Mit: Ethan Hawke, Uma Thurman, Jude Law, Xander Berkeley, Gore Vidal, Elias Koteas, Jayne Brook u.a.
Kurzinhalt:
In nicht allzu ferner Zukunft werden die meisten Kinder nicht mehr gezeugt, sie werden gemacht. Gleich nach der Geburt wird jeder Säugling mittels eines DNA-Scans auf Defekte im Erbmaterial hin untersucht und sein Potential erhoben – ein Prozess, der sich bis ins Erwachsenenalter durchzieht. Ein kleiner Tropfen Blut oder die Strähne eines Haars ersetzt nicht nur das Bewerbungsgespräch, sondern ist auch für die Partnerwahl von entscheidender Bedeutung. Vincent wurde jedoch nicht in einer DNA-Klinik gezüchtet, er ist noch auf ganz natürlichem Weg entstanden – leider jedoch auch mit einem schwerwiegenden Herzfehler, der die Ärzte vermuten lässt, dass er nicht viel länger als 30 Jahre leben wird. Mit dieser genetischen Veranlagung hat er natürlich keine Chance, ins Astronautenprogramm von Gattaca aufgenommen zu werden, um sich so seine größten Traum von einer Reise ins All erfüllen zu können. Doch Vincent ist nicht gewillt, einfach so aufzugeben. Er wendet sich an eine Person, die darauf spezialisiert ist, genetisch gesunde jedoch körperlich beeinträchtigte Menschen quasi zu vermitteln. Dadurch lernt er Jerome kennen, der zwar im Rollstuhl sitzt, jedoch über eine makellose DNA verfügt. Nach einigen, teils schmerzhaften Vorbereitungen schlüpft Vincent schließlich in Jerome‘s Rolle, und wird tatsächlich bei Gattaca aufgenommen. Doch nur wenige Tage bevor er auf seine erste Mission zum Saturnmond Titan aufbrechen soll, wird einer der Direktoren der Firma ermordet, und bei ihren Ermittlungen finden die Polizisten eine seiner echten Wimpern…
Review:
In den späten 90ern, kurz nachdem das erste Klonschaf "Dolly" in aller Munde war, traf "Gattaca" genau den Nerv der Zeit – und hat seither nichts an Aktualität verloren. Und auch wenn der Film eine moderne, saubere, sichere und strahlende Welt zeigt, halte ich die hier vorgestellte Zukunftsvision für eine der düstersten, die uns innerhalb des SF-Genres je präsentiert wurden. Der Gedanke, dass wir alle gleich bei unserer Geburt mit einem Stempel versehen werden, der unsere Stärken und Schwächen, unsere Potentiale und Hindernisse offenlegt, ist erschreckend. Das gesamte Leben der jeweiligen Person scheint quasi vorherbestimmt zu sein – gleich nach der Geburt spaltet sich die Menschheit quasi in jene, denen alle Türen offenstehen, und jene, für die diese auf immer verschlossen bleiben werden.
Dass es an jedem selbst liegt, was er aus seinem Potential macht, und wir alle es schaffen können, über uns hinauswachsen, ist etwas, dass von der Gesellschaft so wie sie "Gattaca" präsentiert völlig negiert wird – und gehört zugleich zu den zentralen Themen und Aussagen des Films. "Gattaca" ist dabei nicht einfach nur als Warnung vor einer möglichen Zukunft zu verstehen, sondern auch als Analogie auf jedwede Form der Diskriminierung aus unserer Vergangenheit (oder leider auch Gegenwart), sei es aufgrund von Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe oder aus welchen Gründen auch immer. Zugleich vermittelt der Film die erhebende Botschaft, dass wir alle an unseren Träumen festhalten und sie verfolgen sollen – ganz egal, was andere davon halten, und welche Hürden es dabei auch zu überwältigen geben möge. Und das wir, wenn wir nur fest an uns glauben und bereit sind, über uns hinauszuwachsen, alles erreichen können…
"Gattaca" ist ein Lehrbeispiel dafür, dass es keine lebensbedrohlichen Situationen oder gar den bevorstehenden Untergang der Welt braucht, um für Spannung zu sorgen. Vielmehr ist es das Wichtigste, das uns die Figur(en) sympathisch sind und wir mit ihnen mitfiebern. In den ersten 15 Minuten stellt man uns Vincent vor, und wir erleben in Rückblenden essentielle, prägende Ausschnitte aus seinem Leben. Ich konnte gar nicht anders, als mit ihm mitzufühlen und mich in ihn hineinzuversetzen – und war demnach in weiterer Folge emotional involviert. Tatsächlich habe ich mit der Zeit derart darauf gehofft, dass es Vincent auch ja gelingt, sich seinen großen Traum zu erfüllen, dass es mir sogar teilweise schwer fiel, mich auf die Handlung zu konzentrieren. Meine Gedanken waren gänzlich auf das Ende fixiert, und meine Hoffnung, dass er sein Ziel erreichen würde.
Eben deshalb empfand ich "Gattaca" als ungemein spannend – vor allem, da sich im weiteren Verlauf der Handlung die Schlinge immer enger um ihn zu ziehen scheint. Je näher der Abflug rückt, desto mehr befürchtet man, dass sein großer Lebenstraum, dessen Erfüllung nach all der Zeit und den ganzen Strapazen nun endlich unmittelbar bevorzustehen scheint, doch noch platzen könnte. Bei all diesen großen Themen und Handlungen mag einem die Romanze zwischen Vincent und Irene als überflüssig erscheinen. Tatsächlich dient sie aber nicht nur als Katalysator für einige Entwicklungen, sondern spiegelt zudem die in erster Linie auf die Gesellschaft bezogene Thematik der Akzeptanz von „genetisch Defekten“ im kleinen, persönlicheren Rahmen wider. Zudem verleiht es dem Film eine herrliche Ironie, die von Vincent auch angesprochen wird: Just in jenem Moment, als er sich dazu aufmacht, die Erde hinter sich zu lassen, findet er etwas, für das es sich lohnen würde, dort zu bleiben. Insofern wird "Gattaca" mit der Liebesgeschichte der ohnehin schon vielschichtigen Handlung ein weiterer interessanter Aspekt hinzugefügt.
"Gattaca" ist voller denkwürdiger und/oder emotionaler Momente. Ohne näher ins Detail zu gehen und dadurch zu viel zu verraten seien der "Schwimmwettbewerb", das Überqueren der Straße, Jerome’s mühevoller Kampf die Treppe hinauf und natürlich das Ende erwähnt. Ihre emotionale Wirkung verdanken diese Szenen zu einem nicht unwesentlichen Teil der wunderschönen, eleganten und berührenden Musik von Michael Nyman. Sicherlich eine der schönsten Filmmusiken der 90er; eine wundervolle Komposition, die vor allem gegen Ende hin mit einer eingängigen, von sanften Streichern dargebotenen Melodie verzaubert. Auch die Inszenierung von Andrew Niccol ist überaus gelungen; sehr ruhig, durchdacht und stilvoll, mit kräftigen, satten Farben und einigen beeindruckenden und einprägsamen Bildern geschmückt.
Ethan Hawke’s schauspielerische Leistung in „Gattaca“ ist für mich nach wie vor die (bisher) beste seiner Karriere. Wie alle Darstellungen im Film ist sie bewusst zurückhaltend, dennoch gelingt es ihm, die jeweiligen Emotionen von Vincent gut zu vermitteln. Jude Law gefällt mir sogar noch etwas besser – wohl auch, da die Figur etwas mehr Ecken und Kanten hat und über eine gewisse dunkle Seite verfügt, welche die Rolle anspruchsvoller macht und ihm daher mehr Möglichkeiten gibt, zu glänzen. Uma Thurman überzeugt nicht nur als glaubwürdiger "love interest" (immerhin muss eine Frau, für die Vincent riskiert entdeckt zu werden und sich daher seinen großen Traum doch nicht erfüllen zu können, schon etwas besonderes sein) sondern zeigt uns ebenfalls eine zwar zurückhaltende, aber dennoch vielschichtige und emotionale Performance. In mehr oder weniger großen Nebenrollen überzeugen dann auch noch Alan Arkin, Xander Berkeley und Ernest Borgnine.
Das Einzige, was man "Gattaca" vorwerfen könnte, ist das eine Wendung betreffend einer der Ermittler gegen Ende des Films sehr bequem erscheint und dem Zuschauer nach einer ansonsten sehr glaubwürdig erzählten Geschichte eine gehörige Portion "suspension of disbelief" abverlangt. Da diese Offenbarung aber in der meines Erachtens besten, da emotionalsten und erhebendsten, Szene des Films mündet, will ich darüber mal gnädig hinwegsehen. Eine weitere Wendung, die jedoch für den Zuschauer nicht unbedingt überraschend kommt, verleiht dem Ende dann schließlich eine herrlich bittersüße Note, und sorgt damit für einen passenden, perfekten Abschluss eines höchst gelungenen SF-Films, der definitiv als moderner Klassiker des Genres angesehen werden darf…
Fazit:
"Gattaca" ist ein ruhiger, stilvoller und intelligenter SF-Thriller, der statt Spektakel seine Figuren und die düstere Zukunftsvision in den Mittelpunkt stellt. Eingebettet in eine ordentliche Portion Gesellschaftskritik erzählt er in erster Linie eine sehr persönliche Geschichte voller Hoffnung, jedoch auch mit einer ordentlichen Portion Spannung, die sich hier einzig und allein daraus ergibt, dass Vincent sein großer Lebenstraum so kurz vor dem Ziel doch noch zu entgleiten droht. Da wir jedoch ab der ersten Minute mit ihm mitfühlen, ist dies deutlich wirkungsvoller als so manche drohende Zerstörung der Erde. Ich habe jedenfalls selten mit einem Protagonisten so mitgefiebert und –gezittert. Neben der Handlung überzeugen auch die angenehm zurückhaltenden, aber dennoch ausdruckstarken schauspielerischen Leistungen, die höchst stilvolle Inszenierung sowie die wundervolle Filmmusik von Michael Nyman, welche das erhebende Gefühl, dass der Film zu vermitteln vermag, perfekt unterstützt. "Gattaca" ist ein wundervoller Film, der nicht nur ein erschreckendes Bild von den Gefahren der Gentechnik zeichnet, sondern uns vor allem dazu ermuntert, unsere Träume niemals aufzugeben…