Die Tops und Flops des AbendsKategorie: DVD & Kino - Autor: Christian Siegel - Datum: Montag, 28 Februar 2011
Oscar-Verleihung 2011
Und wieder ist eine Oscar-Verleihung über die Bühne gegangen. Richtig große höhe- und Tiefpunkte waren dieses Jahr zwar rar gesät, trotzdem nun anbei meine ganz persönlichen Tops und Flops der 83. Academy Awards!
Flop: Zu wenig Zeit für die Oscar-Hosts
Es schmerzt mich wirklich, Anne Hathaway und James Franco, die meines Erachtens alles in allem einen guten Job gemacht haben, hier indirekt unter den Flops zu vermerken. Ich fand die Chemie der beiden definitiv besser als letztes Jahr bei Steve Martin und Alec Baldwin, und ihre wenigen Gags sehr gelungen – vor allem die Gesangseinlage von Anne Hathaway sowie James Franco im Marylin Monroe-Outfit (und angeblich einer SMS von Charlie Sheen). Aber, das Wort "wenige" dürfte es schon verraten: Die Showproduzenten räumten ihnen viel zu wenig Zeit auf dem Fernsehschirm ein, um die Verleihung auch wirklich zu prägen und mit Witzchen amüsant durch den Abend zu führen. Wo in den Vorjahren die Hosts nach dem kurzen Einführungsclip meist noch ein paar Minuten lang mit (dieses Jahr Gott sei Dank ausgesparten) Musical-Einlagen oder eben Gags über die Nominierten und Anwesenden für gute Laune sorgen durften, bekamen Anne und James nur mehr kurz Gelegenheit, ihre Mütter bzw. Großmütter vorzustellen, und schon mussten sie die Bühne für Tom Hanks und die ersten Awards des Abends freimachen. Auch danach traten sie leider kaum mehr in Erscheinung. Ewig schade drum! Denn in den wenigen gelungenen Momenten hatte ich wirklich das Gefühl, dass in dieser Paarung viel komödiantisches Potential steckte…
Top: Das Intro - You've been inception'd!
Der Intro-Clip zu Beginn der Oscar-Gala, mit Parodien zu den nominierten Filmen, ist in den letzten Jahren zu einer Art Fixpunkt geworden – und 2011 bot dieser wirklich einen gelungenen, amüsanten Einstieg, der gut und gerne der beste seit Billy Crystals genialem Einspieler bei der Oscar-Verleihung 2004 (klick) gewesen sein mag. Schon allein der Tanz der "braunen Ente" oder auch „Mr. Baldwin!“ „Please, call me Mr. Baldwin“ waren genial, und auch davor hatte der Clip schon einige witzige Momente zu bieten. Und das Ganze dann mit einem Genre-Movie wie "Zurück in die Zukunft" zu beenden, war ja wirklich mal eine nette Geste an die ganzen Nerds da draußen. Ich fand den Clip jedenfalls höchst gelungen und sehr unterhaltsam! Wer die Verleihung verpasst und sich gerne selbst ein Bild machen will, kann ihn sich übrigens hier nochmal in Ruhe ansehen…
Flop: Der zum 8. Mal des Oscars beraubte Roger Deakins
So sehr ich mich für Wally Pfister freue, der eigentlich letztes Jahr für "The Dark Knight" schon gewinnen hätte müssen, aber… dass der geniale Roger Deakins nun schon zum 8. Mal leer ausging, war für mich die größte Enttäuschung dieser Oscar-Nacht. Unter jenen Filmen, für deren Kameraarbeit er zwar nominiert wurde, aber eben jeweils nicht gewann, finden sich so prominente Einträge wie "Die Verurteilten", "Fargo – Blutiger Schnee", "No County for Old Men" und "Die Ermordung von Jesse James durch den Feigling Robert Ford" – für jeden davon hätte er sich den Award verdient gehabt, und als ich die erste Szene von "True Grit" sah, war ich mir sicher, dass es sich diesmal ausgehen würde, aber leider… Bleibt nur zu hoffen, dass sich die Academy nicht mehr allzu lange Zeit lässt und ihn bei nächster Gelegenheit nun endlich für seine grandiosen Leistungen – und seine Geduld – belohnt!
Top: Presenter
Sie sorgten leider bei der diesjährigen Verleihung für mehr Lacher als die aufs Mindestmaß zurechtgestutzten Hosts: Die Verkünder der Nominierungen und Sieger. Aus der hochkarätigen Riege an witzigen Presentern, die u.a. Robert Downey Jr. & Jude Law, Jake Gyllenhaal und Sandra Bullock umfasste, stachen dabei für mich vor allem Billy Crystal (der etwas vom Glanz früherer, längst vergangener doch nicht vergessener Tage in die Verleihung brachte!) und Kirk Douglas hervor. Letzteren konnte ich zwar aufgrund seines altersbedingten Nuschelns kaum verstehen, aber ich fand es schön, diese Legende noch einmal auftreten zu sehen (nicht falsch verstehen, ich wünsche ihm noch viele gesunde Jahre, aber realistisch betrachtet mag es gut und gern das letzte Mal gewesen sein). Vor allem aber, wie genüsslich er die Verkündung der "Besten Nebendarstellerin" hinausgezögert hat, war klasse. Gemein, aber klasse…
Flop: Spoiler
Die Clips und kurzen Einspieler der nominierten Filme waren äußerst fragwürdig gewählt. So sah man nicht nur, (Achtung, Spoiler zu "Inception"!) wie sich Marion Cotillart in die Tiefe stürzt (Spoiler Ende), oder zeigte uns den Streit zwischen Annette Bening und Julianne Moore aus "The Kids Are All Right", der ebenfalls eine größere Wendung des Films vorwegnahm, sondern zeigte uns sogar kurz das Ende aus "True Grit", als (Achtung, Spoiler!) Mattie Ross Tom Chaney erschießt (Spoiler Ende)). Nun mal ehrlich, was soll das? Zugegeben, mir könnt’s ja eigentlich ziemlich egal sein, da ich die besagten Filme ohnehin schon kannte; es soll aber auch Leute geben, die es noch nicht geschafft haben, sich alle Nominierten anzusehen. Für diese soll die Oscar-Verleihung mit ihren Clips eine gute Werbung sein und einen Eindruck der nominierten Filme vermitteln, aber doch bitte schön nichts verraten! Ich finde, hier hätte die Academy sorgfältiger auswählen sollen. Die kurzen Auszüge aus "Inception" und "True Grit" hätten genauso gut durch andere Szenen ersetzt werden können, und auch für Bening hätte sich ein anderer Clip für ihre Nominierung finden lassen (wie z.B. den Streit im Restaurant). Shame on you, Academy!
Top: Bühnengestaltung
Man wolle die Zuschauer mit Hilfe einer virtuellen Bühne in die Welt des Kinos entführen, meinten die Veranstalter vor der Verleihung. Und auch wenn man das eine oder andere am digitalen Bühnenbild sicherlich noch verbessern kann, ist das Ergebnis im Großen und Ganzen gut gelungen. Auch die Motive wurden gut und abwechslungsreich ausgewählt, und reichten von den Ur-Tagen der Oscars bis hin zu moderneren Werken wie „Shrek“ und „Herr der Ringe“. Eine besonders nette Idee fand ich, wie man den legendären Oscar-Host Bob Hope mit Hilfe der holographischen Darstellung wieder kurz zurück unter die Lebenden und auf die Bühne holte. Wie gesagt, es mag noch nicht ganz perfekt gewesen sein, aber von mir aus kann man diese Idee auch in den nächsten Jahren gerne beibehalten und weiterverfolgen!
Flop: Natalie Portman hat mich in ihrer Dankesrede nicht erwähnt!
WTF?!?!*
…
* = Ich schwöre übrigens hiermit feierlich, dass dies das letzte Mal war, dass ich euch mit meiner Natalie Portman-Obsession belästigt habe!
Top: Flüssig und schnell, ohne unzeremoniell zu wirken
Irgendwann um halb 5 fiel mir auf, dass jetzt nur mehr 6 Kategorien fehlen, und ich war vom hohen Tempo doch ziemlich überrascht. Von den zurückgestutzten Hosts mal abgesehen ist es der Academy meines Erachtens dieses Jahr wirklich gut gelungen, die Verleihung überschaubar zu halten und flüssig zu gestalten, ohne dabei zu viel an Glanz und Glamour einzubüßen. Es gab weder so fragwürdige Aktionen wie die "Drive-In"-Oscars vor ein paar Jahren, noch wurden Dankesreden zu penetrant mit dem Orchester von der Bühne vertrieben. Vor allem die Tatsache, dass viele Presenter gleich mehrere Awards übergaben, sowie der Verzicht auf jegliche Montagen (bis auf einen kurzen Clip mit zusammengeschnittenen "Musik-Videos"; wobei „He doesn’t own a shirt“ einer der besten Gags des Abends war) halfen wohl dabei, die Laufzeit kurz und knackig zu halten. Vor allem fand ich es auch positiv, dass man nicht so wie im Vorjahr den "Besten Film" vor lauter Zeitdruck fast beiläufig verkündet und sich dann bemüht hat, das Ganze auch ja hinter sich zu bringen, sondern mit dem "Somewhere over the Rainbow"-Kinderchor, der die noch einmal gesammelt auf die Bühne kommenden Oscar-Gewinner begleitet hat, der 83. Oscar-Verleihung einen stimmigen, runden und gelungenen Abschluss gegönnt hat.
Flop: Keine Überraschungen
Die 83. Oscar-Verleihung brachte überwiegend Favoriten-Siege, wirklich große Überraschungen blieben diesmal aus. Dies bedeutet zwar, dass ich mit 17 von 24 Kategorien beim Oscar-Tippspiel wieder recht erfolgreich war – was mich durchaus freut – ist aber wohl auch für den Eindruck verantwortlich, dass bei der diesjährigen Verleihung die ganz großen Höhepunkte gefehlt haben, und sie mir wohl insgesamt – von wenigen Details mal abgesehen – nicht lange in Erinnerung bleiben wird. Auch wenn es einem den Schnitt zusammenhauen mag, und man sich gelegentlich darüber ärgert, wenn ein großer persönlicher Favorit völlig überraschend doch den kürzeren zieht, sind genau diese überraschenden Momente jenes Salz, dass die Oscar-Suppe erst so richtig schmackhaft machen. Die Verleihung 2011 hätte definitiv etwas mehr Salz vertragen können…
Top: Dankesreden
Zwar hielten sich dieses Jahr die wenigsten an die 45-Sekunden-Vorgabe – einiger überzogen sogar schamlos und ließen sich selbst vom aufspielenden Orchester nicht beirren (*hüstel* Alan Sorkin *hüstel*), aber dafür waren die Dankesreden bei der diesjährigen Oscar-Verleihung (mit einer Ausnahme: Liebe Coleen Atwell, man sollte meinen, beim 3. Oscar-Erfolg ist es nicht mehr notwendig, die Rede von einem Zettel runterzulesen!) teilweise wirklich grandios, abwechslungsreich, witzig und mit sehr viel Stil. Charles Ferguson, der Gewinner für den besten Dokumentarfilm, verwies auf die Ungerechtigkeit, dass die Verantwortlichen der letzten Finanzkrise nach wie vor auf freiem Fuß sind, und auch sonst gab es unter den weniger bekannten Siegern einige Highlights (wie z.B. der Gewinner des Kurzfilm-Oscars, der mit wuscheligem Kopf die Bühne betrat und selbstkritisch meinte „I should have gotten a haircut!“, nur um kurz darauf seiner Mutter für’s Catering beim Film zu danken). Vor allem auch die prämierten Schauspieler und –innen überzeugten. Christian Bale zeigte sich erstaunlich emotional, Colin Firth gab sich sehr eloquent und überzeugte mit trockenem britischen Humor, Natalie Portman sorgte trotz einer etwas zurückhaltend-kontrollierten Rede (hier hätte ich mir wirklich etwas mehr leidenschaftlichen schwarzen Schwan statt nur den "perfekten" weißen Schwan gewünscht) für den emotionalen Höhepunkt des Abends (zumal es neben "Beste Kamera" die einzige Kategorie war, in der ich wirklich mitgezittert habe; ja, sie mag mir das Herz gebrochen haben**, aber ich gönne ihr diesen Erfolg trotzdem!).
Absolutes Highlight war aber definitiv Melissa Leo’s Rede, in der ihr doch tatsächlich – zum ersten Mal in der Geschichte der Oscar-Verleihung! – das F-Wort rausgerutscht ist („When I watched Kate two years ago, it looked so f***ing easy!“), was dann nicht nur von James Franco und Anne Hathaway auch gleich für einen ihrer wenigen spontanen Gags genutzt („Welcome to the young and hip Oscars!“), sondern auch von Christian Bale (auf sehr selbstironische Art „Melissa… I’m not gonna drop the F-Bomb like she did; I’ve done that plenty before“ – in Anspielung an seinen berühmten Ausraster am Set von "Terminator: Die Erlösung") und "The King’s Speech"-Drehbuchautor David Seidler („I wanna thank the Queen for not putting me in the Tower of London for using the Melissa Leo F-word.“). Sie sorgte damit nicht nur für den Höhepunkt des Abends, sondern hat mit ihrem Ausrutscher auch der restlichen Verleihung eindeutig ihren Stempel aufgedrückt.
** = ok, ich hab gelogen…
Und jetzt entschuldigt mich bitte, ich geh‘ dann mal und schau mir die beiden Oscar-prämierten Meisterwerke "Alice im Wunderland" und "Wolfman" an, die - und das sollte uns allen zu Denken geben! - gemeinsam so viele bzw. mehr Oscars geholt haben, als "Black Swan" (1), "127 Hours" (0) und "True Grit" (0)…