söhne, mit der Ausnahme, dass sie sich bereits an bestehende gesellschaftliche Konventionen gewöhnt haben, ohne diese aber, genau wie ihre Kinder, mit Ästen bewaffnet aufeinander einschlagen würden. Das Ganze geschieht zwar nur verbal, jedoch in so einer erzählerischen Dichte und Tempo, dass Freunde des intelligenten Humors kaum aus dem Grinsen herauskommen dürften.
Fazit:
"Der Gott des Gemetzels" ist eine Gesellschaftssatire mit Starbesetzung, die aufgrund ihres intelligenten Humors den Zuschauer zu fesseln weiß und bei dem die vier Darsteller in Ihren Rollen überzeugen können. Besonders die schauspielerische Leistung von Christoph Waltz ist hier hervorzuheben, der die anderen Akteure nicht nur wegen des für seinen Charakter dankbaren Drehbuchs schlicht an die Wand spielt.
Wertung:9 von 10 Punkten
Marcel Wetzel
Review von Michael Spieler:
Ein Theaterstück als Film? Hach, das kann gut gehen, aber manchmal wird es zu theatralisch, weil das Schauspiel auf Bühne und vor der Kamera ein anderes sein muss. Oder es wird arg zu abstrakt. Nicht so bei "Der Gott des Gemetzels". Die vier Darsteller tragen die 79 Minuten grandios vor. Da treffen die Cowans – gespielt von Kate Winslet und Christoph Waltz – auf die Longstreets – gespielt von Jodie Foster und John C. Reilly – aufeinander und fördern die nackte Wahrheit über die Natur der Menschen und ihre Beziehungen zueinander zu Tage. Wir haben nur gebrüllt, dieses wunderbare Stückchen Film aus der Hand von Roman Polanski, ist das absolute Muss in der kalten Jahreszeit. Der Film lebt einzig durch das Aufeinandertreffen dieser zwei unterschiedlichen aber doch ähnlichen Paare als Folge einer Auseinandersetzung zwischen ihren jeweiligen Kids. Dabei sind alle vier unterschiedliche Typen, in denen man sich leicht wiederfinden kann, oder man kennt selbst solche Menschen oder ähnliche Situationen. Die Komik entsteht durch die Authentizität in dem, was ausgesprochenen wird. Der Film scheint zunächst sehr kurz zu sein, hat aber ganz genau die richtige Länge für dieses Thema. Wäre er kürzer würde man nur halb so viel lachen können. Wäre er etwas länger, wären er und seine Darsteller bestimmt unerträglich geworden. Perfektes Timing. Echt schwierig hinzubekommen, doch Polanski hat hier Feingefühl bewiesen. Er hat auch keine Längen die mir negativ aufgefallen wären, er passt einfach und der Abend ist noch nicht gelaufen, wenn man wieder aus dem Kino kommt.
Kate Winslet war hierzulande zuletzt neben Matt Damon in "Contagion" zu sehen, obwohl sie "Der Gott des Gemetzels" vorher drehte. Christoph Waltz, dem seit "Inglourious Basterds" die Projekte nur so um die Ohren geworfen werden, konnte man zuletzt als wunderbar durchtriebenen Richelieu im 2011er Remake von "Die Drei Musketiere" bewundern. Jodie Foster hat nach einem Jahr Auszeit an der Seite von Mel Gibson in der Dramödie "Der Biber" nicht nur die weibliche Hauptrolle übernommen, sondern auch selbst Regie geführt. John C. Reilly konnte man im Sommer in der Komödie "Willkommen in Cedar Rapids" neben Anne Heche sehen und ist für mich immer der verliebte Polizist aus "Magnolia", dem die Frösche auf den Kopf fallen. Ich habe sie alle schon großartig spielen sehen, doch hier laufen die vier Hauptdarsteller zur Höchstform auf. Ohne viel Glitter und Staffur können diese Schauspieler tatsächlich ihr Handwerk und mit minimalen Mitteln ein Publikum begeistern. Ihre vier Charaktäre könnten unterschiedlicher nicht sein und dennoch passen sie im Rahmen des Films wahnsinnig gut zueiander, denn gerade diese Unterschiedlichkeit führt zu der Auseinandersetzung. Die Cowans wollen sich entschuldigen, Mr. Cowan wurde aber von seiner Frau eher dazu genötigt - die Longstreets begrüßen diese Entschuldigung, doch Mrs. Longstreet wird kleinlich und die Reibereien gehen los. Sie bilden quasi die Eigenschaften ähnlich situierter Menschen (um die 40, gut bis sehrgut verdienend, mit Kind) in ihrer Gänze ab. Typische Paare, wie man sie sich auf Elternabenden in den Schulen der Republik vorstellt.
Fazit:
Wer mal wieder richtig herzhaft und ehrlich lachen möchte, zu etwas anderem als Disney-Pixar-3D-Comedy, der möge doch bitte um Himmels willen ein Lichtspielhaus aufsuchen und sich etwas über eine Stunde unterhalten lassen.