Mit: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Tom Hiddleston, Anthony Hopkins, Stellan Skarsgard, Kat Dennings, Clark Gregg, Rene Russo u.a.
Kurzinhalt:
Die Wüste in New Mexico. Schon oft war sie der Schauplatz überirdischer Ereignisse. Schon oft war sie die Kulisse geheimer Experimente in den Filmen Hollywoods. Hier nun treffen wir auf drei Forscher, die seltsamen Wetterphänomenen auf der Spur sind. Angeführt von Jane Foster (Natalie Portman) rasen Erik Selvig (Stellan Skarsgård) und Darcy Lewis (Kat Dennings) mit ihrem Mobil über Sandpisten in Richtung eines sich formenden Tornados. Kaum angekommen, will Jane natürlich in bester Twister-Manier ins Auge des Sturms fahren und prompt stoßen sie mit einer Gestalt zusammen, die dort eigentlich nichts verloren hat. Ein Mann, scheinbar direkt dem Tornado entstiegen, zunächst orientierunglos und Namen aus alten nordische Mythen gen Himmel rufend, erschreckt Darcy derart, dass sie ihn kurzerhand mit ihrem Taser lahmlegt. Zuvor droht er ihr und sagt, sein Name sei Thor…
Michael Spieler
Review von Christian Siegel:
Von allen Marvel-Helden, die uns bisher in den Prä-"Avengers"-Filmen vorgestellt wurden, hatte es "Thor" wohl am Schwersten. Immerhin ist es doch ein gewisser "sense of disbelief"-Sprung zwischen den eher bodenständigeren Helden wie Iron Man (Mann in einem fortschrittlichen Anzug), Black Widow (Kampf-Amazone), Captain America (Forschungs-gepimpter Supersoldat) und Hulk (Forschungs-gepimptes Unikum) hin zu einem Gott. Grundsätzlich habe ich natürlich auch mit solchen phantastischeren Figuren und Welten kein Problem, wenn sie nur gut umgesetzt werden – dennoch war ich skeptisch, ob bzw. inwieweit es gelingen würde, diese mit dem bisher bekannten filmischen Marvel-Universum in Einklang zu bringen. Aber, nordischer Gott sei Dank: Meine Skepsis erwies sich als unbegründet. Entscheidend waren hierfür zwei wesentliche Aspekte/clevere Schachzüge. Einerseits beruft man sich auf das bekannte Zitat von Arthur C. Clarke, dass jede hinreichend fortschrittliche Technologie von Magie nicht zu unterscheiden sei – wodurch man die "sense of disbelief"-Lücke quasi im Handumdrehen schließt. Und andererseits die starke Verknüpfung zu den bisherigen Marvel-Filmen, die sich hier zum ersten Mal als echte Stärke erweist und viel dazu beiträgt, dass man "Thor" im Kontext des filmischen Marvel-Universums akzeptiert.
Auch beim Casting hat man – wie bisher bei fast allen Marvel Studios-Filmen – wieder ein glückliches Händchen bewiesen. Chris Hemsworth erweist sich – nun da Dolph Lundgren für die Rolle wohl doch schon etwas zu alt ist – als exzellente Besetzung des göttlich-nordischen Hünen, und bringt neben seiner stattlichen Größe und ordentlich Muskeln auch erfreulich viel schauspielerisches Können in die Rolle ein. Für Odin hätte man wohl auch kaum einen besseren Schauspieler finden können als Anthony Hopkins; immerhin braucht es für solch eine Rolle jemanden, der Autorität, Erfahrung, Weisheit und Stärke ausstrahlt, und zudem über die notwendige Leinwandpräsenz verfügt. Auch Natalie Portman ist hier so gut wie eigentlich fast immer (Ausnahmen wie "Star Wars – Episode I: Die dunkle Bedrohung" bestätigen die Regel). Egal ob anspruchsvolles Meisterwerk wie "Black Swan" oder solch ein Blockbuster, sie füllt ihre Rollen immer mit einer bestechenden Natürlichkeit – sowie ihrer bezaubernden Schönheit – aus. Auch wenn die Chemie mit Hemsworth nicht 100%ig stimmen mag und es etwas an Funkensprühen vermissen lässt, ist ihre Performance einer der Hauptgründe dafür, dass die im Zentrum stehende Liebesgeschichte trotz der überhasteten Handlung (dazu gleich noch mehr) noch ansatzweise plausibel bleibt. Vor allem die Blicke, die sie Hemsworth immer wieder zuwirft (z.B. am Lagerfeuer) zeigen, wie fasziniert sie von diesem außergewöhnlichen Mann (oder Gott) ist. Dass es sie, wie man im Volksmund so schön sagt, "erwischt" hat, nimmt man ihr in diesen Momenten jedenfalls problemlos ab. Von den Nebenrollen stach für mich in erster Linie die eher im Indie-Bereich tätige, wunderbare Kat Dennings mit einer amüsant-lockeren Performance hervor, und auch Agent Coulson aka Clark Gregg bekommt hier endlich etwas mehr zu tun. Unter Thors Kampfgefährten fällt vor allem Jaimie Alexander positiv auf, und Rene Russo überrascht mit ihrem ersten filmischen Auftritt seit 2005. Einzig Stellan Skarsgård wirkt hier leider etwas verschwendet.
Die mit Abstand beste Leistung des Films kommt aber von Tom Hiddleston. Sein Loki ist – nicht zuletzt dank seiner Performance – der bisher beste Bösewicht der Marvel Studios-Filme. Gerissen, heimtückisch, bedrohlich, jedoch dabei auch erstaunlich und angenehm komplex und keinesfalls durch und durch verdorben und böse, sondern sehr wohl mit Bedenken und Bedauern. Ein würdiger Gegenspieler für Thor, dessen Handlung (und Wandlung) im Film mir sogar noch um einiges besser gefallen konnte als jene des Titelhelden. Ein wunderbar geschriebener Bösewicht, der aber eben auch von Hiddleston perfekt verkörpert wird, vor allem da es diesem wunderbar gelingt, Lokis Zwiespalt überzeugend zu vermitteln, so dass er trotz all seiner Taten doch nie gänzlich all meine Sympathien verloren hat. Man kann trotz allem durchaus mit ihm mitfühlen, und hofft bis zuletzt auf eine Läuterung. Positiv auch, dass man uns über sein weiteres Schicksal – wie man das von den Filmen von Marvel Studios mittlerweile ja fast gewohnt ist – im Ungewissen lässt, und sich damit die Tür für eine Rückkehr offen lässt. Und die – mit Abstand bisher beste – Nach-Abspann-Szene macht definitiv Lust auf den "Avengers"-Film.
Als bekannt wurde, dass Kenneth Branagh die Regie für "Thor" übernehmen würde, waren einige – mich eingeschlossen – überrascht. Dass jemand, der zuvor u.a. "Hamlet" inszeniert hat, sich nun an einer Comic-Adaption versucht, hätten wohl damals nur die wenigsten für möglich gehalten. Im Endeffekt erweisen sich Regisseur und Material aber als wie für einander geschaffen – steckt doch in "Thor" definitiv ein Hauch von Shakespeare. Und ich meine dem Film auch anzumerken, dass sich Branagh in Asgard ganz besonders wohl gefühlt hat. Die entsprechenden Szenen sind definitiv auch die optisch imposantesten, mit den Weltraumnebeln im Hintergrund, bzw. auch generell dem beeindruckenden Design der Stadt der Götter. Hier lohnt es sich auch, dass viele Schauplätze als Sets gebaut wurden, statt überwiegend auf digitale Elemente zurückzugreifen. Die Kostüme sind ebenfalls angemessen opulent gestaltet, und das viele Gold in Asgard vermittelt unterbewusst ein Gefühl von Wohlstand und Adel. Die Effekte sind – bis auf den Wächter, der in den späteren Szenen auf der Erde, im unerbittlichen Sonnenlicht New Mexicos, seine Künstlichkeit nicht länger verbergen kann, und im Vergleich zu den anderen Figuren und dem Hintergrund unangenehm heraussticht – makellos, wobei auch hier vor allem wieder die Szenen in Asgard beeindrucken können. Und Patrick Doyle, der bereits jahrelang mit Kenneth Branagh zusammenarbeitet und dem Genre-Fan vor allem als Komponist des Soundtracks zu "Harry Potter und der Feuerkelch" ein Begriff ist, erweist sich mit seiner gewohnt gefälligen Mischung aus pompösen und stilleren-emotionalen Melodien als passende Wahl für die Filmmusik – wenn er auch meines Erachtens nicht ganz an Alan Silvestris Kreation für "Captain America" herankommt.
Der einzige Schwachpunkt an "Thor" ist leider die Handlung – und meine ich nicht die Geschichte an sich, ist diese doch durchaus komplex, wendungsreich und spannend, sondern das Tempo. Dieses ist nämlich – aufgrund der Tatsache, dass man den Titelhelden für den anstehenden "Avengers"-Film an einen bestimmten Punkt bringen musste, und dafür nur einen Film Zeit hatte – viel zu überhastet, weshalb einige Wendungen und Entwicklungen längst nicht die gewünschte Wirkung entfalten können. Bezeichnend: In einem Film mit Göttern, Wurmlöchern, Eisriesen und ähnlichen Fantastereien ist das unglaubwürdigste Element Thors schnelle Läuterung. Binnen weniger Tage wandelt er sich von einem arroganten und überheblichen Gott hin zu einem edlen, gutmütigen Menschen, der bereit ist, sich für seine Freunde und die Menschheit aufzuopfern. Auch die Liebesgeschichte zwischen Thor und Jane leidet erheblich darunter, dass sich beide erst sehr kurz kennen, und auch vergleichsweise wenig Zeit auf der Leinwand teilen dürfen; was es schwer macht, ihre Gefühle füreinander nachzuvollziehen, und damit auch das Ende des Films an emotionaler Wirkung beraubt.
Fazit:
Der erste filmische Einsatz des Donnergottes hat mich durchaus positiv überrascht. War ich zu Beginn skeptisch, wie sich diese doch noch einmal um einiges phantastischere Figur ins restliche filmische Marvel-Universum einfügen würde, erwies sich "Thor" als echte Bereicherung. Nicht nur bringt er viele neue faszinierende Figuren – allen voran den Titelhelden sowie seinen Bruder Loki, der sich als der bisher beste Bösewicht der Marvel-Filme erweist – ins Spiel, durch die Geschichte auf galaktischer Ebene wird der Einsatz erhöht und das bisher auf die Erde reduzierte Universum erweitert. Als wesentliche Stärken erweisen sich dabei insbesondere die packende, wendungsreiche Geschichte, die stilvolle Inszenierung von Kenneth Branagh, sowie die kompetenten Darstellerleistungen, wobei vor allem Chris Hemsworth und Tom Hiddleston hervorstechen. Die Effekte sind überwiegend makellos, und einige der Szenen im Weltraum optisch imposant und beeindruckend. Eine höhere Wertung wird lediglich dadurch verhindert, dass die Geschichte doch etwas zu überhastet erzählt wird, und nicht ganz jene Luft zum Atmen bekommt, die sie gebraucht und sich auch verdient hätte – was leider sowohl die Bedeutsamkeit als auch die emotionale Wirkung einiger Szenen stark reduziert. Davon abgesehen hat sich der Donnergott bei seinem cineastischen Einstieg aber definitiv als würdig erwiesen, die filmische Tradition der Marvel Studios fortzuführen, und im kommenden "Avengers"-Film Seite an Seite mit den anderen Helden seinen Hammer zu schwingen.
Wertung:7 von 10 Punkten
Christian Siegel
Review von Michael Spieler:
Die neueste Marvel-Verfilmung entstammt der Schmiede des Shakespeare-Regisseurs Kenneth Branagh, der dem deutschen Publikum in sechs Folgen als Kommissar Wallander in seiner Tätigkeit als Schauspieler auch neben seinen etlichen Hollywoodrollen und Regiearbeiten bekannt sein dürfte. Er zaubert ein visuelles Spektakel auf die Leinwand, das einen fast glauben lässt, dies wäre der erste Popcornstreifen diesen Jahres, obwohl für uns in Deutschland natürlich "TRON: Legacy" im Januar schon diesen Platz einnimmt. Wo sich beide im visuellen Stil das Wasser reichen, bleibt "Thor" in der 3D-Umsetzung leider auf der Strecke. War 3D bei "TRON: Legacy" nicht nur explizites Stilmittel um zwischen realer und Computerwelt unterscheiden zu können und die Umsetzung nahe an der Referenz, die James Cameron mit "Avatar - Aufbruch nach Pandora" abgeliefert hat, wirkt es bei "Thor" aufgesetzt. Der Effekt ist oftmals kaum spürbar, so dass man sich fragt, wozu man die lächerlichen Brillen trägt und bei mir war es seit Langem auch mal wieder relativ kopfschmerzig. Der Effekt trägt zum Film tatsächlich nichts bei und erweckt den Eindruck, dass das Studio-Marketing den 3D-Aufkleber um jeden Preis auf die Plakate klatschen wollte. Es ist auch seltsam, da der Film visuell extrem stilvoll ist und dem Zuschauer viel bietet, an dem sich die Augen satt sehen können - ganz ohne halbgares 3D.
Comicheldenverfilmungen. Mag man die beiden "Iron Man"-Filme, mag man "Der unglaubliche Hulk" und den noch kommenden "Captain America", dann mag man auch "Thor". Marvel hat sich durch halbversteckte Easter-Eggs und Cameoauftritte viel Mühe gemacht, um ein glaubwürdiges, filmübergreifendes Universum zu schaffen und wird somit schon automatisch die Fans anziehen. Aber auch für den gänzlich unvertrauten Kinobesucher, kann der Film funktionieren, schliesslich spielt es gar keine Rolle, ob "Thor" ein Comicheld ist, oder nicht. Seine ganze Geschichte, alle handelnden Figuren entspringen dem nordischen Mythos und es funktioniert die “technologisch oder zivilisatorisch höherentwickelte Wesen wurden auf der Erde als Götter verehrt”-Sichtweise hier ganz genauso, wie bei "Stargate", "Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels" oder selbst "Alien vs. Predator". Der Film lohnt nicht nur wegen einem Ausflug in die nordische Mythologie sondern auch wegen dem Spaß und ja, auch der Action. So sehr es ernste eindringliche Szenen beispielweise zwischen Vater und seinen Söhnen gibt, gibt es auch wirklich lustige Momente, die die Stimmung auflockern und den Film neben seinem fantastischen Spielort Asgard, im wahrsten Sinne des Wortes, erden.
Die Szenen am königlichen Hofe Asgards sind inszeniert wie eine Shakespeare-Aufführung: sehr detailliert, voll großer Gesten und großer Worte. Die Dialoge geschliffen und etwas gestelzt formuliert. Immer aus einer der Figur entsprechenden Haltung heraus. Chris Hemsworth leistet als Thor hier neben Anthony Hopkins als Odin gute Arbeit und hat sich von seinem Respekt als Neuankömmling in Hollywood nicht übermannen lassen. Genrefans ist er v.a. als Kirks Vater George Kirk aus "Star Trek" von 2009 im Gedächtnis. Dies ist seine erste Hauptrolle. Natalie Portman spielt mit einer erfrischenden Leichtigkeit, eigentlich so wie jede ihrer Rollen. Sie schlüpft in die Jane hinein und ist sie. Langsam glaube ich abgedroschen zu klingen, aber die Chemie stimmt. Thor und Jane sind kein einfaches Liebespaar, mehr von dem Typ: zufällig zusammengestossen und haftengeblieben. Weder ist die Beziehung der beiden zueinander besonders dramatisch mit endlosen Hochs und Tiefs (kein Rollercoaster-Ride) noch ist sie unglaubwürdig. Es prickelt auf einer intellektuellen Ebene zwischen den beiden. Schließlich verkörpert Thor all das, was Jane versucht als Forscherin zu begreifen.
Langsam verdichtet sich das Netz der Marvel-Helden auf der Leinwand für ein Aufeinandertreffen im Film "The Avengers", der sich gerade im Dreh befindet. Wer sich an "Iron Man 2" erinnert und bis nach den Endcredits sitzenblieb - was im Übrigen bei ALLEN Marvelverfilmungen für Comicinsider eine Empfehlung ist - wird sich an den "Thor"-Teaser erinnern - eine Szene, wie sie auch im tatsächlichen Film stattfindet. S.H.I.E.L.D. hat in Person von Agent Phil Coulson (Clark Gregg) einen ersten ausgedehnten Auftritt - in "Iron Man" war er ja gerade noch mit Namensfindung beschäftigt und nur am Ende mit von der Partie. Es bleibt spannend bis 2012 und darüberhinaus.
Fazit:
Popcornunterhaltung erster Güte. Ein Muss sowohl für Genre- und Marvel-Fans als auch Freunde des gepflegten Sci-Fi-Action-Abenteuers. Perfekt für einen verregneten Kinoabend oder nach einem Tag voller Sonnenbrandgefahr.