Mit: Michael Parks, John Goodman, Melissa Leo, Michael Angarano, Kyle Gallner, Nicholas Braun, Stephen Root, Matt L. Jones, Kerry Bishé u.a.
Kurzinhalt:
Eine amerikanische Kleinstadt wird immer wieder vom Hassprediger Abin Cooper und seinen Anhängern terrorisiert – wie erst jüngst, als man während der Beerdigung eines ums Leben gekommenen homosexuellen Schülers durch wilde Proteste aufgefallen ist. Die drei Jugendlichen Travis, Jared und Billy-Ray haben indes ganz andere Sorgen: Einer von ihnen hat im Internet eine Frau getroffen, die mit allen drei Burschen Sex haben würde. Ein Angebot, dass sie sich natürlich nicht entgehen lassen wollen. Doch als sie sich in der darauffolgenden Nacht die besagte Frau aufsuchen, entpuppt sich das Angebot als Falle: Die drei werden betäubt. Als sie wieder zu sich kommen, finden sie sich in der Kirche von Abin Cooper wieder, so wie die brutale Hinrichtung eines Homosexuellen miterleben müssen. Und die drei Jugendlichen sollen die nächsten Opfer sein…
Review:
Lasst uns zu Beginn gleich folgendes klarstellen: "Red State" ist kein Horrorfilm per se, sondern ein Film mit Horror-Elementen. Er ist auch wahrlich kein typischer Kevin Smith-Film – wenn dieser auch mit seinen letzten Filmen "Zack and Miri make a Porno" und vor allem "Cop Out" ohnehin verwässert hat, was ein "richtiger" Kevin Smith-Film ist. Stattdessen ist er ein schräger, nicht immer überzeugender Genre-Mix aus Horror, Thriller, Action, Satire, Drama und Komödie, und als solcher ein sehr eigenständiger und origineller, jedoch auch eigenwilliger Film, dessen unausgegorener Ton es wohl einigen – darunter auch mir – schwer machen wird, hineinzufinden und so richtig ins Geschehen einzutauchen. Am besten haben mir noch die amüsant-skurrilen Momente und Elemente gefallen – vor allem das ungewöhnliche Ende, welches auch direkt aus einem Film der Coen-Brüder entstammen könnte. Bevor ich hier jetzt aber Erwartungen schüre, die "Red State" bei weitem nicht erfüllen kann: Wirklich geglückt ist dieses Experiment von Kevin Smith in meinen Augen nicht.
Als besonders fatal erweist sich dabei für mich die Tatsache, dass es meines Erachtens an einer Identifikationsfigur mangelt, mit der man mitfühlen kann. Die drei Jugendlichen, die wohl am ehesten dazu gedacht waren, können diesem Anspruch leider nicht gerecht werden. Weniger wegen ihres geplanten erotischen Abenteuers – auch wenn ihr Wunsch nach einem flotten Vierer mit einer Frau, die ihre Mutter sein könnte, sicherlich nicht dabei hilft, dass ich mich mit ihnen identifizieren kann; andererseits habe ich auch nichts dagegen, wenn sie meinen, das wäre eine gute Idee – sondern da sie uns Kevin Smith nicht vorstellt. Er gibt uns keinen Grund, um in ihre Haut zu schlüpfen und mit ihnen mitzufühlen – weshalb man die ersten 30-45 Minuten als unbeteiligter Beobachter verfolgt, statt sich um ihr Wohlbefinden zu sorgen. Eben dies ist einer der Hauptgründe, das es "Red State" an Spannung leider arg vermissen lässt. Leider bietet auch der Arm des Gesetzes, hier vertreten durch einen Sheriff, einen Deputy, später dann aber in erster Linie durch das FBI, angeführt von Agent Keenan aka John Goodman, aufgrund ihrer rücksichtslos-brutalen Vorgehensweise keine Identifikationsfigur. Der größte Teil der zweiten Hälfte des Films wird von einer Schießerei zwischen FBI und den religiösen Fanatikern dominiert – und man ertappt sich dabei sich das ganze anzuschauen und sich zu fragen, zu welcher Seite man bei diesem Konflikt eigentlich halten soll. Es ist ungefähr so, als würde Adolf Hitler mit George W. Bush im Boxring stehen – man weiß natürlich, dass Hitler unbedingt verlieren muss, aber man tut sich schwer damit, Bush anzufeuern. Dadurch vermeidet Kevin Smith zwar gekonnt eine sonst so beliebte Schwarz-Weiß-Zeichnung und liefert ein angenehm zwiespältiges Bild dieses Konflikts – als Zuschauer wird man aber irgendwie zwischen den Fronten aufgerieben.
Generell hat mich "Red State" irgendwie ratlos zurückgelassen. Was genau wollte uns Kevin Smith mit diesem Film denn nun eigentlich sagen? Dass extreme, hasspredigende christlich-fundamentale Gruppierungen wie die Westboro-Church unter Fred Phelps, die hier offenkundig Pate gestanden sind, böse und gefährlich sind? Öhm… ja, danke, aber das hat die Mehrheit der Bevölkerung (selbst in den USA) und 100% der geistig zurechnungsfähigen Menschen auf diesem Planeten vorher auch schon gewusst. Selbst überzeugte Christen, welche womöglich dazu angehalten wären, mit Abin Cooper im Kern der Aussage übereinzustimmen, werden wohl schnell durch seine Taten abgeschreckt werden. Somit macht Kevin Smith hier nichts anderes, als zum Chor zu predigen. "Red State" ist ein Film für all jene, die Religion und religiösen Gruppierungen skeptisch, und menschenverachtenden religiösen Gruppierungen mit Verachtung gegenüberstehen. Für diese ist er ein klassischer "Feel Good"-Film; man wird in den eigenen Ansichten bestärkt, kann sich gegenseitig auf die Schultern klopfen und wissend zu Protokoll geben: "Wir haben es ja schon immer gewusst" (als würden dafür reale Geschehnisse aus Vergangenheit und Gegenwart nicht schon ausreichen).
Aus meiner Sicht wäre es um einiges riskanter, mutiger und aussagekräftiger gewesen, zu versuchen, uns zu Beginn auf die Seite der Kirche zu ziehen, um uns im weiteren Verlauf dann den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Zeigt uns, wie sie jene Menschen, die ihren Glauben teilen, unterstützen, es ihnen gelingt, diese auf ihre Seite zu ziehen. Wie sie es zunehmend leid sind, den Sittenverfall miterleben zu müssen. Lasst sie damit beginnen, die wirklich ganz abscheulichen Verbrecher, wie Kinderschänder und ähnliches Gesindel, zu bestrafen. Fangt uns in einen Strudel der Gewalt, um uns dann dadurch, dass man sich immer unschuldigeren Personen zuwendet, zu zeigen, wo so etwas unweigerlich immer hinführt. Das wäre um einiges prägnanter gewesen und hätte mehr Gesprächs- und Diskussionsstoff geboten. Stattdessen wirkt Cooper von Anfang an wie ein Wahnsinniger, ein Monster. Die Anziehungskraft, die er und seine Kirche auf seine Anhänger ausübt, bleibt uns gänzlich verborgen, und man kommt nicht umhin, ihn und seine Anhänger von Anfang an als Spinner abzutun – und wird bis zuletzt darin bestätigt. Die Stephen King-Verfilmung "Der Nebel" war (unter anderem) in diesem Aspekt um einiges erfolgreicher, da man sich nicht einfach damit begnügt hat, eine Fanatikerin zu präsentieren, sondern zudem auch hinter die Fassade von Glauben und Religionen geblickt und sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, worin deren Anziehungskraft besteht. Was die Leute dazu bringt, eine Person, die sie unter normalen Umständen als Spinnerin abgetan und belächelt hätten, zu huldigen, sie als Erlöserin auszurufen und ihr bereitwillig zu folgen. Es gab eine Spannungskurve. Hier ist die einzige Aussage, dass solche Fanatiker ein Rad abhaben. No na?! Worin die teilweise kolportierte, angeblich ach-so-mutige Aussage des Films stecken soll, muss mir jedenfalls erst mal jemand erklären…
Der einzige betreffend der Interpretation interessante Aspekt des Films liegt in meinen Augen in der Tatsache, dass "Red State" ein sehr wütender, hasserfüllter Film ist – über eine wütende, hasserfüllte Gruppierung. Wie Kevin Smith hier quasi Feuer mit Feuer bekämpft (bzw. sich dessen schuldig macht, was er im Film anprangert), entbehrt nicht einer gewissen Ironie, von der ich allerdings bezweifle, dass sie ihm bewusst war. Ich möchte "Red State" jetzt aber auch nicht krampfhaft schlecht reden. Auch wenn er mich etwas unbefriedigt und ratlos zurückgelassen haben mag, war er durchaus unterhaltsam, vor allem dank des immer wieder eingestreuten, skurrilen Humors – der zwar leider im Gegenzug dafür sorgt, dass kaum Spannung und Atmosphäre aufkommen, aber eben zumindest für Unterhaltung sorgt. Kevin Smith' Inszenierung ist grundsätzlich – von der mangelnden Atmosphäre abgesehen – sehr gelungen, wobei vor allem der Verzicht auf jegliche Filmmusik positiv auffällt. Er lässt Dialoge und Handlung für sich sprechen. Die größte Stärke liegt aber eindeutig in den schauspielerischen Leistungen – wobei hier neben John Goodman vor allem Michael Parks mit einer phantastischen Performance besticht.
Fazit:
"Red State" konnte mich leider nur bedingt überzeugen. Damit, dass es kein waschechter Kevin Smith-Film mehr ist, hat dies allerdings nichts zu tun. Ich halte es im Gegenteil sogar für äußerst positiv, dass Kevin Smith seine kreativen Fühler in andere, bisher von ihm nicht betretene filmische Pfade ausstreckt, statt sich damit zufrieden zu geben, sich nur ständig zu wiederholen. Schade nur, dass das Endergebnis einen etwas unausgegorenen Eindruck hinterlässt. "Red State" ist ein Film, der sich schwer kategorisieren lässt. Was ist er denn nun? Horror? Thriller? Groteske? Satire? Komödie? Drama? Actionfilm? Die Antwort auf diese Frage ist: Er ist alles davon, und zugleich nichts davon – zumindest nicht so richtig. Für einen Horrorfilm bzw. einen Thriller ist er – vor allem mangels einer Identifikationsfigur – nicht beängstigend, für eine Groteske/Satire nicht aussagekräftig, für eine Komödie nicht witzig, für ein Drama nicht bewegend, und für einen Actionfilm nicht spannend und packend genug. Statt sich darauf zu konzentrieren, einen unterhaltsamen Film zu machen, verliert sich Kevin Smith in seinem Zorn, und in einer zwar gefälligen, aber nur allzu bekannten Message, von der ich bezweifle, dass wir sie unbedingt von ihm hören bzw. vermittelt bekommen mussten, um sie zu verstehen. Demgegenüber steht der herrlich skurrile, teils an die Coen-Brüder gemahnende Humor, die großartigen schauspielerischen Leistungen, einige tolle Momente sowie generell die Tatsache, dass es "Red State" trotz aller Schwächen vermochte, mich gut – und stellenweise sogar glänzend – zu unterhalten. Eben dies macht "Red State" für mich zu einem interessanten, faszinierenden und angenehm ambitionierten Fehlschlag… aber eben nichtsdestotrotz zu einem Fehlschlag, der vor allem angesichts des vorhandenen Potentials doch etwas enttäuscht.