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True Grit Drucken E-Mail
Doppelreview zum Western der Coen-Brüder Kategorie: Filme - Autor: M. Spieler | C. Siegel - Datum: Sonntag, 27 Februar 2011
 
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True Grit
(True Grit, USA 2010)
 
True Grit
Bewertung:
Studio/Verleih: Skydance Productions/Paramount Pictures
Regie: Joel & Ethan Coen
Produzenten: U.a. Scott Rudin, Steven Spielberg, Joel & Ethan Coen
Drehbuch: Joel & Ethan Coen, nach dem Roman von Charles Portis
Filmmusik: Carter Burwell
Kamera: Roger Deakins
Schnitt: Joel & Ethan Coen
Genre: Western
Kinostart (Deutschland): 24. Februar 2011
Kinostart (USA): 22. Dezember 2010
Laufzeit: 110 Minuten
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Trailer: Trailer 1, Trailer 2
Kaufen: Blu Ray (noch nicht verfügbar), DVD (noch nicht verfügbar), Soundtrack, Roman
Mit: Jeff Bridges, Hailee Steinfeld, Matt Damon, Josh Brolin, Barry Pepper u.a.


Kurzinhalt: Die erst 14-jährige Mattie Ross wurde Zeuge, wie ihr Vater von einem Banditen namens Tom Chaney erschossen wurde und vor ihren Augen starb. Nun schwört sie auf Rache. Nachdem sie sich um die Beerdigung gekümmert und die letzten Angelegenheiten ihres Vaters erledigt hat, schnappt sie sich das restliche Geld, um einen Marshall anzuheuern, der Chaney verfolgen und zur Rechenschaft ziehen soll. Durch den örtlichen Sheriff wird sie auf Rooster Cogburn aufmerksam, der sich zwar als Trunkenbold offenbart, aber dafür über eine Qualität verfügt, die man nicht bei jedem Mann findet: „echten Schneid“ (True Grit). Doch auch der Texas Ranger LaBoeuf, der Chaney schon seit Monaten verfolgt, wird auf die beiden aufmerksam, und beschließt, sich ihnen anzuschließen. Zu dritt macht man sich auf die Suche nach Chaney, und nach Gerechtigkeit…
Christian Siegel


Review von Michael Spieler: ImageEchten Schneid haben sie, die Gebrüder Coen. Auch wenn sie mit ihrem Remake einer Buchadaption vorzüglich in die Reihe von Sequels von Sequels von Comicserien, basierend auf Kinderspielzeug u.ä. passen, die dieser Tage in Hollywood an der Tagesordnung sind, schaffen sie es, diesem über vierzig Jahre alten Stoff neues Leben einzuhauchen. Ausserdem ist es eher ungewöhnlich ein Wild-West-Szenario in purer Form auf Film zu bannen, derer es - im Vergleich zu John Waynes Zeiten - jährlich kaum eine handvoll gibt. Alle paar Jahre sticht ein Western heraus. Sei es "Schneller als der Tod" (1995), "Maverick" (1997) oder "Todeszug nach Yuma" (2007). Die Geschichte um den kautzigen U.S. Marshall Rooster Cogburn, der erst schießt und dann Fragen stellt, gehört zum Werk von Charles Portis, der mit seinen zutiefst amerikanischen Erzählungen von Kritikern teilweise in einer Reihe mit Hemingway und Twain genannt wird.

Den Schauspielern gelingt es trotz der klaren zeitlichen Einordnung, den Film sehr modern wirken zu lassen. Trotz des oft eher hingerotzten Südstaatenvokabulars mit entsprechend schwerem Akzent und Genuschel, könnten die Figuren auch in der Fortsetzung von "No Country For Old Men" mitspielen, würde man ihre Pferde durch Motorräder ersetzen. Die Figuren handeln realer, als in klassischen Western - es gibt wenige übertrieben große Gesten oder weise Ansprachen vom gestriegelten Pferd herunter. Auch die unvermeidlichen Shoot-Outs haben einen Hauch von modernen Thrillern, weniger von Knallfrosch-Rauch-Dramatik. Leider habe ich es nicht geschafft mir die Erstverfilmung noch vor Start der Neuauflage oder dem Schreiben dieses Textes anzusehen, "Der Marshal" wurde im Zuge des neuen Films kürzlich neu aufgelegt und ist auch auf BluRay zu haben & damit sicher einen HD-Blick wert. Da wir gerade dabei sind: im iBook-Store gibt es derzeit einen kurzen Comic von Paramount, der den Prolog des Films einfängt, in drei Sprachen kostenlos zum Download.

ImageHerausragend ist in diesem Film das Schauspiel von Hailee Steinfeld, die mit "True Grit" zugleich ihr Schauspieldebut abliefert. Sie schafft es, die Entschlossenheit, den Charme und die Gewitztheit der Matti Ross glaubwürdig rüberzubringen. Damit sticht sie meiner Meinung nach auch Jeff Bridges aus, der natürlich seine typische Präsenz auf der Leinwand hat, aber dessen Rolle sich nicht großartig von seinen anderen Rollen kautziger, schroffer, dennoch liebenswerter Männer, abhebt. Er spielt irgendwie einen Part, den Jeff Bridges eben spielt, den vermutlich kein anderer besser spielen könnte, aber er überrascht nicht. Wahrscheinlich leide ich auch etwas an einer Jeff Bridges-Überdosis. Ziemlich blass hingegen wirkte auf mich der Part von Matt Damon, der als erfolgloser Texas Ranger LaBoeuf, zwar eine für die Geschichte kritische Rolle spielt, aber oft über seine Lagerfeuergeschichten nicht hinauskommt und fast als Comic Relief des Films dient.

Leider ergeht es den Bösewichten ebenso. Da der Film den größten Teil seiner Zeit damit verbringt, zugegeben schöne, Landschaftsaufnahmen von deren Verfolgung durch Marshal, Ranger und Mattie zu zeigen oder deren Wortgefechte, werden deren Motive leider nur oberflächlich behandelt. Natürlich ist "True Grit" aus Sicht der gealterten Mattie erzählt, die auf ihre kurze Zeit mit den beiden Männern zurückblickt und somit tritt deren Beziehung automatisch in den Vordergrund. Dennoch hätte ich mir mehr Zeit an beiden Enden der Spur gewünscht. Die Abgeklärtheit von Mattie sorgt auch dafür, dass der Film nicht wirklich dramatisch wird. Man könnte ihn fast als leicht (jedoch nicht seicht) bezeichnen, da jeder härtere Moment, der dem Publikum klar machen soll, dass es hier durchaus wild zugeht und ein Menschenleben nur soviel wert ist wie der Gaul auf dem es sitzt, relativ zügig durch knackige Sprüche und schwarzen Humor abgefedert wird.

Fazit: "True Grit" ist durchaus sehenswert und für die noch anstehenden kalten Tage im Lichtspielhaus eures geringsten Misstrauens zu empfehlen. Wer ihn sich im Original ansehen möchte, sei darauf hingewiesen, dass man auch als viellesender, -hörender und -sprechender Englischliebhaber oft an die Grenzen des Verständlichen stößt, wenn man Jeff Bridges in seinem Südstaatenakzent lospoltern hört - vielleicht greift ihr dann doch lieber zur Synchronfassung. Acht von Zehn rauchenden Colts.

Wertung:8 von 10 Punkten


Michael Spieler



Review von Christian Siegel: ImageAllen Unkenrufen zum Trotz: Der Western ist einfach nicht tot zu kriegen. Alle paar Jahre kommt ein neuer, grandioser Film in die Kinos, der dem schon so oft totgesagtem Genre neues Leben einhaucht. 2011 wird diese Ehre den Coen-Brüdern zuteil, die mit "True Grit" ihre Variante des John Wayne-Klassikers bzw. des Romans von Charles Portis präsentieren – und damit erneut beweisen, dass sie zu den größten Filmemachern unserer Zeit gehören. Bevor ich näher auf "True Grit" eingehe, sei erwähnt, dass ich bisher weder das "Original" noch die Romanvorlage kenne, und dementsprechend unvorbelastet in den Film gehen konnte. Jedenfalls hat mich ihr Eintrag ins Western-Genre – nachdem sie sich ja zuvor bereits mit "No County for Old Men" mit dem Genre angefreundet hatten – absolut überzeugt.

Bereits die erste Einstellung mit Mattie’s totem Vater ist absolut großartig, ungemein stilvoll, und sollte allein schon reichen, um Roger Deakins bei seiner 9. Nominierung endlich den Oscar für die beste Kamera einzubringen. Doch auch danach überzeugt er wieder einmal mit grandiosen Bildern, mit denen er die Landschaft des Mittleren Westens auf imposante Art und Weise einfängt. Die Regie der Coens steht ihrem Kameramann in nichts nach: Gewohnt ruhig, ja teilweise fast schon meditativ und größtenteils abseits des großen Spektakels, inszenieren sie einen trotz der FSK 12-Freigabe zwar harten, aber dennoch stillen, nachdenklichen Western, der sich weniger auf die Jagd nach Tom Chaney und das Streben nach Rache und Vergeltung, sondern in erster Linie auf die Hauptfiguren konzentriert. Matt Damon hat als LaBeouf dabei wohl die schwierigste Rolle erwischt, ist er einem doch vor allem angesichts der Tatsache, wie herablassend er Mattie behandelt, von Beginn an unsympathisch. Auch danach muss er vorläufig noch in erster Linie als Witzfigur herhalten – doch mit der Zeit wandelt sich unser Bild von ihm, und er wirkt ebenso wie ein Held wie seine beiden Begleiter. Rooster Cogburn weiß dagegen von der ersten Sekunde an mit seinem herben Charme und dem "echten Schneid", den Schauspieler und Figur ausstrahlen, zu überzeugen. Und dennoch lernen wir im weiteren Verlauf der Handlung noch einige überraschende Facetten von ihm kennen; vor allem als der zuvor in der Gerichtsverhandlung eher wortkarg wirkende Marshall auf einmal beginnt, Mattie über sein Leben vollzuschwafeln. Hier darf er uns dann schließlich auch an seiner Bitterkeit teilhaben lassen. Jeff Bridges ist in der Rolle jedenfalls absolut großartig, und hätte sich den Oscar hierfür meines Erachtens sogar noch mehr verdient als letztes Jahr für "Crazy Heart"…

ImageDer Titel des Films, "True Grit", also "echter Schneid", gilt jedoch für Mattie Ross mindestens so sehr wie für ihre Begleiter. Ihren Mut und ihre Hartnäckigkeit beweist sie uns nicht nur bei ihren Verhandlungen mit Bestatter und Pferdeverkäufer, wo sie enorm viel Härte und Geschick beweist. Auch, als sie sich von Cogburn und LaBeouf partout nicht abschütteln lässt, als diese allein davonziehen wollen, um Chaney zu stellen, kann man vor ihr nur den Hut ziehen. Hailee Steinfeld ist in der Rolle jedenfalls großartig, und findet genau die richtige Mischung aus Verletzlichkeit und Härte, Unschuld und Rachsucht, Kind und Erwachsener. Sie schlägt sich neben ihren Schauspielkollegen Jeff Bridges, Matt Damon und James Brolin – allesamt Größen ihrer Zunft – nicht einfach nur wacker, sondern spielt sie teilweise sogar an die Wand.

Die Handlung ist wie bereits erwähnt eher ruhig erzählt, und geht mit dramaturgischen Höhepunkten sparsam um. Wenn diese dann aber mal kommen gefällt mir vor allem, wie vergleichsweise realistisch und plausibel (mit einer Ausnahme) die Schießereien umgesetzt wurden. Hier sticht für mich vor allem jene Szene hervor, als Mattie und Rooster einer Gangsterbande nahe eines Hauses auflauern. Erst beim Showdown erlauben es sich die Coens, aus dem vollen zu schöpfen, und bescheren Rooster Cogburn einen letzten heroischen Auftritt, wie ihn selbst ein John Ford, John Sturgess oder auch Sergio Leone nicht besser hinbekommen hätte. Das Finale an sich bietet dann einen ruhigen, aber durchaus passenden und traurigen Ausgang, und vor allem das letzte Bild besticht mit seiner zeitlosen Eleganz. Was mir ebenfalls gut gefällt ist, wie die Coens die Sprache dieser Zeit eingefangen haben. Deadwood mag eine grandiose Serie sein (vor allem die erste Staffel gehört zum Besten, was das Fernsehen je gesehen hat), aber das übertriebene Gefluche, mit dem man versucht hat den harten Wilden Westen zu vermitteln, will so gar nicht in das passen, was man über diese Epoche weiß, wo sich die meisten Menschen noch deutlich verhaltener ausgedrückt haben. In "True Grit" erhalten selbst Beleidigungen noch eine lyrische, in ihrer Harmlosigkeit fast charmante Qualität. Auch davon abgesehen wirkt die Art und Weise, wie die Leute miteinander sprechen, auf mich glaubwürdig und "realistisch" – sofern wir das heutzutage überhaupt noch beurteilen können.

ImageCoen-Jünger werden erkennen, dass "True Grit" nach "Burn After Reading" und "A Serious Man" wieder ein stärker auf das Massenpublikum zugeschnittener Film ist, doch kein Grund zur Sorge: Sie würzen ihren Western gerade mit genug von ihrem Markenzeichen, der Skurrilität und den abgefahrenen Figuren, um auch ihre Fans zufrieden zu stellen. Neben dem Reiter im Bärenkostüm fällt dabei vor allem eine Person aus Pepper’s Bande auf – wenn ihr die Figur seht (oder eher hört) werdet ihr wissen, wen ich meine. Doch auch sonst gibt es immer wieder kurze, schräge Momente, die eindeutig ihre Handschrift tragen. Neben der Regie, der Kameraarbeit, dem Drehbuch und den schauspielerischen Leistungen weiß auch der Soundtrack von Carter Burwell zu gefallen. Seine stilvolle Komposition, dessen Hauptmotiv ein amerikanisches Volkslied zugrunde lag, passt sich in seiner Eleganz den anderen Aspekten der Produktion an, und ergänzt den Film perfekt.

Lediglich einen stichhaltigen Kritikpunkt habe ich gegenüber "True Grit" vorzubringen: So setzen die Coens gleich zu Beginn auf ein bekanntes filmisches Stilmittel, welches jedoch leider einige spätere Szenen etwas an Spannung beraubt. Auch muss ich gestehen – wenn ich dies dem Film auch keinesfalls vorwerfe – dass ich die Trailer doch noch eine Spur besser fand, und "True Grit" für mich nicht ganz an die daraus entstandenen Erwartungen anknüpfen konnte. Bereits der erste Trailer war großartig und neben jenem zu "Tron: Legacy" wohl der beste des vorangegangenen Jahres; vor allem der letzten Teil, als Johnny Cash’s geniales "God’s gonna cut you down" einsetzt. Der recht kurze zweite Trailer mit dem Chor, der in den letzten Wochen vermehrt im Kino gezeigt wurde, hat mir aber sogar noch einmal um einiges besser gefallen, und mir – im Gegensatz zum Film – bei jeder Sichtung Gänsehaut beschert. Allerdings sollte sich davon jetzt auch keiner abschrecken lassen: "True Grit" ist und bleibt für mich auch, wenn er an die Trailer nicht ganz anknüpfen konnte, ein weiteres kleines Meisterwerk der Coen-Brüder, der sich – vor allem da ich nach wie vor mit Fargo, wie ich zu meiner Schande gestehen muss, eher weniger anfangen kann – nach der Zweitsichtung gut und gerne noch zu meinem persönlichen Lieblingsfilm von ihnen mausern könnte. Egal ob Coen-, Western- oder einfach nur Film-Fan: Ich kann euch nur empfehlen, euch auf eure Pferde zu schwingen und so schnell als möglich ins nächste Kino zu reiten, und Mattie, Rooster und LaBeouf bei ihrem Streben nach Vergeltung zu begleiten!

Fazit: Image"True Grit" ist nach "Black Swan" und "127 Hours" der dritte Film, dem ich 2011 die Höchstwertung zugestehen konnte (wenn es auch bei ihm zugegebenermaßen eine knappe Entscheidung war). Dies verdankt er einerseits der ruhigen, eleganten Inszenierung der Coens, ihrem gelungenen Drehbuch, aber auch Roger Deakins wieder einmal fulminanter Kameraarbeit sowie Carter Burwells grandiosem Score. Darüber hinaus geben die Schauspieler wieder einmal ihr bestes: Jeff Bridges hat nun neben dem "Dude" mit Rooster Cogburn eine weitere Rolle gefunden, für die er in die filmischen Geschichtsbücher eingehen wird, Josh Brolin gibt einen überzeugenden Bösewicht ab, und auch Matt Damon war selten besser als hier. Sie alle werden jedoch von der 14-jährigen Hailee Steinfeld in ihrer ersten Filmrolle schon fast an die Wand gespielt – ihre Präsenz dominiert und prägt den Film, und ist maßgeblich für dessen Qualität verantwortlich. Insgesamt ergibt dies einen wunderbaren Western, der wieder einmal eindrucksvoll beweist, dass in diesem Genre noch einige großartige Filme stecken – es braucht nur Leute mit "echtem Schneid" (und dem nötigen Talent), um diese auch auf die Leinwand zu bringen!

Wertung:10 von 10 Punkten


Christian Siegel


(Bilder © 20th Century Fox)


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Weiterführende Links:
Oscar - SPECiAL 2011
Review zu "No Country for Old Men"
Review zu "A Serious Man"
Review zu "Tron - Legacy"
Review zu "Black Swan"
Review zu "127 Hours"


    



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