Mit: Cameron Diaz, James Marsden, Frank Langella, James Rebhorn, Holmes Osborne u.a.
Kurzinhalt:
Eine amerikanische Kleinstadt in Virginia im Jahr 1976: Nach zwei schlechten Neuigkeiten in ihren jeweiligen Berufen befindet sich das Ehepaar Norma und Arthur Lewis in einer finanziellen Notlage. Eines Morgens finden sie vor ihrer Haustür plötzlich eine mysteriöse Holzbox mit einem Knopf unter einer Glaskuppel. Im beiliegenden Brief wird ihnen der Besuch eines gewissen Arlington Steward angekündigt. Dieser informiert Norma schließlich darüber, dass sie und ihr Mann, wenn sie sich dazu entscheiden sollten den Knopf zu drücken, 1 Million Dollar erhalten werden. Der Haken dabei: Falls sie es tun, wird eine Person die sie nicht kennen ihr Leben verlieren. Norma und Arthur halten das ganze für Humbug – doch was wenn nicht? Arlington gibt ihnen 24 Stunden Zeit, sich zu entscheiden – danach wird er die Box wieder abholen…
Hinweis zu Spoilern:
Das nachfolgende Review beantwortet die Frage, ob der Knopf gedrückt wird. Auf den weiteren Verlauf der Handlung wird jedoch bewusst nur sehr vage eingegangen, damit "The Box" auch jenen, die sich das Review ohne Kenntnis des Films durchlesen, nicht verdorben wird.
Review:
Ähnlich wie "The Road" hatte ich "The Box" bereits seit längerem auf meiner "Must See"-Liste. Die Grundidee klang sehr interessant, und mit Richard "Donnie Darko" Kelly schien der perfekte Regisseur gefunden. Zudem machten einige Interviews deutlich, wie sehr ihm diese Geschichte am Herzen lag – beste Voraussetzungen also, dass er nach dem durchwachsenen "Southland Tales" wieder an alte Erfolge würde anknüpfen können. Gelungen ist ihm das meines Erachtens aber leider nur bedingt. An meiner Enttäuschung ist aber teilweise auch die lange Wartezeit Schuld, in der ich den Film so wie ich ihn mir vorstelle, mit all meinen Hoffnungen und Erwartungen, tausendmal in meinem Kopf abgespielt habe. Richard Kelly schlug nur leider eine ganz andere Richtung ein, als ich das erhofft hatte, konzentriert er sich doch meines Erachtens viel zu sehr auf die Mystery-Elemente, die ich nicht mal halb so spannend finde wie die moralischen und psychologischen Aspekte dieser Grundidee.
Mein Hauptproblem bei "The Box" ist, dass aus den Tätern viel zu früh und viel zu große Opfer werden; und das noch dazu für eine "Sünde", die in meinen Augen keine ist. "The Box" ver(sch)wendet viel Zeit darauf, sich mit den Konsequenzen ihrer Tat zu beschäftigen. Das Drücken des Knopfs wird als Sieg der Habgier und Selbstsucht über Mitgefühl und Selbstlosigkeit dargestellt – was aus folgendem Grund für mich überhaupt nicht funktioniert: Norma und Arthur hatten nicht den geringsten Grund, zu glauben, dass Arlington die Wahrheit sagt, und sie a) wirklich das Geld bekommen und b) dafür eine andere Person sterben würde. Und tatsächlich haben die beiden ja nicht wirklich daran geglaubt, dass etwas passieren würde. Norma hat den Knopf wohl mindestens so sehr aus Neugier wie aus Habgier gedrückt – und angesichts dessen erscheint mir die später folgende Strafe unangebracht hart. Wenn Arlington ihnen einerseits die 1 Million Dollar und andererseits ein Bild der Person gezeigt hätte, die für ihren Reichtum sterben muss, dann hätte ich das moralische Dilemma nachvollziehen können. Aber so wie es hier umgesetzt wurde, hätte wohl jeder von uns den Knopf gedrückt, und keinem von uns wäre dafür ein Vorwurf zu machen.
Wisst ihr, was ich viel interessanter gefunden hätte? Wenn die beiden den Knopf hätten öfter drücken können. Für das erste Mal ist ihnen wie gesagt kein Vorwurf zu machen, aber was, wenn sie einen unwiderlegbaren Beweis erhalten, dass wegen ihnen jemand gestorben ist – sie jedoch die Box behalten dürfen und bei der nächsten Gelegenheit, wo sie Geld benötigen, wieder in Versuchung geraten? Mit einer Progression hätte man es sogar noch verlockender machen können: Beim ersten Mal bekommst du "nur" 10.000 Dollar, und eine Person stirbt. Wenn du den Knopf das 2. Mal drückst, sterben zwei Menschen, du erhältst aber bereits 100.000 $. Bei 2. Mal bekommst du 1 Million, und drei Unbekannte müssen ihr Leben lassen etc. Aus diesem Konzept hätte sich nicht nur eine wunderbare moralische Fabel über Habgier und einen möglicherweise mit der Zeit einsetzenden Macht- und Geldrausch erzählen lassen, sondern hätte auch als subtile Kommentierung diverser skrupellosen Machenschaften von Firmen(bossen) funktioniert.
Stattdessen bekommen wir leider "nur" eine überdurchschnittliche Akte X-Folge. Das moralische Dilemma, das in Wahrheit keines ist, ist nach wenigen Minuten auch schon wieder vorbei, und danach "verkommt" der Film zu einem ziemlich gewöhnlichen – wenn auch recht gelungenen – Mystery-Thriller. Über die weitere Handlung möchte ich nicht zu viel verraten, aber wenn ich sage, dass die Box danach natürlich an die nächste Familie weitergereicht wird, werdet ihr in etwa erahnen können, wohin sie sich bewegt. "The Box" beschäftigt sich auch mit den Fragen, woher sie kommt, welchem Zweck dieses Experiment dient, und wer oder was Arlington eigentlich ist. Wohlgemerkt: Mit den Fragen, nicht mit den Antworten. Wie für Kelly gewohnt überlässt er es in erster Linie der Phantasie des Zuschauers, eine eigene Interpretation zu finden – wenn auch das Geschehen hier weder ähnlich mysteriös noch faszinierend ist wie in "Donnie Darko", und zudem ein kleines Ungleichgewicht entsteht: Einige wenige Dinge werden uns schon fast zu deutlich offenbart, während auf der anderen Seite für viele weitere Fragen zu wenig Informationen geliefert werden, um überhaupt mal vernünftig nach Erklärungen suchen zu können.
Nachdem mich James Mardsen bei den X-Men-Filmen aufgrund der wohl uninteressantesten und undankbarsten Rolle weniger überzeugen konnte, liefert er hier eine durchaus überzeugende Leistung ab. Auch Cameron Diaz, die ich bisher eher aus luftig-lockeren Filmen kannte, macht in dieser dramatischen Rolle eine sehr gute Figur. Dennoch werden beide gnadenlos von Frank Langella an die Wand gespielt, der mit seiner Präsenz die Aufmerksamkeit des Zuschauers in jeder Szene, in der er zu sehen ist, an sich zieht. Wobei er zugegebenermaßen durch den wirklich überzeugend umgesetzten Effekt seines deformierten Gesichts (das an "Two-Face" aus "Dark Knight" erinnert) dabei unterstützt wird. Was ebenfalls gefällt, sind Sets, Kostüme und Ausstattung. Selten hat ein Film die 70er treffender, ehrlicher und überzeugender eingefangen, als es Kelly bei "The Box" gelungen ist. Von der Kleidung über die Frisuren bis zur Inneneinrichtung – grässliche Tapeten inklusive – lässt er diese Epoche wieder aufleben.
Auch Richard Kelly‘s Inszenierung ist wieder einmal sehr stylisch und gelungen. "The Box" wurde zwar digital gedreht, dank sorgfältiger nachträglicher Koloration wirkt er aber nicht so, sondern sieht fast wie auf normalen Film gedreht aus. Es dominieren warme, braune Erdtöne, wobei "The Box" dank des Einsatzes eines leichten Weichzeichen-Filters und etwas ausgewaschenen Farben so aussieht, als würde er nicht nur in den 70ern spielen, sondern wäre auch damals gedreht worden – jedoch ohne dabei auf die Vorzüge moderner Kamera- und Tricktechnik zu verzichten. Jedenfalls ist auch "The Box" wieder gewohnt visuell bestechend. Über den Soundtrack kann man das leider nur bedingt sagen. Wenn dieser auch die Atmosphäre gut unterstützen mag, so klang er mir teilweise – vor allem am Ende, wo er auf eine einzelne Note auf dem Piano setzt – etwas zu sehr nach "Lost", was mich leider auch gerade in Schlüsselszenen immer wieder aus dem Film gerissen hat.
Was die Handlung betrifft, offenbaren sich neben den bereits genannten Problemen auch strukturell kleinere Schwächen. So gibt es einige, scheinbar sinnlose Nebenhandlungen (wie rund um den Schüler, der Norma aufgrund ihrer Behinderung belästigt), die keinen wirklichen Sinn zu haben scheinen, und nur von der eigentlichen Mystery-Handlung ablenken. Wo diese bei "Donnie Darko" den Film bereichert haben, wirken sie hier eher lästig. Doch auch innerhalb der Haupthandlung gibt es die eine oder andere Szene, die im Nachhinein völlig unnötig wirkt, wie z.B. das mit den Wassersäulen. Last but not least: Das Ende (über das an dieser Stelle natürlich nichts verraten werden soll) konnte mir von der Idee her zwar sehr gut gefallen, fiel jedoch emotional bei mir leider eher flach. Ähnliche Gänsehaut wie beim Ende von "Donnie Darko" oder auch "Southland Tales" wollte hier leider nicht aufkommen.
Fazit:
"The Box" ist ein recht guter Mystery-Thriller und nach dem durchwachsenen "Southland Tales" sicherlich wieder ein Schritt in die richtige Richtung, sein kongeniales Erstlingswerk "Donnie Darko" bleibt für Richard Kelly jedoch auch mit "The Box" unerreichbar. Nach meinen hohen Erwartungen und der langen Wartezeit war ich vom Film jedenfalls doch etwas enttäuscht. Meines Erachtens wurden aus den "Tätern" viel zu früh (und zu große) "Opfer". Generell hätte ich mir angesichts der interessanten und vielversprechenden Ausgangssituation einen anderen Film gewünscht: Mehr Konzentration auf Psychologie und die moralischen Implikationen, und weniger Mystery. Das Hauptproblem des Films ist aber, dass ich Norma und Arthur aufgrund der Tatsache, dass sie keinen Grund hatten Arlington’s Ausführungen zu glauben, maximal Ignoranz und Neugier vorwerfen kann, aber keinesfalls Habgier und Selbstsucht. Eben deshalb funktioniert "The Box" für mich als moralische Fabel nicht, und erscheinen mir auch die Folgen ihres Handelns unangemessen.
Trotz dieser Schwächen war er von Richard Kelly gewohnt atmosphärisch inszeniert, die schauspielerischen Leistungen reichen von gut bis sehr gut, wobei vor allem Frank Langella als unheimlicher, bedrohlicher Bösewicht besticht, und die Handlung ist wendungs- und abwechslungsreich. Schade nur, dass mich der Soundtrack teilweise etwas zu sehr an "Lost" erinnert hat, und ich zudem beim – ansonsten sehr gelungenen – Ende nicht wirklich mitfühlen konnte. Dennoch hoffe ich, dass dies – angesichts des sehr bescheidenen Einspielergebnisses und der teils vernichtenden Zuschauermeinungen – nicht seine letzte Regiearbeit gewesen ist. Denn trotz aller Schwächen lässt Richard Kelly auch bei "The Box" gelegentlich sein großes erzählerisches und inszenatorisches Talent aufblitzen, dass "Donnie Darko" zu einem so unvergesslichen Meisterwerk (und "Southland Tales" immerhin noch zu einem der interessantesten filmischen Misserfolge der letzten Jahre) gemacht hat.