Mit: Keir Dulla, Gary Lockwood, William Sylvester, Douglas Rain u.a.
Kurzinhalt:
In der Morgendämmerung der Menschheit streiften unsere Vorfahren durch die Steppen Afrikas, im ständigen Kampf sowohl mit den Gefahren der Natur als auch gegen fremde Clans, die ihnen in Revier streitig machen wollen. Eines Tages erschien in dieser Einöde auf einmal ein schwarzer Monolith. Anfangs von entsetzlicher Angst befallen, da sie sich das Auftauchen dieses seltsamen Objekts nicht erklären konnten, wurden sie langsam mutiger – und der Monolith belohnte sie mit Wissen, in dem er den Menschenaffen beibrachte, wie man Werkzeuge einsetzen kann. Tausende Jahre später, kurz vor der Jahrtausendwende: Die Menschheit hat mittlerweile die ersten Schritte gemacht, um ihre Wiege – die Erde – hinter sich zu lassen und das Sonnensystem zu erobern. Neben einer Raumstation im Erdorbit gibt es mittlerweile auch eine ständig bewohnte Basis auf dem Mond. Zu eben dieser wird Dr. Heywood Floyd, ein Sonderbeauftragter der US-Regierung, gerufen, als die dort stationierten Wissenschaftler eine unglaubliche Entdeckung gemacht haben: Ein schwarzer Monolith, der im Mondstaub vergraben war. Einige Monate später bricht das Raumschiff Discovery auf, um die Jupitermonde zu erforschen. Neben dem Commander David „Dave“ Bowman, seinem ersten Offizier Frank Poole sowie drei bis zur Ankunft im Tiefschlaf gehaltene Wissenschaftler befindet sich auch eine künstliche Intelligenz namens "HAL 9000" an Bord, welche die komplizierten Systeme des Schiffs steuert. Als HAL den bevorstehenden Ausfall eines Moduls in der Antenne voraussagt, der die Kommunikation mit der Erde abbrechen würde, begibt sich Frank Poole ins All hinaus, um das defekte Gerät auszutauschen…
Spoilerwarnung!
Das nachfolgende Review von "2001 - Odyssee im Weltraum" inkl. der enthaltenen Bilder beinhalten teils große Spoiler zum Film! Zwar sind die wesentlichen Eckpunkte der Handlung inklusive des mysteriösen Endes mittlerweile weitestgehend bekannt, solltet ihr jedoch zu den wenigen (glücklichen) Unwissenden gehören, empfehlen wir, das Review erst nach (möglichst baldiger!) Sichtung des Films zu lesen.
Review:
Der Weg ist das Ziel. Eine vielzitierte Weisheit von Konfuzius, über die man durchaus geteilter Meinung sein kann; was die Beschreibung der filmischen Erfahrung "2001 – Odyssee im Weltraum" betrifft, ist sie aber absolut zutreffend. Auch wenn es natürlich ein definitives Ende gibt, und der Film durchaus darauf zusteuert, so sind die fast 2 Stunden davor eben nicht (nur) dazu da, dieses vorzubereiten. Jedes Bild, jede Einstellung, jede Szene erfüllt ihren ganz eigenen Zweck. Jedes einzelne der vier Segmente erzählt eine sehr eigenständige Geschichte, die zwar zusammen mit den anderen Teilen ein faszinierendes Mosaik ergibt, auf rein narrativer Ebene aber auch für sich allein genommen ebenso funktioniert. Auch fehlt es "2001" an einem klaren roten Faden in der Handlung, oder genau genommen überhaupt an Handlung. Denn in Wahrheit passiert eigentlich nicht viel; und doch ist "2001" voller Bedeutung, Inhalt und Aussagekraft. Ein Widerspruch? Mitnichten.
Bevor ich mit meinem Liebesbrief an Kubrick's Meisterwerk fortfahre, sei festgehalten, dass ich für all jene, die mit "2001 – Odyssee im Weltraum" wenig bis gar nichts anfangen können, durchaus Verständnis habe. Auch wenn ich generell gegen eine langsame Erzählweise nichts einzuwenden habe – und "2001" ist nun mal ein langsamer Film, der oftmals in seinen Bildern, Einstellungen oder auch der Musik schwelgt – gibt es einige Filme, die auch mich nicht ansprechen konnten und mir zu fad waren. Allen voran "The New World", der genau genommen "2001" nicht unähnlich ist. Auch dort geht es in erster Linie um die Bilder, die Musik, und wie diese zu einem kunstvollen Gesamtbild verschmelzen. Und doch fand ich ihn einfach nur sterbenslangweilig und grottenschlecht (wobei die grauenhaft-schwülstigen Kommentare sicherlich nicht geholfen haben). Bin ich deshalb gleich anspruchslos oder gar dumm, und/oder leide unter ADS? Natürlich nicht.
Ähnlich verhält es sich mit Stanley Kubricks Weltraum-Epos. "2001" ist weniger ein Unterhaltungsfilm als Kunst. Einer der wenigen Filme, welche die Möglichkeiten des Mediums voll ausschöpfen, und eine Geschichte erzählen, die man so in keiner anderen Kunstform ähnlich effektiv darstellen könnte (wie der Vergleich mit Arthur C. Clarke’s Roman beweist, der zwar ebenfalls zu faszinieren vermag, jedoch ohne Kenntnis der Bilder und der einprägsamen musikalischen Untermalung ungleich weniger beeindruckt). Und so wie jede Kunst, spricht er einige an, während andere sich nur kopfschüttelnd abwenden können. Doch, sofern mich meine bisherigen Nachforschungen im Freundeskreis und im Internet nicht trügen: Jene, die er anspricht, vermag er so zu verzaubern, beeindrucken, faszinieren und prägen wie kaum ein anderer Film vor oder nach ihm…
Geht man nach dem Papier, dürfte "2001 – Odyssee im Weltraum" eigentlich nicht funktionieren. Und um fair zu bleiben, für viele funktioniert er ja auch tatsächlich nicht. Figuren werden so plötzlich eingeführt wie sie auch schon wieder verworfen werden, die Handlung folgt keinem koheränten roten Faden, die einzelnen Episoden sind nur rudimentär miteinander verbunden, lange Stellen des Films (wie z.B. der komplette erste und letzte Abschnitt) finden ohne ein einziges gesprochenes Wort statt, es gibt zahlreiche Szenen und Einstellungen, die für die eigentliche Geschichte absolut redundant sind, und und und. Geht man nach dem allgemein anerkannten Lehrbüchern für Filme, macht Stanley Kubrick bei "2001" so ziemlich alles falsch, was man nur falsch machen kann. Für mich zählt aber genau die Tatsache, dass "2001" mit vielen Konventionen bricht, denen sich das Medium Film sowohl zuvor als auch danach freiwillig unterworfen hat, zu seinen größten Stärken – da es ihn zu einer einmaligen und einzigartigen Filmerfahrung macht.
"2001 – Odyssee im Weltraum" beginnt mit einer heutzutage sehr ungewohnten, aber damals nicht ungewöhnlichen Ouvertüre, die mit ihren schaurig-atmosphärischen Klängen (die wir später während Bowman’s Reise erneut hören werden) perfekt auf den Film einstimmt. Danach hören wir zum ersten Mal das Hauptthema des Films: "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss (gespielt von den Wiener Philharmonikern unter der Leitung des unvergesslichen Herbert von Karajan), das erst durch "2001" so richtig bekannt wurde und seither untrennbar mit ihm verbunden ist. Nach einigen wunderschönen, imposanten Bildern von Sonnenaufgängen und Landschaftsaufnahmen finden wir uns bei unseren Vorfahren wieder. Sowohl Masken, Kostüme als auch Darstellung der Affenmenschen sind so glaubhaft, dass es die Frage „Wurden für die Aufnahmen echte Affen verwendet?“ doch tatsächlich in die FAQ der IMDB geschafft hat. Und auch wenn die Frage etwas naiv erscheint, sind die entsprechenden Szenen so gelungen und glaubwürdig umgesetzt, dass man zumindest verstehen kann, wie jemand auf diese Idee kommen könnte.
Die Affenmenschen werden als Opfer ihrer Umwelt dargestellt. Verzweifelt streitet man sich mit einem verfeindeten Clan um eine Wasserpfütze, einer der Affen wird von einem Leoparden angegriffen. Doch dann erscheint – begleitet von Lygeti’s schauerlichem Requiem, das ein Gefühl des Unbehagens und des Unerklärlichen vermittelt die absolut perfekt zur Szene passt – der Monolith und bringt ihnen bei, Tierknochen als Waffen einzusetzen. Als der erste Affenmensch einen Knochen erhebt und damit den Skelettschädel eines Tieres einschlägt, untermalt Kubrick auch diese Szene mit Strauss "Also sprach Zarathustra", und unterstreicht damit ihre Bedeutung für die Entwicklung der Menschheit zur Herrschaft über die Erde. Nun folgt eine der bekanntesten und beeindruckendsten Szenenübergänge der Filmgeschichte: Als der von den Affenmenschen als Waffe verwendete Knochen in die Luft geschleudert wird, blendet Kubrick auf einen Satteliten im All – und überbrückt mit einem einzigen, kongenialen Szenenwechsel Jahrtausende der Evolution und Menschheitsgeschichte…
Wie im ganzen Film steckt in diesen Szenen und dem Übergang unheimlich viel Interpretationsspielraum, wie auch in der Tatsache, dass das nachfolgende Segment des Films nicht mit einer eigener Texteinblendung eingeleitet wird (was andeuten könnte, das für Kubrick auch die Epoche unserer ersten Babyschritte ins All noch zum Morgengrauen der Menschheit zählt). Da dies jedoch eine Filmrezension, und keine Filmanalyse sein soll – und bei "2001" ohne jeder seine eigene Bedeutung und Interpretationen finden sollte – soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. Zumal man die nachfolgenden Szenen mit den Anflug des Raumschiffs auf die Station, unterlegt mit Johann Strauß‘ "An der schönen blauen Donau" – nicht nur eine der schönsten des Films, sondern der gesamten Filmgeschichte – ohnehin in Ruhe genießen sollte, statt sich zu viel den Kopf über den Film zu zerbrechen (das soll, kann und darf dann natürlich gerne nach dem Abspann erfolgen). Einfach nur wunderschön, ein Moment zum Träumen und Genießen…
Was hier neben Kubricks Gespür für eine perfekte Symbiose von Bildern und Musik und generell seinem Gefühl für imposante Bilder und Einstellungen besonders ins Auge sticht, ist die grandiose Effektarbeit von Douglas Trumbull, die den ganzen Film hinweg überzeugen kann. "2001 – Odyssee im Weltraum" ist mittlerweile mehr als 40 Jahre alt, und sieht immer noch so jung aus wie am ersten Tag. Die Effekte sind nach wie vor ein Augenschmaus, absolut beeindruckend und völlig glaubwürdig. Einzig die Szenen am Mond mögen dadurch, dass wir nach den bemannten Mondmissionen (deren erste, wie man sich bei der Sichtung des Films immer vor Augen halten sollte, erst 1 Jahr nach dem Kinostart des Films Wirklichkeit wurde) einen besseren Blick auf unseren Trabanten werfen konnte, nicht 100%ig stimmig erscheinen – aber dies kann dem Film nun wahrlich nicht vorgeworfen werden. Das Design ist zwar eindeutig als der typische futuristische Look aus den 60er Jahren zu entlarven, und einige Ideen wie die Haft-Schuhe mögen heute etwas unfreiwillig komisch wirken, dennoch können die hier dargestellten Konzepte durchaus überzeugen, und sind als eine Art alternative Realität plausibel.
Erst jetzt, nach mehr als 25 Filmminuten, werden nach Heywood Floyd’s Ankunft auf der Station die ersten (verständlichen) Worte gesprochen. Nun geht es in erster Linie darum, einige der technologischen Errungenschaften des – damals noch weit in der Zukunft liegenden – angehenden nächsten Jahrtausends aufzuzeigen (wie das Videotelephon, das vom Design her zwar veraltet wirken mag, vom Konzept her aber definitiv in etwa zum vom Film vorhergesehenen Zeitpunkt zunehmend Verbreitung fand, und heutzutage dank Webcams und Skype selbst in privaten Haushalten auf dem Vormarsch ist), sowie das Mysterium rund um die Quarantäne und die seltsamen Vorkommnisse auf der Mondbasis vorzustellen. Durch das zwar freundliche, aber doch etwas angespannte Klima im Gespräch mit den Russen wird zudem das politische Verhältnis der beiden Großmächte klar: Deutlich entspannter als in den 60ern, der Hochzeit des kalten Krieges, aber immer noch nicht ganz reibungsfrei.
Danach wird der Flug zum Mond – und damit auch der Donauwalzer – fortgesetzt, und neben den imposanten Weltraumeffekten beeindruckt vor allem jene Szene, als die Stewardess in einem Kreis 180° und damit quasi an die Decke geht, womit man (nach der Einstellung mit dem Kugelschreiber zuvor) erneut deutlich macht, dass auf der Sphäre Schwerelosigkeit herrscht, und den geneigten Filmfan zudem mit einem fragenden „wie zum Teufel haben die das nur gemacht?“ zurücklässt. Mittlerweile kenne ich natürlich die Antwort darauf, aber ich wünschte wirklich, ich wüsste sie nicht. Es ist wie bei einem gelungenen Zaubertrick: Wenn man mal weiß, wie es gemacht wird, ist leider viel vom Zauber und der Magie verflogen. Während der Landung gibt es erneut einige ungemein beeindruckende Effektszenen zu bestaunen. Besonders beeindruckt bin ich immer von jenen Momenten, wie z.B. als die Kapsel in die Basis hinuntergelassen wird, und man in gleich mehreren Fenstern der Basis dahinter Menschen erkennen kann, die ihrer gewöhnlichen Arbeit nachgehen. Diese Szenen bestehen aus so vielen, einzeln gefilmten und dann perspektivisch korrekt auf die entsprechenden Mini-Leinwände des Modells projizierten Segmenten, dass mich das Ergebnis vor allem angesichts des Alters des Films immer wieder in Staunen versetzt (wie genau genommen eigentlich der gesamte Film).
In den nachfolgenden Szenen während der Konferenz und auf dem Flug über dem Mond erfahren wir dann die Gründe für die Geheimhaltung: Auf dem Mond wurde ein schwarzer Monolith entdeckt, der vor Millionen vor Jahren dort vergraben wurde. Damit ist dieses mysteriöse Artefakt zugleich der Beweis für eine außerirdische Intelligenz. In der darauffolgenden Szene, als sich die Astronauten dem Monolithen nähern, hören wir erneut Ligety’s markerschütternde Komposition, die diesmal durch den teilweise sehr atonalen Klang noch einmal um einiges beunruhigender, bedrohlicher, fremdartiger und mysteriöser wirkt als zuvor. Es ist eine sehr anstrengende Szene, die jedoch damit beim Zuschauer dank der Musik genau jene Gefühle auslöst, die wohl auch die Astronauten in diesem Moment spüren müssen, als sie sich diesem geheimnisvollen Artefakt nähern. Das nachfolgende starke Signal des Monolithen ist die einzige Szene, wo ich den Roman vorziehe – da dort genau erklärt wird, warum dieses genau in diesem Moment ausgestrahlt wird (da Sonnenlicht auf den Monolithen strahlt), während es im Film willkürlich, zufällig erscheint. Das ist jedoch ein absolut vernachlässigbarer Kritikpunkt.
Nun beginnt das 3. Segment: Die Reise der Discovery zum Jupiter. Für viele ist es der beste Abschnitt des Films, und auch wenn ich persönlich keinen Teil von "2001" besonders hervorstreichen könnte, kann ich verstehen warum. Nicht nur beinhaltet die nachfolgende Stunde einige der denkwürdigsten Momente und Dialoge des Films, sie erzählt zudem eine sehr spannende Geschichte, und widmet sich mit der künstlichen Intelligenz HAL einer neue Thematik, nämlich der Angst (und Abhängigkeit) des Menschen vor (bzw. von) neuen Technologien. Bevor uns jedoch in einem Bericht der BBC kurz und prägnant die nötigen Hintergrundinformationen für den Rest dieses Handlungsteils vermittelt werden, dürfen wir noch einmal eine beeindruckende „Wie zum Henker haben die das nur angestellt?“-Szene bewundern, als wir Frank Poole mit der Kamera dabei verfolgen, wie er wie ein Hamster im Rad über die Innenwand des Schiffes läuft. Auch hier ist es am besten, sich gar nicht zu viele Gedanken über das „Wie?“ zu machen, sondern die Szene einfach zu genießen und diesen magischen Filmmoment auf sich wirken zu lassen…
Als HAL den bevorstehenden Ausfall eines Moduls in der Antenne meldet und David Bowman sich nach draußen begibt, um dieses auszutauschen, werden wir uns einer weiteren Besonderheit von "2001" bewusst. Ist er doch – korrigiert mich bitte, wenn ich mich irre – der einzige Film, der was den (nicht vorhandenen) Schall und damit Ton im Weltraum betrifft der wissenschaftlichen Korrektheit gegenüber den dramatischen Anforderungen des Mediums bzw. der Erwartungshaltung des Publikums den Vorzug gibt. In den Weltraum-Szenen davor mag es noch nicht so aufgefallen sein, da diese immer mit Musik untermalt waren. Hier jedoch verzichtet Kubrick auf eben solche, und da außer den Atemgeräuschen von Dave sonst kein Ton zu hören ist, können wir dessen Isolation und die Einsamkeit im All so richtig nachvollziehen. Ich fand die entsprechenden Szenen jedenfalls schon immer sehr atmosphärisch und beängstigend.
Nachdem die Untersuchung des angeblich defekten Moduls keinen Schaden aufgezeigt hat und deutlich wird, dass HAL 9000 offenbar ein Fehler unterlaufen ist, nimmt die Spannung – zum ersten und einzigen Mal im Film – so richtig zu. Wir sehen, wie sich Poole und Bowman besprechen, und Kubrick zeigt uns auch, wie sie dabei von HAL beobachtet werden. Sofort beschleicht uns ein mulmiges Gefühl – das kurz darauf bestätigt wird, als ein von HAL gesteuerter Pod Frank angreift und er unaufhörlich in die Weiten des Alls treibt. Während Dave versucht, ihn zu retten, tötet HAL alle im Tiefschlaf befindlichen Wissenschaftler. Die nachfolgenden 10 Minuten… es fällt mir schwer, sie als die besten des Films zu klassifizieren, da ich damit irgendwie den Rest von "2001" abwerten würde, aber sie sind definitiv die spannendsten und gehören auch zu den denkwürdigsten Momenten von Kubrick’s Meisterwerk. Schon allein der grandiose Dialog zwischen David Bowman und HAL: „Open the pod gate doors HAL.“ „I’m sorry Dave, I’m afraid I can’t do that….“
Angesichts der teils atemberaubenden Bilder, der faszinierenden, vielschichtigen Geschichte und Kubrick’s stilvoller Inszenierung mögen die Schauspieler zwar fast zu Statisten verkommen, dennoch liefern sie alle großartige Leistungen ab. Und dennoch sticht unter ihnen interessanterweise gerade jener Darsteller hervor, den wir nie zu Gesicht bekommen. Douglas Rain ist als HAL 9000 einfach nur phänomenal. Zu keinem Zeitpunkt wird das offensichtlicher als in diesen Szenen des Films, sowie den nachfolgenden Momenten, als Dave, der doch erfolgreich auf die Discovery zurückkehren konnte, sich daran macht ihn auszuschalten. „Just what do you think you’re doing, Dave?“ „I know I’ve made some very poor decisions recently.“ Oder sein fast flehender Ton, als Dave beginnt seine höheren Funktionen zu deaktivieren. „Dave, stop.“ „I’m afraid, Dave…“ „Dave, my mind is going. I can feel it.“ Es wurde schon von vielen erwähnt, und auch ich komme nicht umhin es anzumerken: HAL wirkt – insbesondere in diesen Momenten – teilweise menschlicher als seine menschlichen Begleiter.
Nun führt uns "2001 – Odyssee im Weltraum" zum Jupiter – und darüber hinaus. Auch in diesem letzten Abschnitt wird kein einziges Wort gesprochen. Generell werden die nächsten 15 Minuten von verschiedenen und verschiedenartigen, jedoch immer opulenten Effektszenen dominiert, die Bowman’s unglaubliche Reise verbildlichen sollen (und wohl zugleich für die Klassifizierung des Films als der „ultimative Trip“ verantwortlich sind). Auch diese können genau genommen wieder in drei Segmente unterteilt werden. Zuerst haben wir jene Effekte, in der verschiedenfarbige Lichtstrahlen oben, unten, seitlich etc. an uns vorbeistreifen, was die unfassbare Geschwindigkeit ausdrücken soll, mit der sich Bowman fortbewegt. Danach gibt es beeindruckende Bilder aus dem All zu bestaunen (ich weiß bis heute nicht, ob es sich bei allen um Special Effects-Aufnahmen handelt, oder auch ein paar echte Aufnahmen von Teleskopen verwendet wurden. Dass ich mir die Frage überhaupt stelle macht deutlich, wie überzeugend die Aufnahmen sind). Der 3. und letzte Teil konnte mich schon immer an wenigsten überzeugen, handelt es sich dabei doch offensichtlich um Aufnahmen von Hubschrauberflügen über die Erde, die nachträglich eingefärbt wurden, um sie fremdartig und außerirdisch wirken zu lassen. Leider aber wirken sie zugleich extrem künstlich – zumal die Farben ständig, aber scheinbar willkürlich (zumindest konnte ich in der Anordnung bisher keinen Sinn erkennen – ich lasse mich von euch aber gerne aufklären!) wechseln.
Sobald die Raumkapsel aber an ihrem Ziel angekommen ist, und wir diese inmitten eines seltsamen weißen Raumes sehen, das wie ein Hotelzimmer aus dem 18. Jahrhundert wirkt, beginnt eine der geheimnisvollsten und meist diskutierten Szenen der Filmgeschichte. Zuerst erleben wir, wie Bowman sprunghaft (und schnell) altert – eine Sequenz, die mich als ich sie das erste Mal (mit ca. 16 Jahren) gesehen habe ungemein geängstigt hat. Schon als Kind und später als junger Jugendlicher, wo es normal ist, dass sich die Ängste die man unter Tags mit sich herumschleppt im Schlaf als Alpträume manifestieren, wurde ich von einem ganz bestimmten Alptraum geplagt, den ich immer beängstigender und erschreckender fand als alle anderen. In diesen sah ich mich immer selbst, aber aus der Perspektive eines anderen.
Was genau mich daran so geängstigt hat, kann ich nicht sagen. Vielleicht symbolisierte es für mich den Tod (angesichts der immer wieder aufkommenden Erzählungen von Menschen an der Schwelle des Todes, dass sie ihre Körper quasi verlassen und auf sich selbst herabgeblickt hätten), möglicherweise empfand ich diesen Wechsel der Perspektive und diese Selbstwahrnehmung generell als schockierend. Jedenfalls waren das immer jene Alpträume, aus denen ich ganz besonders schweißgebadet aufgewacht bin. "2001" bedient sich nun in diesen Szenen eines ganz ähnlichen Konzepts, dass dadurch, dass Bowman nicht einfach nur sich selbst sieht, sondern immer sein zukünftiges oder vergangenes Ich, für mich sogar noch an Schrecken gewinnt. Und auch wenn ich nun Gott sei Dank schon seit Jahren nicht mehr von ähnlichen Träumen geplagt werde, haben diese Momente bei mir nach wie vor nichts an Wirkung verloren – immer noch läuft mir jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken…
Doch zurück zum faszinierenden und mysteriösen Ende: Nachdem Bowman vor unseren Augen binnen weniger Minuten gealtert ist, sehen wir ihn zuletzt quasi im Sterbebett liegen, wo ihm erneut der Monolith erscheint. Fast sehnsüchtig streckt er die Finger nach ihm aus, so als würde er auf Erleuchtung oder Erlösung hoffen – und wird schließlich als Sternenkind wiedergeboren. Wie dieses neben der Erde erscheint ist ein weiteres Bild, das in die Filmgeschichte eingegangen und absolut unvergesslich ist. Es ist ein erhabener, triumphaler Moment, in dem erneut und zum letzten Mal "Also sprach Zarathustra" zu hören ist. Genauer möchte ich auf dieses Ende, dass so wie der Rest des Films viel Interpretationsspielraum bietet, auch gar nicht mehr eingehen, sondern euch lieber dazu einladen, euch selbst Gedanken darüber zu machen, sich nicht von mir beeinflussen zu lassen und stattdessen eure eigene Bedeutung zu finden. Denn es ist genau das, was "2001" so auszeichnet und dazu führt, dass er im Gegensatz zu vielen modernen Filmen noch lange nachhallt…
Schließlich wartet dann auch der Abspann noch mit einer Besonderheit auf. Denn um das Filmerlebnis stilvoll ausklingen zu lassen, ist während die "Credits" über die Leinwand/den Bildschirm flimmern noch einmal Johann Strauß‘ "An der schönen blauen Donau" zu hören. Doch da die Filmcrews früher noch deutlich kleiner (bzw. die Anforderungen an den Abspann, auch wirklich alle Beteiligten anzuführen, noch nicht so streng) waren als heutzutage, sind diese ca. zur Hälfte des Donauwalzers auch schon vorbei. Anstatt – wie man das bei jedem anderen Film gemacht hätte – das Musikstück abzubrechen, lässt Kubrick "An der schönen blauen Donau" bis zur letzten Note über dem schwarzen Bild weiterspielen und gemütlich ausklingen. Dies gibt dem Zuschauer noch einmal Gelegenheit, sich über den Film Gedanken zu machen und das Gesehene zu verarbeiten und darüber zu reflektieren. Und das ist auch bitter nötig, denn "2001 – Odyssee im Weltraum" lädt nicht einfach nur dazu ein, er erfordert es förmlich. Erst wer sich über die Sichtung des Films hinaus mit ihm und den darin vorgestellten Themen, Gedanken und Ideen beschäftigt, wird jemals seine Faszination nachvollziehen können. Und letztlich lag genau darin auch Kubrick’s Absicht. Es ging ihm weniger darum, die Zuschauer zu unterhalten, als sie zum Nachdenken anzuregen. Nicht zuletzt auch deswegen ist "2001 – Odyssee im Weltraum" für mich ein absolutes Meisterwerk, und eine Sternstunde des Kinos…
Fazit:
Stanley Kubrick hat uns im Lauf seiner Karriere viele unvergessliche Filme beschert – doch "2001 – Odyssee im Weltraum" ist für mich zweifelsohne sein Meisterstück. In fast 2-1/2 Stunden nimmt er uns auf eine faszinierende Reise durch das Sonnensystem, und wirft dabei unzählige Fragen zur Menschheit, unserer Bestimmung und den Geheimnissen, die das All für uns noch bergen mag, auf. Keinem anderen Film ist es meines Erachtens besser gelungen, die Faszination des Weltalls besser zu vermitteln. Zwar sind alle Aspekte der Filmproduktion, egal ob schauspielerische Leistungen oder visuelle Effekte – absolut top, dennoch ist es in erster Linie Stanley Kubricks Inszenierung und sein Gefühl für imposante Bilder und die perfekte musikalische Untermalung, die besticht.
Sein Perfektionismus, für den er Zeit seines Lebens bekannt war, ist dabei in jeder Einstellung spürbar. Jede einzelne Szene, jeder Moment des Films hat einen Sinn – und sei es nur, uns durch traumhaft schöne Bilder ins Staunen zu versetzen. Nichts ist willkürlich, alles bewusst und absichtlich. Wer er nicht schafft, sich auf dieses Erlebnis einzulassen und einfach nur in den Bildern und der Musik zu schwelgen, für den hat "2001" angesichts der fragmentarischen Handlung wohl nicht viel zu bieten, und wird ihn als lang und langatmig empfinden. Kubrick geht es hier nun mal weniger darum, eine Geschichte zu erzählen, als Gefühle, Gedanken und Ideen zu vermitteln, unsere Phantasie anzuregen, uns zu inspirieren und zum Nachdenken zu bringen – über den Film, über uns, die Menschheit, und unsere Rolle in Universum. Und eben dies macht "2001 – Odyssee im Weltraum" für mich letztendlich nicht einfach "nur" zu einem Meisterwerk, sondern zum besten Film aller Zeiten…
"2001 - odyssee im weltraum" ist vor allem eines: zeitlos! es gibt wenige filme aus dieser ära, die so gut gealtert sind. vielen dank für das vielschichtige, begeisternde review!