Mit: Natalie Portman, Mila Kunis, Vincent Cassel, Barbara Hershey, Winona Ryder u.a.
Kurzinhalt:
Seit Jahren ist Nina Sayers nun schon in einer New Yorker Ballet-Kompanie als Tänzerin engagiert. Tag für Tag trainiert sie und schindet ihren Körper, in der Hoffnung, eines Tages ihr Ziel erreichen und zur Prima Ballerina des Ensembles aufsteigen zu können – doch mit mittlerweile 28 Jahren droht ihr die Zeit davonzulaufen. Als der Produzent Thomas bekanntgibt, dass die bisherige Prima Ballerina Beth in der nächsten Saison nicht mehr dabei sein wird, wittert Nina ihre Chance. Thomas wählt als Produktion den "Schwanensee" und macht sich nun auf die Suche nach seiner Schwanenkönigin. In Nina meint er, den perfekten weißen Schwan gefunden zu haben – doch kann sie auch dessen dunkles Gegenstück, den schwarzen Schwan, verkörpern? Trotz seiner Skepsis gibt er ihr die Rolle. Damit beginnt für Nina eine Reise in die Abgründe ihrer eigenen Seele…
Review:
"Black Swan" ist ein Film, der es einem schwer macht, über ihn zu schreiben. Einerseits möchte man natürlich niemandem etwas verraten, andererseits liegt so vieles in Auge des Betrachters und an dessen eigener Interpretation, dass es schwer ist, möglichst objektive und allgemein gültige Worte für ihn zu finden. Nun, ich will trotzdem mein bestes Versuchen, meinen Eindruck über die Handlung – meines Erachtens trotz aller anderen positiven Aspekte nämlich sogar die größte Stärke des Films – zu schildern, ohne dabei zu viel zu spoilern. Zuerst einmal fällt der kongeniale Ansatz positiv auf, eine Geschichte über eine Produktion von "Schwanensee" zu erzählen, in dem man die Geschichte von "Schwanensee" erzählt. Ebenfalls augenscheinlich ist, dass "Black Swan" sehr ähnliche Thematiken behandelt wie "The Wrestler"; auch hier geht es um Obsession, Perfektion, und die Sehnsucht eines Menschen (egal ob nun Sportler oder Künstler) nach Anerkennung, Ruhm, und der Verwirklichung des Traums. Es finden sich noch weitere Parallelen – beiden, sowohl Randy als auch Nina scheint langsam die Zeit davonzulaufen, beide haben ein angespanntes Verhältnis zu ihrer Familie, etc. – aber dank der größeren psychologischen Tiefe sowie der surrealen Elemente hebt sich "Black Swan" dennoch ausreichend von Aronofsky’s vorherigem Film ab, und übertrumpft diesen meines Erachtens sogar noch.
Was bei "Black Swan" besonders besticht, ist die Art und Weise, wie uns Aronofsky in Nina’s Gedankenwelt hineinzieht, und uns ihre Tour de Force damit hautnah durchleben lässt. Wir sehen was sie sieht, hören was sie hört, fühlen was sie fühlt – und nur das. Alles, woran sie nicht unmittelbar beteiligt ist, bleibt somit auch uns verborgen. Damit erreicht Aronofsky nicht nur, dass wir uns mit ihr identifizieren, sondern er drängt uns damit auch die Frage auf, was real ist und was nicht. "Black Swan" spielt ein cleveres, aber auch sehr perfides Spiel mit Realität, Wahrnehmung und Wahnsinn, das uns dazu zwingt, die Echtheit der von uns beobachteten Ereignisse ständig zu hinterfragen – vor allem, als Nina’s Erlebnisse zunehmend surrealer und phantastischer werden.
Zugleich werden wir Zeuge einer Transformation: So wie sich der weiße Schwan auf der Bühne in den schwarzen Schwan verwandelt, verwandelt sich auch Nina in ihr dunkles Gegenstück. Um beide Teile der Rolle überzeugend spielen zu können, muss sie lernen, loszulassen. Ihr ganzes Leben lang strebte sie nach Kontrolle, Präzision und Perfektion, doch die Rolle des schwarzen Schwans verlangt stattdessen nach Gefühl, Chaos und Leidenschaft. Alles Dinge, die Nina bisher unterdrückt hat – nun muss sie lernen, sie zu- und freizulassen. Dabei unterstützt (und dazu gedrängt) wird sie neben Thomas auch von Lily, einer jungen Balletttänzerin, der alles, was sich Nina schwer erarbeiten muss, mit einer beneidenswerten Leichtigkeit zu gelingen scheint. Letzteres führt zu zwei enorm erotischen Szenen, in denen es Aronofsky gelingt, die Intensität der Momente zu vermitteln, ohne uns dabei was nackte Haut betrifft sonderlich viel zeigen zu müssen. Jedenfalls ist Nina – so wie der gesamte Film – eine unheimlich komplexe Figur, über die man ganze Doktorarbeiten schreiben (oder schreiben lassen) könnte. Ähnliches gilt für ihre finstere Beziehung zu ihrer unterdrückenden Mutter, die sich einen irgendwie unbehaglich fühlen lässt und dank einiger düsterer Andeutungen und Untertöne ebenfalls einiges an Interpretationsspielraum bietet. War die Handlung davor schon genial, kulminiert alles in einem grandiosen Finale, als wir Zeuge von Nina’s Auftritt werden. (Achtung, leichte Spoiler!) Es ist ein erhabener, triumphaler Moment – doch wie alles im Leben, hat auch dieser Erfolg seinen Preis (Spoiler Ende).
Einen großen Anteil daran, dass wir mit Nina derart mitfiebern, hat neben der klugen Regie von Darren Aronofsky natürlich in erster Linie Natalie Portman, die hier nicht einfach nur die beste schauspielerische Leistung ihrer bisherigen Karriere abliefert (und bei einem so großen Talent wie ihr will das nun wirklich etwas heißen), sondern eine der besten Performances aller Zeiten – egal ob männlich oder weiblich – abliefert. So wie Nina musste auch sie sich für diesen Film fallen- und auf die Rolle einlassen, und es dauert nicht lange, bis man nicht mehr Natalie Portman die Schauspielerin, sondern wirklich nur mehr Nina die Balletttänzerin vor sich sieht. Es ist eine ungemein mutige, vielschichtige, triumphale Performance, die sich den Oscar nicht einfach nur verdient, sondern nach ihm verlangt…
Auch der Rest des Ensembles überzeugt. Vincent Cassel verleiht seinem Thomas sowohl eine verschlagen-verführerische als auch eine väterlich-fürsorgliche Seite, und bleibt damit angenehm ambivalent – bis zuletzt weiß man nicht so recht, was man von ihm halten soll. Mila Kunis zeigt sich als Lily wieder mal von ihrer frechen und lebhaften Seite, und strahlt die Leichtig- und Sorglosigkeit der Figur überzeugend aus. Winona Ryder wiederum ist als alternde und ausrangierte Ballerina neben Nina wohl die zweite große tragische Figur des Films, und vermittelt ihre Bitterkeit und Trauer ebenfalls sehr gelungen. Die neben Portman wohl beeindruckendste Leistung zeigt jedoch Barbara Hershey als ihre kontrollierende Mutter – und es war wirklich eine unangenehme Überraschung für mich, dass nicht auch sie mit einer Oscar-Nominierung bedacht wurde. Gleiches gilt ja leider für Clint Mansell, der die gewaltige Aufgabe hatte, die bekannten klassischen Stücke aus Tschaikowski‘s "Schwanensee" neu zu interpretieren, so dass sie sich nahtlos in Aronofsky’s surreale Fabel über Obsession und Wahnsinn einfügen. Angesichts der Tatsache, wie bravourös ihm dies gelingt, offenbart er sich hier erneut als eines der größten modernen Talente im Bereich der Filmmusik. Im Gegensatz zu ihm konnte sich Darren Aronofsky verdientermaßen über eine Oscar-Nominierung freuen. Seine Inszenierung von "Black Swan" ist einerseits gewohnt dreckig, körnig, authentisch und ohne Hochglanzoptik, was jedoch die surreal-glanzvollen Momente nur umso auffälliger und wirkungsvoller macht. Insgesamt gelang ihm mit "Black Swan" jedenfalls der meines Erachtens (bisher) beste Film seiner Karriere, und ein modernes filmisches Meisterwerk!
Fazit:
"Black Swan" ist mehr als einfach nur ein Film, er ist Kunst – und wie jedes Kunstwerk hält er uns einen Spiegel vor. Jeder, der hineinblickt, wird wohl auch irgendwie etwas anderes sehen. Ich jedenfalls sah ein grandios gespieltes und inszeniertes psychologisches Thriller-Drama über Ehrgeiz, Erfolgsdruck und Besessenheit, und wie unser größter Traum zu unserem größten Alptraum werden kann. Wie wir manchmal über uns hinauswachsen, Risiken eingehen und manchmal auch einfach nur LEBEN müssen – dabei jedoch auch immer Gefahr laufen, uns selbst zu verlieren. Nina's letzte Worte im Film sind „Es war perfekt“. Damit ist eigentlich alles gesagt, was es zu "Black Swan" zu sagen gibt…