Kurzinhalt:
Joe verbringt gemeinsam mit seinem besten Freund Dan und dessen Freundin Parker ein mehr oder weniger entspanntes Schiwochenende in einem amerikanischen Wintersportgebiet. Da sie sich die Liftkarte nicht leisten wollen, wird Parker dazu abkommandiert, mit dem Liftwart zu flirten, damit er sie gratis mitfahren lässt – der Beginn einer unglücklichen Verkettung widriger Umstände, die dann schließlich dazu führt, dass sich die drei noch im Sessellift befinden, als der Betrieb eingestellt wird. Da das betreffende Schigebiet immer nur am Wochenende geöffnet hat, müsste man fast eine komplette Woche ausharren – eine Option, die mit zunehmender Kälte immer weniger verlockend wird. Als sich die drei der Ausweglosigkeit ihrer Situation bewusst werden, gilt es, eine Entscheidung zu fällen: Auf dem Sessellift ausharren und hoffen, dies ohne Verpflegung und trotz der Kälte zu überleben. Versuchen, über das rasiermesserscharfe Kabel bis zum nächstgelegenen Stützpfeiler zu klettern. Oder in die Tiefe zu springen…
Review:
"Frozen" ist ein Vertreter von gleich zweier Horror-Subgenres, die vor allem in den letzten Jahren populär geworden sind. Einerseits erzählt er die Geschichte von Personen, die auf sehr engem Raum quasi eingesperrt sind, andererseits kommt die Bedrohung hier nicht von wahnsinnigen Serienkillern oder übersinnlichen Phänomenen, sondern durch Mutter Natur, bzw. einer extrem beschissenen Situation, in der sich die Protagonisten wiederfinden. Als solcher weckt er unweigerlich Erinnerungen an den ebenfalls diese beiden Subgenres bedienenden "Open Water", dem er zwar zweifellos von der Grundidee her ähnelt – sich jedoch zugleich in ein paar wesentlichen Aspekten deutlich unterscheidet, die ihn für mich dann auch zum gelungeneren und empfehlenswerteren Vertreter machen.
Während man bei "Open Water" zwischendurch immer wieder von den zurückgelassenen Tauchern weggeschwenkt ist, um uns die Geschehnisse auf der Insel zu zeigen – wodurch man dem Zuschauer jedoch nicht nur kurze Verschnaufpausen gegönnt hat, welche die Spannung immer wieder unterbrachen, sondern worunter auch die Identifikation mit den Figuren gelitten hat, da die Illusion verloren ging, gemeinsam mit ihnen im Wasser zu treiben – bleibt Adam Green hier den ganzen Film über auf den drei im Sessellift "gestrandeten" Protagonisten, und NUR auf ihnen. Was abseits des Sessellifts passiert, bleibt uns genauso verborgen wie den drei dort gefangenen Studenten – wodurch wir uns stärker mit ihnen und ihrer misslichen Lage identifizieren. Zudem war "Open Water" ja auf HD-Camcordern gedreht, um damit den Realismus zu steigern (was jedoch durch die Schwenks weg von den zurückgelassenen Tauchern erst recht wieder vermasselt wurde) – worunter jedoch im Endeffekt die inszenatorische Qualität gelitten hat. "Frozen" verzichtet auf dieses Stilmittel, und präsentiert sich als waschechter Film, jedoch ohne dabei an Authentizität einzubüßen. Regisseur Adam Green und sein Kameramann Will Barratt finden genau die richtige Mischung aus klaustrophischen Nahaufnahmen, die uns quasi neben den Figuren im Sessellift sitzen lassen, und jenen, die uns die endlose Leere, von der sie umgeben sind, vermitteln, und dadurch die Ausweglosigkeit ihrer Situation verdeutlichen. Zudem entsteht durch die teils wunderschönen Naturaufnahmen ein herrlicher Kontrast zur düster-beklemmenden Situation, in der sie stecken.
Da Filme wie "Frozen" viel von ihrem Unterhaltungswert der Frage verdanken, wie die Protagonisten auf ihre Situation reagieren und welche Maßnahmen sie ergreifen, um sich daraus zu befreien, will ich auf die Handlung nicht weiter eingehen. Es sei lediglich festgehalten, dass es Adam Green gelingt, trotz des eingeschränkten Schauplatzes und der nicht minder eingeschränkten Möglichkeiten der drei Studenten, die Handlung über die volle Laufzeit hinweg spannend und packend zu gestalten. Sein Drehbuch ist sehr abwechslungsreich und mit einigen gelungenen Ideen gespickt, um die Spannung aufrecht zu erhalten – jedoch auch voller Dramatik, welche die Anspannung bis hin zur Feindseligkeit, welche die Ausweglosigkeit ihrer Situation mit sich bringt, verdeutlicht. Das Verhalten bleibt dabei immer realistisch und lebensnah. Man wird sich zwar bestimmt nicht in jeder Aussage und Tat wiederfinden, wird aber zumindest verstehen, warum die Figuren so handeln.
Adam Green's gelungene Charakterisierung trägt dabei viel zum Gelingen des Films bei. Vor allem nachdem sie auf dem Sessellift gefangen sind, lernen wir sie immer besser kennen. Green schafft es hier, sie uns Details aus ihrem Leben anvertrauen zu lassen, ohne dass es je gekünstelt oder konstruiert wirkt. Nicht zuletzt dadurch entsteht mit der Zeit eine starke Bindung zu den Figuren. Exemplarisch sei jener Moment genannt, als sich Parker Sorgen um ihren Hund macht, der zu Hause auf sie warten wird, und den sie in Gedanken bereits verhungern sieht. Vor allem als Haustierbesitzer kann man ihre Gefühle hier sehr gut nachvollziehen, und fühlt unweigerlich mit ihr mit. Durch solche kleine Details gelingt es Adam Green schließlich, die Figuren nicht einfach nur glaubhaft, sondern sympathisch zu machen, so dass wir wirklich mit ihnen mitfühlen. Neben ihm als Drehbuchautor und Regisseur haben natürlich auch die Schauspieler einen großen Anteil daran. Shawn Ashmore (die Ironie, dass er bei der X-Men-Trilogie just als "Iceman" im Einsatz war, sollte man geflissentlich ignorieren, und lieber den Film genießen) und Kevin Zegers schaffen es, uns glaubhaft das Gefühl zu vermitteln, hier zwei jahrelange Freunde zu sehen, zwischen denen es jedoch dank Parker neuerdings ein wenig kriselt. Die beste Leistung kommt aber ganz klar von Emma Bell, die eine ungemein natürliche und authentische Performance abliefert. Wenn es an "Frozen" überhaupt etwas zu kritisieren gibt, dann die sehr unwahrscheinliche (wenn auch sicher nicht unmögliche) Verkettung unglücklicher Umstände, durch die diese Misere erst ausgelöst wird. Wer jedoch wahnsinnige Serienkiller und übersinnliche Elemente als Bedrohung in Horrorfilmen akzeptieren kann, sollte (und dürfte) aber eigentlich auch damit kein Glaubwürdigkeits-Problem haben…
Fazit:
"Frozen" ist ein netter, kleiner, feiner Independent-Shocker, der statt Blut und Gewalt Spannung und Dramatik ins Zentrum rückt. Zugegeben, er mag nicht sonderlich gruselig sein, aber aufgrund der wenn auch recht unwahrscheinlich nichtsdestotrotz grundsätzlich möglichen Prämisse fand ich ihn um einiges beängstigender und erschreckender als so manchen 08/15-Horror voller billiger Schockeffekte. Adam Green schafft es, uns die Ausweglosigkeit der Situation spüren zu lassen. Auch ohne unmittelbare Bedrohung gelingt ihm eine atmosphärisch dichte Inszenierung, die zudem mit einigen wunderschönen Bildern aufwartet, welche einerseits die Einsamkeit und Isolation der Protagonisten unterstreicht, und andererseits die Düsternis ihrer Situation gelungen konterkarieren. Die gelungene Charakterisierung, welche uns die drei sehr glaubhaften Personen rasch sympathisch macht, sowie die guten bis sehr guten schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls maßgeblich dafür verantwortlich, dass man mit den Protagonisten mitfühlt und -leidet. Filmmusik und Sounddesign, welches einem vor allem mit guter Surround-Anlage einen kalten Schauer über den Rücken jagt, tun ihr übriges, um "Frozen" zu einem kleinen Highlight dieses Horror-Subgenres zu machen.