Mit: Michael Shannon, Jessica Chastain, Tova Stewart, Shea Whigham, Katy Mixon, Natasha Randall, Lisa Gay Hamilton u.a.
Kurzinhalt:
Seit kurzem plagen Curtis schreckliche Alpträume, in denen sich ein Sturm über ihn zusammenbraut, und seltsamer, öliger Regen auf die Erde herabfällt. Instinktiv erkennt er in seinen Träumen: Dies ist das Ende der Welt. Alle, die dem Regen ausgesetzt sind, werden wahnsinnig, und versuchen Curtis und seine Familie zu verletzten. Verzweifelt versucht er, gegen seine Träume anzukämpfen, doch als er schließlich auch während des Tages von schrecklichen Visionen heimgesucht wird, kann er diese nicht länger ignorieren. Er kauft sich einen Sturmbunker und richtet diesen ein, um für die drohende Apokalypse gerüstet zu sein. Doch steht diese tatsächlich bevor, und erhält Curtis göttliche Visionen – oder verliert er einfach nur zunehmend den Verstand?
Review:
"Take Shelter" ist ein ungemein eindringlicher beklemmender Film, der Curtis zunehmende Angstzustände und Paranoia nicht nur spürbar, sondern auch nachvollziehbar macht. Wir sehen seine schrecklichen Horrorvisionen, seine Alpträume… wie öliger Regen vom Himmel herabfällt, eine dichte schwarze Wolke über ihn hinwegschwebt, und die Welt zugrunde geht. Wir erleben, wie er und seine Familie von seinem Hund, von wildfremden Menschen, und später sogar von solchen, die ihm nahe stehen, angegriffen wird – und er sich dadurch zunehmend von allem und jedem um ihn herum distanziert. Was diese Entwicklung dabei so ergreifend macht ist die Tatsache, dass er alles was er tut deshalb macht, um seine Familie zu beschützen, seine Frau und seine ohnehin leidgeplagte (da gehörlose) Tochter. Jedenfalls sind die Alpträume atmosphärisch ungemein dicht in Szene gesetzt, und mit genau der richtigen Mischung aus Realismus und Surrealität, um Curtis' zunehmende Angst nachvollziehen zu könne.
Was mir an diesem Film besonders gut gefällt ist auch, wie Curtis' sachliche und seine emotionale Seite im ständigen Widerstreit zu stehen scheinen, was diese Träume und seine zunehmende Paranoia betrifft. Einerseits geht er ja durchaus vernünftig an all das heran, sucht zuerst seinen Hausarzt und später dann psychologische Betreuung auf, um sich helfen zu lassen. Hier spielt sicherlich auch die Tatsache eine wesentliche Rolle, dass es in seiner Familie diesbezüglich bereits eine Vorgeschichte gibt – ist doch auch seine Mutter in einem ähnlichen Alter, in dem er sich jetzt befindet, an paranoider Schizophrenie erkrankt. Doch obwohl er weiß, dass er wohl wahnsinnig wird, gelingt es ihm dennoch nicht, die Träume Träume sein zu lassen. Vielmehr wird sein Leben zunehmend durch diese bestimmt. Als er in einem Alptraum von seinen Hund angegriffen wird, sperrt er diesen hinter einem Zaun ein. Er kauft sich einen Schutzbunker und borgt sich aus der Arbeit einen Bagger, um diesen im Garten hinter seinem Haus zu vergraben. Sein Umfeld – allen voran natürlich seine Frau Samantha – reagieren darauf verständlicherweise zunehmend mit Besorgnis. In einer ergreifenden, bewegenden Szene schafft es Curtis dann endlich, sich seiner Frau anzuvertrauen, und schildert ihr von seinen Träumen und den damit einhergehenden Ängsten. Entweder, er wird langsam aber sicher verrückt, oder aber das Ende der Welt steht wirklich bevor. Egal, welche dieser beiden Möglichkeiten letztendlich zutrifft – er muss so oder so befürchten, seine Familie zu verlieren. Doch während er einerseits alles dafür tut, um seine Familie zu beschützen, droht er sie durch seine zunehmende Isolation erst recht zu verlieren. Zumal viele seiner Entscheidungen unmittelbare, tragische Auswirkungen auf ihre Lebensumstände haben.
All seine Ängste kulminieren schließlich in einer der packendsten und spannendsten Szenen, die ich dieses Jahr im Kino gesehen habe, als tatsächlich ein Sturm über die Kleinstadt hereinbricht. Curtis, Samantha und ihre Tochter Hannah ziehen sich in den Schutzbunker zurück. Als man am nächsten Morgen erwacht, bittet Samantha ihn, sie wieder freizulassen – der Sturm sei vorbei. Doch ist er das wirklich? Was, wenn die Apokalypse tatsächlich so eingetreten ist, wie in seinen Träumen und Visionen gesehen? Wenn ja, verurteilt er sich und seine Familie zum Tode, sobald er die Tür zum Bunker öffnet. In diesem Moment ist man als Zuschauer voll und ganz in Curtis Gedanken- und Gefühlswelt gefangen; auch wir sind uns nicht sicher, was genau vorgefallen ist. Ist es sicher, wieder hinauszugehen, ist der Sturm wirklich schon vorbei? Sollen wir die Türe öffnen? Können wir dieses Risiko eingehen? Zusätzliche Spannung erlangt diese Szene dadurch, dass man zu diesem Zeitpunkt des Films Curtis alles zutraut. Jedenfalls ergriff in diesen Momenten eine ungeheure Anspannung von mir Besitz, die dann schließlich in einer ungemein bewegenden Szene kulminierte.
Michael Shannon machte in den letzten Jahren vor allem als verlässlicher Nebendarsteller von sich reden, hier rückt er nun ins Zentrum des Geschehens, und zeigt eine beeindruckende, ergreifende Performance, die einen unweigerlich in den Bann zieht. Jessica Chastain, bei der man sich ernsthaft fragen, wo diese tolle Schauspielerin auf einmal hergekommen ist (ist dies doch, nachdem man bis vor kurzem kaum noch etwas von ihr gehört hat, schon ihre dritte große Rolle in diesem Jahr, nach "Eine offene Rechnung" und "Tree of Life"), verzaubert ebenfalls erneut; sie ist ein Engel in diesem Film, und bleibt Curtis trotz allem was passiert bis zuletzt treu. Generell gefiel mir die Charakterisierung dieser Familie ungemein gut. Sie mussten in der Vergangenheit einen Schicksalsschlag verkraften, doch man merkt, dass sie dieser nur noch stärker zusammengeschweißt hat. Jeff Nichols Inszenierung ist eine weitere große Stärke des Films – und das nicht nur in den beklemmend umgesetzten Alpträumen. "Take Shelter" wird generell von einer drückenden Stimmung dominiert, die dafür sorgt, dass man sich keine Sekunde lang wirklich entspannt und wohl fühlt. Egal, ob nun Weltuntergang oder ein persönliches Desaster – man merkt, dass der Film unweigerlich auf eine Katastrophe zusteuert. Unterstützt wird Nichols dabei von der sehr atmosphärischen Filmmusik von David Wingo. Der einzige Aspekt des Films, der mir nicht gefallen hat, ist das Ende. Mehr will ich dazu aus Spoilergründen nicht verraten, aber ich vertraue darauf, dass ihr es verstehen (wenn auch nicht unbedingt meine Meinung teilen) werdet, wenn ihr es seht…
Fazit:
"Take Shelter" ist ein ungemein eindringlicher und verstörender Film über Paranoia. Es ist sehr beklemmend, mitzuerleben, wie dieser Familienvater aus Angst, jene zu verlieren die er liebt, zunehmend irrational agiert – und damit genau das, was er zu beschützen hofft, erst recht zu verlieren droht. Großartige schauspielerische Leistungen, allen voran von Michael Shannon und einer wieder einmal bezaubernden Jessica Chastain, und die dank der tollen, atmosphärischen Inszenierung von Jeff Nichols bedrückende Stimmung, kulminieren dann schließlich in einer der packendsten und beklemmendsten Szenen des Kinojahres, als der Protagonist eine schwere Entscheidung treffen und seine Ängste überwinden muss. Einzig das aufgesetzte Ende, das meines Erachtens vieles von der Message einem eher billigen Gimmick opfert, verhindert eine Einstufung als modernes Meisterwerk. So ist er nichtsdestotrotz ein sehr empfehlenswerter Film, der euch hoffentlich ebenso in seinen Bann ziehen wird, wie ihm das bei mir gelungen ist.