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A.I. - Künstliche Intelligenz Drucken E-Mail
Kubrick + Spielberg = Meisterwerk Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Montag, 13 Dezember 2010
 
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A.I. - Künstliche Intelligenz
(A.I.: Artificial Intelligence, USA 2001)
 
A.I. - Künstliche Intelligenz
Bewertung:
Studio/Verleih: Warner Bros.
Regie: Steven Spielberg
Produzenten: U.a. Kathleen Kennedy, Bonnie Curtis & Steven Spielberg
Drehbuch: Steven Spielberg & Ian Watson, nach einer Kurzgeschichte von Brian Aldiss
Filmmusik: John Williams
Kamera: Janusz Kaminski
Schnitt: Michael Kahn
Genre: Science Fiction
Kinostart (Deutschland): 13. September 2001
Kinostart (USA): 29. Juni 2001
Laufzeit: 146 Minuten
Altersfreigabe: Ab 12 Jahren
Trailer (Englisch): klick
Kaufen: Blu Ray, DVD, DVD (Special Edition), Soundtrack
Mit: Haley Joel Osment, Jude Law, Frances O'Connor, Sam Robards, Jake Thomas, Jack Angel, William Hurt u.a.


Kurzinhalt: ImageIn nicht allzu ferner Zukunft ist der Lebensraum der Menschheit durch das Schmelzen der Polareiskappen weiter geschrumpft. Um Überbevölkerung vorzubeugen müssen Familien um eine Lizenz ansuchen, um ein Kind bekommen zu dürfen. Der Visionär und Gründer der Firma Cybertronics, die fortschrittliche Roboter herstellt, sieht genau darin die Zukunft des Unternehmens: Er möchte einen Roboter mit dem Aussehen eines Kindes erschaffen, der darauf programmiert werden kann, seine Eltern zu lieben. Ein Mitarbeiter von Cybertronic und seine Frau werden als ideale Kandidaten für den Prototypen von "David" ausgewählt, da ihr echter Sohn an einer unheilbaren Krankheit leidet und in Cryostasis eingefroren ist. Anfangs ist Monica erschüttert, dass dieser künstliche Junge ihren Sohn ersetzen soll, doch nachdem sie ihn "imprägniert" hat, scheint ihr Traum von einer intakten Familie in Erfüllung zu gehen.

Doch dann geschieht etwas völlig unerwartetes: Ihr Sohn Martin kann doch geheilt werden, und kehrt wieder nach Hause zurück. Dieser empfindet David als Bedrohung, ist eifersüchtig, und tut alles, um die Liebe seiner Mutter zu ihm zu sabotieren. Nach einem Missverständnis, das Martin fast das Leben gekostet hätte, sehen die Swinton’s keinen anderen Ausweg, als David zurückzugeben. Da jedoch dies seinen Tod/seine Zerstörung zur Folge hätte, und sich Monica dazu einfach nicht durchringen kann, setzt sie ihn stattdessen im Wald aus. David erinnert sich daraufhin an die Geschichte von Pinocchio. Er möchte unbedingt die Liebe von Monica gewinnen, und ist davon überzeugt, dass er als echter Junge wieder zur ihr zurückkehren könnte. Gemeinsam mit dem mechanischen Spielzeug "Teddy" und dem Liebes-Roboter "Gigolo Joe" begibt er sich auf eine faszinierende und gefährliche Odyssee, um die blaue Fee zu finden und ein echter Junge zu werden…

Spoiler-Warnung! Das nachfolgende Review beinhaltet - teils große - Spoiler zum Film! Wer diesen noch nicht gesehen hat, empfehlen wir, das Review zu überspringen und nur das Fazit zu lesen.

Review: ImageViele Jahre, ja Jahrzehnte lang, hat sich Stanley Kubrick mit "A.I. – Artificial Intelligence" beschäftigt, Konzeptzeichnungen und Drehbücher erstellen lassen etc. Doch es war eines jener Projekte, wie man sie sich wohl bei jedem visionären Filmemacher findet: Irgendetwas kam immer dazwischen. Mal war die Technologie einfach noch nicht soweit, die Roboter-Technologie glaubwürdig darzustellen, dann war Kubrick mit dem Drehbuch nicht ganz zufrieden, oder ein anderes Filmprojekt verlangte seine Aufmerksamkeit. Bereits Mitte der 90er wendete er sich an seinen guten Freund Steven Spielberg, mit dem Gedanken, dass er vielleicht für diesen Stoff der geeignetere Regisseur wäre. Als Stanley Kubrick schließlich noch vor Veröffentlichung seines letzten Werks „Eyes wide shut“ an einem Herzinfarkt starb, gerade als er wieder begann sich mit "A.I." auseinander zu setzen, machte Spielberg es zu seiner obersten Priorität, Kubrick’s langgehegten Traum nun endlich zu verwirklichen und einem der größten Regisseure aller Zeiten ein filmisches Denkmal zu setzen.

ImageDass er damit erfolgreich war, zeigt schon allein die gespaltene Resonanz auf den Film. "A.I. – Künstliche Intelligenz" wäre kein echter Kubrick, wenn er nicht – so wie die meisten seiner Werke davor – unter Filmkritikern und Cineasten eine Diskussion ausgelöst hätte. Oftmals war es der kontroverse Inhalt seiner Filme ("Lolita", "A Clockwork Orange", "Full Metal Jacket"), manchmal auch, dass viele als sie die Filme zum ersten Mal sahen nicht so recht wussten, was sie damit anfangen sollten ( "2001 – Odyssee im Weltraum", "Eyes wide shut"). Aus welchen Gründen auch immer, die wenigsten seiner Filme wurden gleich bei Veröffentlichung gefeiert – erst viele Jahre später begann die Filmwelt, deren Qualitäten zu erkennen. Mit "A.I." verhält es sich ähnlich. Nur sehr wenige Stimmen bejubelten ihn gleich als Meisterwerk und feierten die gelungene posthume Zusammenarbeit zweier der erfolgreichsten und visionärsten Regisseure der Filmgeschichte. Deutlich lauter waren jedoch jene kritischen Stimmen zu hören, die mit den teils starken tonalen Sprüngen und vor allem dem Ende nicht so recht etwas anfangen konnten, und Spielberg vorwarfen, Kubrick’s Vision verwässert zu haben. Und so gern ich mich damit brüsken würde, ihn damals schon als Meisterwerk angesehen zu haben, war auch meine Reaktion nach der ersten Sichtung eher verhalten.

ImageIm Gegensatz zu vielen Filmen, die als ich sie das erste Mal sah noch besser gefunden habe, die aber keinen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen haben, ging mir "A.I. – Künstliche Intelligenz" – so wie nun mal die besten Filme – nicht aus dem Kopf. Als ich ihn das erste Mal auf DVD sah, war ich ihm gegenüber schon deutlich positiver eingestellt, und in den Jahren danach hat sich meine Wertschätzung noch gesteigert. Nachdem ich mir vor einiger Zeit das Buch zur Entstehung des Films gekauft habe, hatte ich mich schon richtig darauf gefreut, im Zuge der Vorbereitung für dieses Special erneut in die faszinierende Welt von Kubrick und Spielberg einzutauchen. Und nun, 10 Jahre später, kann auch ich endlich in den – in den letzten Jahren immer lauter werdenden – Chor der Jubelschreie einstimmen, die "Künstliche Intelligenz" als modernes Meisterwerk der Science Fiction-Unterhaltung feiern.

ImageSchon allein der Einstieg in den Film ist sehr ungewöhnlich. Nachdem uns in einem kurzen Prolog die wichtigsten Hintergrundinformationen zur Welt in dieser Zukunftsvision vermittelt werden – wie das Schmelzen der Polkappen und die damit einhergehende Überflutung vieler Küstengebiete – erleben wir Dr. Hobby’s Präsentation bei Cybertronics, als er seine neue Produktidee vorstellt: Einen Roboter, der – emotional, nicht einfach nur körperlich – lieben kann. Die Diskussion ist sehr sachlich und wirkt fast mechanisch – der kurze Einwand einer Wissenschaftlerin, ob man denn auch die moralischen Implikationen dessen, was man hier zu tun gedenkt, bedacht hat, wird einfach übergangen. Es ist ein ungewöhnlich kalter, emotionsloser – man ist fast versucht "roboterhaft" zu sagen – Einstieg in einen Film, der sich in erster Linie um Menschlichkeit und Gefühle dreht. Ein interessanter Kontrast, der einem jedoch erst bei der Zweitsichtung so richtig bewusst wird.

ImageNun lernen wir die Swintons kennen, und erfahren von der Tragödie, welche diese junge Familie heimgesucht hat. Damit sind sie die idealen Testkandidaten für den Prototypen des neuen Modells "David". Als Henry dieses Firmengeschenk nach Hause bringt, ist sie zunächst bestürzt und völlig verstört. Sie hat den "Verlust" ihres Sohnes immer noch nicht verkraftet, und kann nicht glauben, dass ihr Mann ihr einfach so einen Roboter nach Hause bringt, um Martin zu ersetzen (Interessant an dieser Szene ist u.a., wie Spielberg sie inszeniert hat: Das Bild konzentriert sich auf David’s Beine, wir sehen wie er durch die Wohnung marschiert, und erst als er sich umdreht sehen wir ihn das erste Mal richtig.). Tatsächlich lässt uns Spielberg das Unbehagen der Familie aufgrund von David’s Anwesenheit und seinem zu Beginn recht seltsamen Verhaltens durch einige skurril-verstörend-beunruhigende Szenen nachfühlen (wie David’s Blick zu Monica als Henry ihn umzieht, sein unnatürliches Lachen während des Abendessens, oder wie er plötzlich und unerwartet vor Monica steht.

ImageAll dies ändert sich jedoch, als sich Monica dazu entschließt, ihn auf sich zu "imprägnieren", also seine Gefühle zu aktivieren und ihn darauf zu programmieren, sie zu lieben. War sein Verhalten zuvor ungemein künstlich und seine Mimik und Gestik enorm eingeschränkt, entspannen sich seine Gesichtszüge sofort, und er wirkt wie ein echter Junge. Ab diesem Zeitpunkt ändert sich auch die Dynamik innerhalb der Familie merklich: Während Monica David immer mehr ins Herz schließt, wirkt Henry zunehmend besorgt und feindselig; interessanterweise war es vor dieser Imprägnierung genau umgekehrt. Die unerwartete Heilung von Martin stellt die Familiendynamik dann erneut auf den Kopf. Martin sieht in David eine Bedrohung und reagiert feindselig und eifersüchtig. Er sieht in ihm eher ein Spielzeug, eine aktualisierte Version seines früheren Teddy’s denn einen Bruder – wenn sich auch in ihrer Beziehung zueinander einige Parallelen zu echten Geschwistern, insbesondere Brüdern, finden lassen.

ImageMan kann es nicht anders ausdrücken: Martin ist eine echte "Grätzn", wie man bei uns in Wien so schön sagt. Er stiftet David dazu an, eine Locke von Monica’s Haar abzuschneiden (den Anblick eines Roboter-Kindes, das sich mit einer Schere über seine Frau beugt, findet Henry verständlicherweise etwas beunruhigend), wählt von allen Gutenachtgeschichten just "Pinocchio" aus, stiftet ihn zu einem Spinat-Wettessen an und erinnert ihn generell ständig daran, dass er "nur" eine künstliche Lebensform und nicht echt ist. Ein bedauerliches Missverständnis während Martin’s Geburtstagsfeier bringt das Fass dann endgültig zum Überlaufen: Als David von seinen Freunden bedrängt wird, versteckt sich dieser hinter Martin, klammert sich an ihn fest, woraufhin beide in den Pool fallen. Nach wie vor will David nicht loslassen – das er Martin so umbringen würde, hat er in einer Mischung aus Angst und kindlicher Naivität vergessen.

ImageNach diesem Zwischenfall muss selbst Monica einsehen, dass David für die Familie eine Bedrohung darstellt. Widerwillig stimmt sie zu, ihn zu Cybertronic zurückzubringen. Darin, dass David nachdem er einmal auf eine Person imprägniert wurde zerstört werden muss, zeigt sich, wie verantwortungslos die Menschheit mit ihrer eigenen Schöpfung umgeht. Doch Monica bringt es nicht übers Herz, David dieses Schicksal anzuvertrauen, denn… auch wenn es David nicht erkennen kann, aber Monica, seine "Mutter", liebt ihn. Sie setzt ihn nicht deshalb im Wald aus, weil er ihr egal wäre, sondern ganz im Gegenteil, weil er das nicht ist. Das Problem ist nicht, dass sie ihn nicht liebt, sondern dass sie ihn liebt. Täte sie das nicht, hätten sich sowohl Henry als auch Martin nie so eifersüchtig gefühlt, und es wäre wohl erst gar nicht so weit gekommen. Darin, dass David nach dieser herzzerreißenden Szene aufbricht, um etwas zu gewinnen, dass er in Wahrheit schon längst besitzt – die Liebe seiner "Mutter" – liegt die herrliche, tragische Ironie des Films…

ImageMit David’s Verstoßung endet der erste Akt, und der 2. Teil des Films beginnt, der sich in erster Linie mit einer Odyssee beschäftigt; eine Reise, die nicht nur geographischer, sondern vor allem spiritueller Natur ist, und an deren Ende David im wahrsten Sinne des Wortes sich selbst findet. Doch zuerst lernen wir mit Gigolo Joe – von Jude Law kongenial verkörpert – eine weitere wichtige Figur des Films kennen, die uns jedoch nur durch diesen 2. Akt begleiten wird. Wie David besitzt er – trotz der „erwachsenen“ Aufgabe, für die er geschaffen wurde – den Geist eines Kindes. Wo wir schon dabei sind, muss auch gleich David’s treuer Begleiter "Teddy" erwähnt werden. Im Gegensatz zu Gigolo Joe und David wirkt Teddy erfahren, ja fast weise. Mit seiner unerschütterlichen Loyalität zu David verkörpert dieses mechanische Wesen eine der besten Eigenschaften der Menschen.

ImageDie drei verschlägt es zu einem Roboter-Schrottplatz, wo sich einige unregistrierte, ausrangierte Modelle treffen, um Ersatzteile zu ergattern – eine der optisch beeindruckendsten Szenen des Films. Kurz darauf folgt auch gleich eine der einprägsamsten Einstellungen von "A.I.", nämlich der große, hinter Gigolo Joe aufgehende Mond, der sich als fliegende Kommandozentrale der Mecha-Hasser entpuppt, die unregistrierte Modelle einfangen, um sich dann während eines "Fleisch-Jahrmarkts" zu zerstören. Die nachfolgende Sequenz ist in der Tat etwas seltsam, und droht es mit der Zelebrierung der verschiedensten Zerstörungsarten der Roboter doch etwas zu übertreiben. Eine Szene, die tonal überhaupt nicht zum Rest des Films passt und daher etwas störend hervorsticht – ihn aber möglicherweise genau deshalb um einen interessanten Aspekt bereichert. Etwas kürzer hätte die Szene dennoch gerne ausfallen dürfen.

ImageDa sowohl ein kleines Mädchen als auch die Zuschauer David für einen echten Jungen halten, können er, Teddy und Joe fliehen. Nachdem David seinem neuen Begleiter erzählt hat, dass er auf der Suche nach der blauen Fee ist, schlägt dieser vor, sich nach Rogue City zu begeben. Nach der kalten, dunklen, kargen, farblosen und düsteren Welt des Fleisch-Jahrmarkts erleben wir hier nun das genaue Gegenteil: eine strahlende Stadt voller satter Neon-Farben und bis ins letzte Detail durchgestylt, in der das Künstliche zelebriert statt verurteilt wird. Eine futuristische Stadt der Sünde, ein extrem überzeichnetes Las Vegas der Zukunft. Während sich Gigolo Joe in seinem Element fühlt, wirkt der kindliche David an diesem Ort völlig fehl am Platz. Es ist vor allem dieser Teil des Films, in dem "A.I." vom Design und der optischen Gestaltung her besticht. Rogue City glänzt mit zahlreichen futuristischen, an weibliche Formen angelehnte Designs, die oftmals in all dem Trubel so gut im Hintergrund versteckt sind, dass man sie auf den ersten Blick gar nicht erkennt. Lediglich die prägnante Einfahrt über die Brücke sticht hervor; sie ist zugleich eine jener Bilder, die sich am stärksten einprägen und dem Zuschauer definitiv noch lange in Erinnerung bleiben.

ImageNun suchen Gigolo Joe, David und Teddy ein Wesen namens "Dr. Know" auf – eine Sequenz, die aufgrund der verzwickten Fragestellung nicht nur aufgrund der Cleverness überzeugt, die David hier zeigen muss, um sein Ziel zu erreichen, sondern vor allem aufgrund der gelungenen konzeptionellen Gestaltung, mit den in der Luft schwirrenden Begriffen etc. Während dem Zuschauer schon bald klar ist, dass es sich bei "Dr. Know" um einen Schwindel und nichts weiter als eine Touristenattraktion handelt, zeigt die Tatsache, dass sie von "Dr. Know" (der vom Aussehen her an Alfred Einstein angelehnt wurde, und mit der Stimme von Robin Williams spricht) tatsächlich Antworten auf ihre Fragen erwarten erneut ihre kindliche Naivität, mit der Joe und David die Welt sehen. Umso erstaunlicher, dass er sogar tatsächlich eine Antwort für sie parat hat, die sie ins überflutete New York führt.

ImageDie nachfolgende Sequenz in Manhattan ist vermutlich meine Lieblingsstelle des ganzen Films. Die Ansicht des World Trade Centers mag zwar schmerzen und "A.I." unnötig veraltet erscheinen lassen, aber davon abgesehen sind die Szenen des überfluteten New York sehr gut gelungen. Das ist aber natürlich nicht der Grund, warum mir die besagte Szene so gut gefällt; dies liegt vielmehr an jenem Moment, als David quasi nach Hause zurückkehrt, und auf sich selbst trifft (eine Szene, die entfernt an das Ende aus "2001 – Odyssee im Weltraum" erinnert). Nachdem ihm den ganzen Film über vor Augen geführt wurde, dass er ein künstliches Wesen ist, und er mit dem Ziel nach New York gereist ist, die blaue Fee zu finden, die ihn in einen echten Jungen verwandeln soll, trifft er hier auf einen weiteren David. In dessen Verhalten merkt man aber sofort, dass er im Vergleich zu David, der eine Wandlung durchgemacht hat, wirklich noch ein Kind ist. Wie David nun voller Zorn, Enttäuschung (und Eifersucht?) auf diesen zweiten David einschlägt und diesen schließlich zerstört, mag – so traurig der Gedanke auch ist – jene Szene sein, in der er am menschlichsten agiert.

ImageNun trifft David nicht nur seinen Schöpfer – der ihm seinen Wunsch, ein echter Junge zu werden, ebenfalls nicht erfüllen kann – sondern er muss auch erkennen, dass er an den Ort seiner „Geburt“ zurückgekehrt ist. Zugleich erfahren wir hier nun endgültig, dass Dr. Hobby trotz seines kalten, wissenschaftlichen Vortrags zu Beginn des Films sehr wohl auch persönliche Gründe dafür hatte, David zu erschaffen – hat er ihn noch nach dem Vorbild seines eigenen, verstorbenen Sohnes gestaltet. Während Dr. Hobby David kurz alleine lässt um die anderen Wissenschaftler zu verständigen, muss dieser endgültig erkennen, dass er nichts besonderes ist, als er auf eine Reihe von David’s und Darlene’s trifft, die in Kartons verpackt nur darauf warten, verkauft und verschickt zu werden. In diesem Moment, als all seine Träume verloren scheinen und er sich der traurigen Wahrheit stellen muss – man könnte sagen, er endgültig erwachsen wird – beschließt er, sich in die Fluten zu stürzen.

ImageDoch genau in jenem Moment, als er alle Hoffnung verloren hat, erblickt er unter Wasser die blaue Fee. Gerade als Gigolo Joe ihn aus dem Wasser holt, wird dieser von der Polizei gefangen genommen – seine letzte Tat, bevor er sich mit den Worten „I am. I was…“ verabschiedet, ist es, den Amphicopter darauf einzustellen, dass David mit ihm hinabtauchen kann, um die Unterwasserwelt zu erkunden. Dem Zuschauer ist schon bald klar, dass es sich bei ihr um nichts weiter als eine Statue handelt, um den Teil einer „Pinnochio“-Attraktion in einem Vergnügungspark. Doch David wähnt sich nun am Ziel seiner Träume. Selbst als er durch kindliche Ungeduld ein großes Rad zum Einsturz bringt, dass ihn und Teddy unter Wasser im Amphicopter einsperrt, stört ihn das nicht. Für ihn ist nur eins wichtig: Er hat die blaue Fee endlich gefunden – und so bittet er sie darum, ihn in einen echten Jungen zu verwandelnd. Wieder und wieder und wieder…

ImageGenau das ist das Ende, dass sich wohl viele für den Film gewünscht hätte – und auch wenn mir auch dieser Abschluss durchaus gefallen hätte, war ich schon immer der Meinung, dass "A.I." erst durch den 3. Akt, der uns mehrere Tausend Jahre in die Zukunft führt, komplett wird. Bevor ich näher auf das Ende eingeht, möchte ich mit zwei Missverständnissen aufräumen, die selbst fast 10 Jahre später immer noch gelegentlich die Runde machen: 1.) Die Wesen am Ende sind nicht, wie oftmals fälschlicherweise (auch von mir damals) angenommen wurde, Außerirdische, sondern Mechas; die Nachfahren unserer eigenen Kreation, die ihre Schöpfer lange überdauert haben. 2.) Entgegen aller hartnäckiger Gerüchte wurde dieses Ende nicht erst von Spielberg hinzugefügt; vielmehr war dieser 3. Akt seit jeher Teil des Drehbuchs, und genau das Ende, dass sich Stanley Kubrick – für den "A.I." immer eine Art modernes Märchen war – gewünscht hat.

ImageIch kann zwar verstehen, wenn man dieses Ende nicht mag und die DVD lieber an jener Stelle, als David die blaue Fee unter Wasser anfleht, aus dem Player nimmt – aber teilen kann ich diese Ansicht nur bedingt. Ich finde die letzten 15 Minuten einen wundervollen, passenden Abschluss für den Film, der auch bei weitem nicht das Happy End ist, als dass es oftmals dargestellt wird. Zuerst fällt auf, dass die blaue Fee David’s Wunsch nicht erfüllt. Sie verwandelt ihn nicht in einen echten Jungen – was angesichts der Tatsache, dass die Menschheit schon lange ausgestorben ist, auch nicht viel Sinn machen würde. Vielmehr bieten ihm die Future-Mechas an, aus der von Teddy eingefangenen Haarsträhne von Monica ein Duplikat von ihr zu erschaffen. Die Ironie, die darin versteckt liegt, gefällt mir unheimlich gut: David ist zwar daran gescheitert, ein echter Junge zu werden, dafür bekommt er nun eine künstlich erschaffene Mutter. Damit schließt sich auch der Kreis: Wurde David ursprünglich erschaffen, um Monica zu trösten, ist es nun genau umgekehrt.

ImageDas Einzige, womit ich mir bei diesem Ende schwer tue, ist die Idee, dass unsere Seelen irgendwo im All gespeichert sind und in diese künstlich erschaffenen Wesen für einen Tag zurückgeholt werden können – nur um dann, sobald diese einschlafen, auf immer zu entschwinden. Nicht falsch verstehen: Die Idee, das David zwar Zeit mit seiner Mutter verbringen kann, sein Traum jedoch nur für einen einzigen Tag in Erfüllung gehen kann, gefällt mir ungemein gut. Aber die Begründung, die man sich dafür hat einfallen lassen, riecht schon enorm nach Deus Ex Machina, und hinterlässt bei mir einen etwas fahlen Nachgeschmack. Nichtsdestotrotz finde ich die Szene am Ende mit Monica einfach nur großartig, und empfinde sie als den perfekten Abschluss für diesen Film. Auch konnte ich die empörten Schreie, die sich über ein angeblich überzogenes Happy End beschwert haben, nie nachvollziehen.

ImageWas daran, dass David, diese Maschine, die wer weiß was wie lange Leben mag, ein einziger Tag mit seiner „Mutter“ geschenkt wird, der ihn danach wohl auf ewig verfolgen wird, übertrieben glücklich sein soll, verstehe ich nicht. Ja, sein Traum ist in Erfüllung gegangen – doch seine Existenz danach stelle ich mir ungemein traurig und einsam vor. Zugegeben, all dies zeigt uns Spielberg nicht. Er lässt "A.I." mit diesem künstlich geschaffenen, glücklichen Tag zwischen David und Monica ausklingen, und wie offenbar beide zufrieden einschlafen (was eine weitere, sehr interessante Interpretation ermöglicht). Daher liegt es auch sehr im Auge des Betrachters, wie er dieses Ende interpretiert, und ob er sich auf den sehr glücklichen Aspekt konzentriert, oder auch darüber nachdenkt, was dies für David’s Zukunft bedeuten mag. Wie auch immer, ich finde dieses Ende absolut genial, und auch sehr bewegend.

ImageAbschließend möchet ich noch ein paar allgemeine Worte über den Film verlieren. Das tolle Design hatte ich weiter oben zwar schon kurz hervorgehoben, trotzdem sei es auch hier noch einmal als eine der größten Stärken des Films genannt. Auch Spielbergs Inszenierung weiß zu gefallen. Bei "A.I. – Künstliche Intelligenz" hat er wieder stärker als bei den unmittelbaren Filmen zuvor auf die Bildkomposition geachtet, und sorgt so für einige imposante, denkwürdige Einstellungen, mit denen er teilweise auch Kubrick gerecht wird. Und ein Gespür dafür, durch seine Inszenierung den Zuschauer zu berühren und ihn verschiedenste Emotionen fühlen zu lassen, hat er ja ohnehin. Nach einigen wenig inspiriert klingenden Kompositionen in den Jahren davor hat sich auch John Williams für "A.I." wieder enorm gesteigert, und eine eindringliche, emotionale Filmmusik abgeliefert, die den Bildern und der Handlung absolut gerecht wird.

ImageNachdem er uns bei "Sixth Sense" das Fürchten gelehrt hat, zeigt Haley Joel Osment hier erneut, warum er der mit Abstand beste Kinderdarsteller der späten 90er und frühen 0er-Jahre war (ehe ihm eine gewisse Dakota Fanning den Rang abgelaufen hat). Seine Performance ist absolut überragend. Von kleinen Details, wie dass er den ganzen Film über nicht blinzelt, bis hin zum gelungenen Wechsel von kühl und emotionslos (vor der Imprägnierung) auf ein sensibles, hoffnungsfrohes und teilweise auch verzweifelt-trauriges Kind, gelingt es ihm in jeder Szene, zu überzeugen. Jude Law verleiht Gigolo Joe genau die richtige Mischung aus Charisma, Leidenschaft und kindlicher Naivität. Von Jack Angel ist zwar nur die Stimme zu hören, doch sein Teddy ist eine große Bereicherung für den Film, was in erster Linie seiner Performance zu verdanken ist. Und last but not least muss auch Frances O’Conners beeindruckende Leistung als Monica hervorgehoben werden. Sam Robards, Jake Thomas und William Hurt mögen zwar nicht ganz so viel zum Gelingen des Films beitragen, runden die Besetzung aber nichtsdestotrotz ansprechend ab.

ImageEine der größten Stärken des Films sind aber ohne jeden Zweifel die Spezialeffekte, die auch knapp 10 Jahre später immer noch das Prädikat „sensationell“ verdient haben. Es ist immer wieder erstaunlich, wie CGI-Effekte in einigen Filmen so photorealistisch und in anderen so künstlich und unecht wirken können. "A.I." gehört definitiv in die erste Kategorie. Neben den zahlreichen Effektaufnahmen mit Landschaften und Gebäuden im Hintergrund bestechen vor allem die großartigen Roboter-Effekte, insbesondere die beschädigten Mechas am Schrottplatz. Hier gibt es nach wie vor Einstellungen, die mich ins Staunen versetzen können. Auch Teddy darf nicht vergessen werden. Es gibt einige Szenen, in denen weiß man, dass es sich nicht um eine animatronische Puppe handeln kann, sondern CGI sein muss – und dennoch würde man es nie erkennen. Die futuristischen Mechas am Ende mögen zwar aufgrund ihres phantastischen Designs nicht ganz so überzeugen können, sind aber ebenfalls sehr gut gelungen, und lassen die ungefähr zur gleichen Zeit entstandenen Aliens aus "Mission to Mars" alt aussehen. Selbst die größten Kritiker von "A.I." müssen anerkennen, dass er was die Effekte betrifft nach wie vor zu den Größen des Genres zählt – ein Prädikat, dass er sich meines Erachtens nicht nur für die Special Effects verdient hat!

Fazit: ImageAuch wenn Stanley Kubrick zum Zeitpunkt der Dreharbeiten leider schon verstorben war, und es daher nur bedingt eine Kooperation zweier visionärer Regisseure war, so ist "A.I. – Künstliche Intelligenz" dennoch eindeutig als Schöpfung beider zu erkennen – und vereint das Beste beider Welten. Wenn es auch nur irgendetwas gibt, das sich an Kubrick’s Filmen teilweise kritisieren lässt, dann ist es, dass sie einem teilweise etwas kalt und emotionslos erscheinen. Spielberg ist wiederum das genaue Gegenteil – er lebt für Emotionen, und scheut dabei auch vor offensichtlichsten Manipulationen nicht zurück. Gleichzeitig ist "A.I." aber deutlich skurriler, ungewöhnlicher und gewagter als man das von ihm abseits seiner ernsten Werke wie „Schindlers Liste“ gewohnt war. Eines ist klar, egal ob nur von Kubrick oder nur von Spielberg, abseits des Einflusses des jeweils anderen, wäre "A.I." ein ganz anderer – meines Erachtens weniger faszinierender – Film geworden. Er mag zwar kein perfektes, unantastbares Meisterwerk sein, aber im Gegensatz zu vielen anderen SF-Filmen aus den 0er Jahren ist er nach wie vor ein origineller, einzigartiger, berührender und zum Nachdenken anregender Eintrag ins Genre, der – wie ein guter Wein – mit zunehmendem Alter immer besser wird.

Wertung:9 von 10 Punkten


Christian Siegel
(Bilder © MGM)


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